Katharina Hochmuth ist Leiterin des Arbeitsbereichs Schulische Bildungsarbeit bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin.

von Katharina Hochmuth 

Frauenrechte geraten weltweit zunehmend in Bedrängnis. Dieser Befund aus dem UN-Weltbevölkerungsbericht von 2024 mag sich durch eine deutsche und westeuropäische Brille mitunter nicht sofort erschließen, da hier Fragen der Gleichberechtigung und Geschlechterforschung sowie der Gender Gap im öffentlichen Diskurs, in Politik, Wissenschaft und Kultur, auch aus intersektionaler Perspektive, präsent sind. Beziehen wir allerdings die globale Entwicklung ein und berücksichtigen, dass sich mehr und mehr Länder in Richtung autokratischer und diktatorischer Systeme bewegen, liegt eine damit verbundene Einschränkung von Frauenrechten wiederum nahe.

Wie war es um Frauenrechte und Fragen von Emanzipation und Feminismus in der DDR bestellt? Wie sah weiblicher Protest und Widerstand im Osten des geteilten Deutschlands aus? Das vorliegende LaG-Magazin greift diese und weitere Fragen in mehreren Beiträgen von Autorinnen und Zeitzeuginnen auf, ausgehend von der Wanderausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich. Die unabhängige Frauenbewegung in der DDR“, deren neuer Blickwinkel die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten aus der Frauen- und Geschlechterforschung, insbesondere zur ostdeutschen Frauenbewegung, bestens ergänzt.

Gerade für den ländlichen Raum war die Erschließung von Quellen zu den oftmals nur lose verbundenen Frauengruppen eine Herausforderung. Die vor allem aktivistisch agierenden Gruppen dokumentierten ihre Tätigkeiten auch aus Sicherheitsgründen nur selten, so dass sie sich nicht über die gängigen Archive rekonstruieren lassen. Es ist ein kuratorisches Verdienst, dass die Ausstellung viele neue Quellen wie Fotos, biografische oder künstlerische Zeugnisse zusammenträgt und in eine Geschichte der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR einbindet. Die Oppositions- und Bürgerrechtsbewegung in der DDR ist zwar insgesamt gut erforscht, aber gerade über viele regionale Frauen- und Lesbengruppen war im Vergleich zu den weiblichen Lichtgestalten der Bewegung bislang noch wenig bekannt. Daher war es der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ein wichtiges Anliegen, gemeinsam mit der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung und der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur die Realisierung der Ausstellung zu unterstützen.

Das Format der Wanderausstellung in Kombination mit dem umfangreichen Katalog sowie didaktischen Materialien eignet sich bestens, um die neuen Erkenntnisse zur unabhängigen Frauenbewegung, die sich in unterschiedlichen Regionen bzw. Bezirken in der DDR konstituierte, wieder in die Regionen zurückzuspielen. Mit dem niedrigschwelligen Angebot können in Gedenkstätten und öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Rathäusern Menschen erreicht werden, die nicht per se geschichtsinteressiert sind. Insbesondere Jugendliche in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit erhalten über die ergänzenden didaktischen Angebote die Möglichkeit, sich vertiefend und gegenwartsbezogen mit oppositionellen Frauen in der DDR auseinanderzusetzen. Sie erfahren, welche Wünsche und Forderungen die Aktivistinnen hatten und welche Mittel des Protests ihnen – lange vor der Digitalisierung und den sozialen Medien – zur Verfügung standen. Somit können sich Jugendliche einerseits mit den Unterschieden von Protest und Widerstand in Diktaturen und Demokratien beschäftigen sowie die Bedingungen für politisches Engagement in der DDR und in der Bundesrepublik miteinander vergleichen und andererseits über die aktuelle Situation von Frauen in unterschiedlichen politischen Systemen – von autokratisch geführten Ländern wie Iran, Russland oder dem Tschad bis hin zu Demokratien wie Chile, Indien oder auch dem eigenen Land – diskutieren.

 

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