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Zusammenschau: Ausstellungen zur unabhängigen Frauenbewegung in der DDR

Stephanie Beetz ist studentisches Mitglied der LaG-Redaktion.

von Stephanie Beetz 

Eine Auseinandersetzung mit der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR erfolgte in den letzten Jahren immer wieder auch in Ausstellungen mit zum Teil unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Diese sollen hier überblicksartig vorgestellt werden.

Insbesondere in Berlin, das in der DDR neben Leipzig als Zentrum unabhängiger Bürger*innenbewegungen und Widerstandsgruppen galt, wurden solche Expositionen gezeigt.

Die Ausstellungen „lieben. kämpfen. tanzen. – 50 Jahre Sonntags-Club“ (2023/2024, Schwules Museum Berlin), „re.frau anders“ (2022, Flutgraben e.V.) oder „Rosarot in Ost-Berlin: Erkämpfte Räume im Umbruch“ (2020/2021, Schwules Museum Berlin) thematisierten beispielsweise das Leben queerer Personen in Ost-Berlin und deren aktivistische Bestrebungen im sozialistischen System. Sie beleuchteten unter anderem die Anfänge der queeren Bewegung sowie Herausforderungen und Repressionen vor und nach dem Systemwechsel von 1989/90. Zudem wurde in der Ausstellung „Rosarot in Ost-Berlin“ darauf aufmerksam gemacht, dass die LGBTQIA+-Community der DDR in der gegenwärtigen Erinnerungskultur oftmals vernachlässigt wird.

In den Jahren 2018 und 2020 widmeten sich auch in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg die Ausstellungen „Wir*hier! Lesbisch, schwul und trans* zwischen Hiddensee und Ludwigslust“ (2018, Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V.) und „Ohne Mut geht hier gar nichts! Lesbisch, schwul und trans* in Brandenburg – gestern und heute“ (Institut für Soziale Arbeit BTU Cottbus-Senftenberg, Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern und Amadeu Antonio Stiftung) mit regionalen Schwerpunkten jenseits der Hauptstadt dem queeren Leben in der DDR und darüber hinaus in der neueren deutschen Geschichte. 

Frauen in der Friedlichen Revolution

Auch anlässlich der Jubiläumsjahre des Mauerfalls und der Wiedervereinigung wurden in Deutschland Ausstellungen zur unabhängigen Frauenbewegung in der DDR kuratiert, insbesondere im Hinblick auf ihre Rolle bei der Friedlichen Revolution. Beispielsweise stellten die Ausstellungen „Revolution ist weiblich“ in Leipzig (2009, Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.) sowie „Wende weiblich“ in Rostock (2019/2020, Rostocker Fraueninitiativen e.V.) Aktivist*innen in verschiedenen Bewegungen vor. Zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls wurde zudem in Wismar und Lübeck die Ausstellung „25 Jahre Mauerfall – Was Frauen bewegt(e)“ (2014, Frauenbüros der Hansestädte Lübeck und Wismar) initiiert, bei der je sechs Frauen aus Ost- und Westdeutschland sowie deren Erfahrungen mit und seit der Friedlichen Revolution porträtiert wurden. Dies war das erste Mal, dass eine Auseinandersetzung zwischen Ost und West in Bezug auf die unabhängige Frauenbewegung in dieser Form geführt wurde.

Zudem wurden die prägenden Jahre der Wende- und Transformationszeit in den 1990er Jahren aus Sicht der unabhängigen Frauenbewegung der DDR in der Ausstellung „Wir dachten, wir können die Welt aus den Angeln heben“ in Potsdam (2022, Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße) veranschaulicht.

Geweiteter Fokus und die Rolle der Kirche

Es fällt auf, dass die genannten Ausstellungen in ihrer Behandlung der unabhängigen Frauenbewegung in der DDR oftmals thematische oder geografische Schwerpunkte gesetzt haben. Im Unterschied dazu haben die Wanderausstellung der Agentur für Bildung, Geschichte und Politik e.V. „Gemeinsam sind wir unerträglich“ und die von der Robert-Havemann-Gesellschaft entwickelte Ausstellung „Wir müssen schreien, sonst hört man uns nicht!“ eine umfassendere Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kämpfen und Anliegen der unabhängigen Frauenbewegung der gesamten DDR angestrebt. Beide stellten dabei auch Bezüge zu Umwelt-, Menschenrechts- und Friedensbewegungen dar, in der sich spezifische Gruppen engagierten, und beleuchteten deren Anfänge, Vernetzungen und Wirken unter staatlichen Repressionen. Besonders die Rolle der protestantischen Kirche, die die Frauengruppen in ihrem Engagement unterstützte und u.a. Räume zur Verfügung stellte, um Überwachung und Repressionen durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu minimieren, wurde in der Ausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“ deutlich und zog sich durch ihre verschiedenen Kapitel. Damit verbunden wurden auch Pfarrerinnen aus der DDR thematisiert, die sich mit Feminismus im kirchlichen Kontext auseinandersetzten und sich ebenfalls in Frauengruppen engagierten.

Obwohl einiges über die Rolle der Kirche bei der Friedlichen Revolution bekannt ist, ist doch deren Verbindung zu Frauengruppen für viele weitgehend fremd. Doch auch Gruppierungen, die sich mit universellen feministischen Anliegen beschäftigten, welche aus der Perspektive vieler Kirchen durchaus kontrovers gesehen wurden, wie etwa Abtreibung, patriarchale Geschlechterrollen, aber auch die Enttabuisierung queerer Menschen, konnten sich in Räumen, die ihnen die protestantische Kirche zur Verfügung stellte, organisieren. Insbesondere in Bezug auf Aspekte wie diese, die in der gängigen Erinnerungskultur häufig zu wenig thematisiert werden, vermittelt die Ausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“ den Besucher*innen viele lehrreiche Impulse.

Künstlerinnen

Durch den breiter angelegten thematischen Fokus ergeben sich einige Überschneidungen mit anderen Ausstellungsformaten, die einen engeren Themenschwerpunkt gesetzt haben. Ein Beispiel dafür ist eine unabhängige Künstlerinnengruppe aus Erfurt, die sich ab 1989 als „Exterra XX“ bezeichnete: Ihr Wirken sowie ihr Plädoyer für weibliche Selbstermächtigung und künstlerische Freiheit, verbunden mit der bewussten Entscheidung dafür, in der DDR zu bleiben, wurden sowohl in der 2022 in Berlin kuratierten Ausstellung Hosen haben Röcke an“ (2021/2022, neue Gesellschaft für bildende Kunst) als auch in der Wanderausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“ reflektiert.

Methoden

Alle Ausstellungen bedienten sich unterschiedlicher didaktischer Methoden und Medien: Plakate, biografische Texte, Interviews mit Zeitzeug*innen sowie (private) Fotos und Videos. Die so vermittelten Biografien trugen dazu bei, die Themen der Ausstellungen auf eine persönliche Art zu veranschaulichen. Auch Gegenstände wie etwa Kunstobjekte der Erfurter Künstlerinnengruppe wurden verwendet und die Ausstellungen damit um eine haptische Dimension erweitert. Veranstaltungen, zu denen Lesungen, Diskussionen, Workshops und Stadtführungen zählten, bereicherten als Rahmenprogramm viele der Ausstellungen zusätzlich.

Zudem wurden viele der genannten Formate als Wanderausstellungen implementiert, was es ermöglichte, Besucher*innen an verschiedenen Orten anzusprechen. Es fällt jedoch auf, dass sich die Ausstellungsorte fast ausschließlich auf die neuen Bundesländer beschränkten – möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass in der Erinnerungskultur in Bezug auf die unabhängige Frauenbewegung der DDR nach wie vor eine Leerstelle klafft.

 
 

 

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