Empfehlung Unterrichtsmaterial

Bildungsmaterial für Lehrkräfte zur Wanderausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“

Ulrike Rothe ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Agentur für Bildung, Geschichte und Politik e.V. Zur Frauen- und Geschlechtergeschichte der DDR hat sie mehrere Essays und Fachbeiträge veröffentlicht. Sie ist Initiatorin und leitende Kuratorin des Ausstellungsprojekts „Gemeinsam sind wir unerträglich“.

von Ulrike Rothe

 

Konzeptionelle Vorüberlegungen

Für ein ausstellungsbegleitendes Bildungsmaterial zum Thema unabhängige Frauenbewegung in der DDR standen eine Reihe von thematischen Ansätzen zur Auswahl. Mit ihrer Hilfe sollte das Thema in größere Zusammenhänge eingeordnet und somit seine Relevanz begründet werden. Beispielsweise kann die DDR-Frauenbewegung als Teil der deutschen und auch der globalen Frauenbewegung erarbeitet werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, Frauenrechte als Menschenrechte zu thematisieren: Was bedeuten Menschenrechte und Demokratie in Bezug auf weibliche und queere Lebenszusammenhänge? Möglich erschien auch, dass die Ausstellung Projekte regionaler und lokaler Spurensuche zum Thema initiiert und begleitet. Hier entstand auch der Wunsch, die Ausstellung erweiterbar zu halten, so dass regionale Initiativen weitere Tafeln entwickeln können – ein verständliches Anliegen angesichts des geringen Aufarbeitungsstands zum Thema. Diese Aufzählung ließe sich noch fortführen. Die Wahl des thematischen Ansatzes ist eng verbunden mit der Frage, wer überhaupt in die Ausstellung gehen würde und zudem das Bedürfnis hätte, sich vertiefend mit dem Thema auseinanderzusetzen.
 
In einer Befragung potenzieller Leihnehmer*innen und Interessent*innen für ausstellungsbegleitende Programme kristallisierten sich im Wesentlichen zwei Zielgruppen heraus: 1. Zeitzeug*innen, ehemals oppositionell oder frauenpolitisch Engagierte und generell Vertreter*innen der älteren (u.a. DDR-sozialisierten) Generationen und 2. Jugendliche und junge Erwachsene, die sich für feministische oder andere Bewegungen interessieren oder sich selbst auch in einer sozialen Bewegung engagieren. Bei älteren Zielgruppen respektive Leihnehmern wie Frauenzentren, Rathäusern oder Landtagen bestand eher das Bedürfnis nach diskursiven und Begegnungsformaten. Diese ermöglichen, durch Kurator*innen in das Thema eingeführt zu werden, in Vorträgen mehr über Kontexte zu erfahren, in Zeitzeuginnengesprächen und Erzählcafés selbst die eigene Perspektive einzubringen und sich mit anderen auszutauschen.
 
Einige der befragten Leihnehmer, etwa Gedenkstätten, Archive und größere Bildungseinrichtungen zur DDR-Geschichte, konnten sich auch ausführlichere Formate wie Workshops oder Spurensuchen mit Schüler*innen vorstellen. Diese Einrichtungen haben gewachsene Partnerschaften zu Lehrkräften, Schulen und Ausbildungsstätten vor Ort und damit die Möglichkeit, diese in die Ausstellung zu holen. Hier fanden wir den Ansatzpunkt zur Entwicklung unseres Materials. Allerdings war wie bei der gesamten Konzeption der Ausstellung zu berücksichtigen: Aufgrund seiner anhaltenden Marginalisierung ist das Thema unabhängige Frauenbewegung in der DDR jenseits von spezialisierten wissenschaftlichen und aktivistischen Kreisen nur wenigen Menschen geläufig, und zwar umso mehr, wenn sie aus den westlichen Bundesländern stammen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist voraussichtlich wenig bis gar kein Hintergrundwissen vorhanden. Das machte es notwendig, dass die Teilnehmer*innen eines Workshops zunächst in das Thema hineinfinden, persönliche und aktuelle Bezüge herausarbeiten und sich mit der in der Ausstellung erzählten Geschichte vertraut machen. Eben diese Notwendigkeit war handlungsleitend bei der Erarbeitung des Workshops.
 

Das Material

Das Bildungsmaterial richtet sich an Lehrkräfte, die mit Schüler*innen der 9.–13. Klasse oder mit ihrer Berufsschulklasse in die Ausstellung gehen und dort vertiefend zum Thema der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR arbeiten wollen. Vorgesehen ist ein Workshop, der etwa zweieinhalb Stunden dauert. Dafür sollte die leihnehmende Institution einen Raum mit Zugang zur Ausstellung bereithalten.
 
Bildungsmaterial für Lehrkräfte © Agentur für Bildung, Geschichte und Politik e.V.
 
Das Material bietet Hinweise zu seiner Verwendung und zum Ablauf des Workshops. Der Hauptteil umfasst eine Einführung in die Dramaturgie der Ausstellung und einen historischen Abriss zum Thema Frauen in der DDR. Des Weiteren finden Lehrkräfte einen Ablaufplan mit Hinweisen zu Methoden und Materialien sowie Arbeitsblätter für die Schüler*innen zum Ausdrucken.
 
Zentrale Idee des Workshops ist es, dass die Schüler*innen die Geschichte der nichtstaatlichen Frauenbewegung in der DDR kennenlernen und die Inhalte der Ausstellungstafeln verstehend nachvollziehen. Hierfür erarbeiten sich Kleingruppen jeweils ein Ausstellungskapitel oder wichtige Aspekte eines Kapitels. Ziel des Workshops ist, dass die Schüler*innen sich am Ende selbst durch die Ausstellung führen. Einzelne Übungen sowie auch Fragen in den Arbeitsblättern zielen darauf ab, dass die Lernenden die Geschichte der nichtstaatlichen Frauenbewegung auf ihre eigene Lebenswelt beziehen oder familiäre Bezüge finden. Daneben sollen sie Verbindungen zu aktuellen Frauenrechtsbewegungen in globaler Perspektive herstellen. Sie erkennen, dass auch heute feministische Bewegungen in Diktaturen und autoritären Systemen für Frauen- und queere Rechte kämpfen, und vollziehen nach, unter welchen Bedingungen dies geschieht.
 
Der Workshop macht ein Angebot zur Vertiefung in die Geschichte der DDR aus geschlechtersensibler Perspektive. Er ist geeignet, um die Situation von Frauen und Lesben in der DDR kritisch und differenziert zu betrachten und Bezüge zu heutigen Lebenssituationen von Frauen und Mädchen zu finden.
 
Das Material kann kostenlos unter https://agentur-bildung.de/wanderausstellung-frauenbewegung-in-der-ddr/ heruntergeladen werden. Es kann eigenständig von Interessierten vor Ort genutzt werden. Bei Interesse an der gemeinsamen Planung eines Workshops oder an einem Erfahrungsaustausch bittet die Agentur für Bildung, Geschichte und Politik e.V. um Kontakt unter: rothe [at] agentur-bildung [dot] de.

 

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