Magazin vom 27. Januar 2016 (01/16)

Griechenland: Am Rande des deutschen Erinnerungshorizonts

Liebe Leserinnen und Leser, 

wir begrüßen Sie zur ersten Ausgabe des LaG-Magazins im neuen Jahr. Sie befasst sich mit Griechenland während des Zweiten Weltkrieges, der deutschen Besatzung und auch mit Fragen, die die verweigerten Entschädigungen von deutscher Seite für die begangenen Kriegsverbrechen und die Ausplünderung des Landes betreffen. Für das historische Lernen ist der letztgenannte Komplex relevant, da sich erinnerungskulturell das Bild etabliert hat, in Deutschland wäre die nationalsozialistische Vergangenheit mitsamt der Verbrechen besonders gut aufgearbeitet worden. Am griechischen Beispiel zeigt sich, dass dieses Bild brüchig ist und somit ein anhaltender Auseinandersetzungsbedarf zum Umgang mit der deutschen Vergangenheit besteht. Die Auseinandersetzung mit den Brüchen in der bundesdeutschen Erinnerung an den Nationalsozialismus kann nebenher dem Eindruck entgegenwirken, es seien Immigrant_innen und Geflüchtete aus Krisenländern, denen als Erstes historisch-politische Bildung über Nationalsozialismus und Holocaust nahegebracht werden sollte, da dies ein demokratischer und zivilisatorischer Standard hierzulande sei. Vielmehr besteht die anhaltende Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Beschäftigung  mit dem Nationalsozialismus und dessen Wiedergängern in Gestalt von Neonazis und rassistisch-völkischen Bewegungen wie Pegida.

Einen ereignisgeschichtlichen Überblick geben zwei Aufsätze von Heinz A. Richter. Er führt in einem ersten Text in die Struktur der griechischen Diktatur unter Metaxas ein und schlägt einen Bogen über den italienischen Überfall auf Griechenland hin zur deutschen Besatzung. Der zeitliche Horizont sind hier die Jahre 1936 – 1941. Der zweite Text des Historikers widmet sich den Jahren 1941 – 1944. Hier steht der griechische Widerstand gegen die Besatzung im Mittelpunkt sowie die britische Intervention.

Christoph U. Schminck-Gustavus befasst sich mit der Erinnerung an die deutsche Besatzung mit einem Schwerpunkt darauf, wie sie einen Niederschlag in den Geschichtswissenschaften in Griechenland und Deutschland fand, beziehungsweise lange Zeit dies gerade nicht geschah .

Mit den griechischen Entschädigungsansprüchen und Aspekten der deutschen Verhinderung des Einlösens dieser Ansprüche sowie der mangelhaften Täterverfolgung setzt sich Martin Schellenberg am Beispiel des Massakers in dem griechischen Dorf Distomo auseinander. In einem zweiten Beitrag hat uns der Autor Anregungen zur Verfügung gestellt, wie der „Fall Distomo“ im Unterricht behandelt werden kann.

Für die Rubrik „Neu eingetroffen“ hat schließlich unsere Kollegin Nadja Grintzewitsch eine Rezension des Buches „Leistet nichts. Zu schwach. Nicht einsatzfähig. Hintergründe zu den Gräbern ausländischer Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg“ von Carola S. Rudnick beigesteuert.

Wir bedanken uns bei den Autor_innen für die gute Zusammenarbeit.

Das nächste LaG-Magazin erscheint am 24. Februar mit dem Titel „Bevölkerungstransfers und Zwangsmigration im Rahmen des Zweiten Weltkrieges“.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre,

Ihre LaG-Redaktion

Beiträge

Zur Diskussion

Heinz A. Richter führt in einem ersten Text in die Struktur der griechischen Diktatur unter Metaxas ein und schlägt einen Bogen über den italienischen Überfall auf Griechenland hin zur deutschen Besatzung. Der zeitliche Horizont sind hier die Jahre 1936 – 1941.

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Zur Diskussion

Der zweite Text des Historikers Heinz A. Richter in der Januarausgabe 2016 des Magazins widmet sich den Jahren 1941 – 1944. Hier steht der griechische Widerstand gegen die Besatzung im Mittelpunkt sowie die britische Intervention.

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Christoph U. Schminck-Gustavus befasst sich mit der Erinnerung an die deutsche Besatzung mit einem Schwerpunkt darauf, wie sie einen Niederschlag in den Geschichtswissenschaften in Griechenland und Deutschland fand, beziehungsweise lange Zeit dies gerade nicht geschah.

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Martin Schellenberg befasst sich mit den griechischen Entschädigungsansprüchen und Aspekten der deutschen Verhinderung des Einlösens dieser Ansprüche sowie der mangelhaften Täterverfolgung am Beispiel des Massakers in dem griechischen Dorf Distomo.

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Empfehlung Unterrichtsmaterial

Anregungen von Martin Schellenberg, wie der „Fall Distomo“ im Unterricht behandelt werden kann.

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Empfehlung Fachbuch

In seinem Buch „Winter in Griechenland“ vereint Christoph U. Schminck-Gustavus die Erinnerungen zahlreicher Zeitzeug_innen, die dem Historiker aus einer griechischen Perspektive von den Vorgängen in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs berichtet haben. Es geht dabei um die Erfahrung des Krieges und des Besatzungsalltags, aber auch um die Verfolgung und Deportation der jüdischen Mitbürger_innen und der zahlreichen „Sühnemaßnahmen“, die die Nationalsozialisten zur vermeintlichen Partisanenbekämpfung und zur Abschreckung der Bevölkerung durchführten.

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Empfehlung Web

Das Dossier „Deutsch-griechische Beziehungen“ der Bundeszentrale für politische Bildung bietet ein komplexes Bild der geschichtlichen Hintergründe heutiger Beziehungen der EU-Staaten Griechenland und Deutschland.

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Empfehlung Web

Ein umfangreiches Webangebot zur Erinnerungspolitik rund um den Ort Distomo, dessen Name exemplarisch für den Rechtsstreit um die Entschädigungsforderungen an die Bundesrepublik steht.

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Empfehlung Unterrichtsmaterial

In einem von der Rechtsredaktion der ARD zur Verfügung gestellten Dossier geben die beiden Autoren Kolja Schwartz und Frank Bräutigam einen informativen und detaillierten Überblick über die griechischen Reparationsforderungen sowie über die damit in Verbindung stehenden deutschen Kriegsschulden und -verbrechen aus einer juristischen Perspektive.

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Empfehlung Film

Der Dokumentarfilm „Because of That War“ erzählt eindrücklich, wie Erfahrungen und Traumata von Auschwitz-Überlebenden das Leben ihrer Kinder durch und durch prägt – und wie beide Generationen es künstlerisch zu verarbeiten versuchen.

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Empfehlung Film

Ein von der International School for Holocaust Studies der Gedenkstätte Yad Vashem produzierter Film erzählt die Geschichte des jüdisch-griechischen Owadjah Baruch, der aus seiner Heimatstadt Thessaloniki nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort zur Arbeit in einer Munitionsfabrik gezwungen wurde. Baruch überlebte das Lager, die Zwangsarbeit und den Todesmarsch, nicht zuletzt aufgrund seiner Liebe zu Alisa Zarfati, einer Mitgefangenen aus seiner Heimatstadt, mit der er in Auschwitz eine heimliche Liebesbeziehung führte.

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Empfehlung Fachbuch

Von den Bürgerkriegen, die aus der deutschen Besatzung Griechenlands resultierten, ist in Deutschland nur wenig bekannt. Der Historiker Heinz A. Richter hat eine detailreiche und deutungsstarke Gesamtdarstellung dieser Ereignisse vorgelegt.

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Empfehlung Lebensbericht

In ihrem Buch schildert Erika Kounio-Amariglio auf bewegende Weise ihre Geschichte, die mit einer unbeschwerten Kindheit im Saloniki der 1920er Jahre begann. Zusammen mit fast 50.000 Jüdinnen und Juden ihrer Stadt wurde Kounio-Amariglio mit ihren Eltern und ihrem Bruder im März 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie als Schreiberin in der „Politischen Abteilung“ des Lagers eingesetzt wurde.

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Neu eingetroffen

Ein weitgehend unbekanntes Kapitel bilden die Schicksale ausländischer Patient_innen in nationalsozialistischen Heil- und Pflegeanstalten. Carola S. Rudnick hat dieses Thema anhand der Kriegsgräberstätte Lüneburg erforscht.

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