Liebe Leserinnen und Leser,
die Ihnen vorliegende Ausgabe des LaG-Magazins befasst sich mit der Frage der Sinnhaftigkeit von Diktaturvergleichen für die historisch-politische Bildung.
In erster Linie beschäftigen sich die Beiträge mit Überlegungen zu Vergleichen zwischen den zugrunde liegenden Systemen und den Ausprägungen des Nationalsozialismus und der DDR, wobei Bezüge auf den sowjetischen Stalinismus als historischen Referenzrahmen nahe liegend erscheinen. Die Vergleiche dieser so unterschiedlichen Systeme und ihrer grundlegend verschiedenen Ideologien sind auch immer Teil von Auseinandersetzungen um geschichtspolitische Deutungshoheiten.
Nicht von ungefähr werden in diesem Zusammenhang immer wieder Befürchtungen laut, die Rede von den „zwei deutschen Diktaturen“ – losgelöst von den jeweils besonderen historischen und gesellschaftlichen Kontexten - würde zu einer späten Relativierung der deutschen Schuld und Verantwortung für den Nationalsozialismus, den Holocaust und andere nationalsozialistische Massenverbrechen führen.
Die geschichtspolitischen Kontroversen, die hinter der Auseinandersetzung um Diktaturvergleiche im bundesdeutschen Kontext stehen, stellen die historisch-politische Bildung immer wieder vor Herausforderungen und erfordern Diskussionen und Positionierungen gegen ideologisch motivierte Vereinfachungen.
Um die Komplexität der Thematik nicht noch zu erhöhen, wird daher die Auseinandersetzung um andere Formen von Diktaturen, wie beispielsweise um die unterschiedlichen lateinamerikanischen Regime der 1970er und 80er Jahre, in dieser Ausgabe ausgeklammert.
Wir danken an dieser Stelle den Autorinnen und Autoren, die mit ihren Gastbeiträgen zum Entstehen dieser Ausgabe beigetragen haben.
Dr. Carola S. Rudnick problematisiert Vergleiche zwischen dem Nationalsozialismus und der DDR mit Bezug auf das Geschichtslernen und plädiert in diesem Zusammenhang für Gegenwartsbezüge.
In ihren Überlegungen zu Diktaturvergleichen wirft Dr. Martina Weyrauch die Frage auf, ob nicht die Faszination von autoritären Gesellschaftsmodellen verstärkt zu diskutieren wäre.
Daniel Gaede plädiert aus einer gedenkstättenpädagogischen Perspektive dafür, bei Diktaturenvergleichen wissenschaftliche Maßstäbe einzuhalten und einen respektvollen Umgang mit den Opfern zu pflegen.
Die unterschiedliche Wirkung medialer Impulse auf die historischen Vorstellungen Jugendlicher über den Nationalsozialismus und die DDR analysiert Andrea Kolpatzik.
Eine Besonderheit stellt der Aufsatz von Dagi Knellessen und Markus Nesselrodt dar. Sie setzen sich darin kritisch mit dem Auftaktfilm „Das Gedächtnis der Nation“ sowie mit dem gleichnamigen Zeitzeugenportal auseinander. Auch wenn der Beitrag sich nicht unmittelbar mit dem Diktaturvergleich befasst, waren die geschichtspolitischen Implikationen, die „Das Gedächtnis der Nation“ in sich trägt und der Aktualitätsbezug Grund genug, den Text als Diskussionsbeitrag in diese Ausgabe aufzunehmen.
Die nächste Ausgabe des LaG-Magazin greift die weite und aktuell viel diskutierte Thematik des historischen Lernens in heterogenen Gruppen auf und erscheint am 7. Dezember.