Sabrina Pfefferle ist studentisches Redaktionsmitglied des LaG-Magazins.

von Sabrina Pfefferle

HISTORISCHE QUELLEN ALS AUSGANGSPUNKT: DIE UMWELTBEWEGUNG IN DER BRD UND DDR

Die Interdependenz sozialer Bewegungen ist am Beispiel der Umweltbewegungen der BRD und der DDR gut nachzu­vollziehen. Der Vergleich bietet zudem die Möglichkeit, Protestformen in unterschied­lichen politischen Systemen – Diktatur vs. Demokratie – zu analysieren. Mit diesem Potenzial arbeitet die von Franziska Conrad und Regina Göschl entwickelte Unterrichts­einheit „Für eine ökologische, soziale und demokratische Gesellschaft – Die Umwelt­bewegung in der BRD und DDR“, erschienen in Geschichte lernen (Nr. 201/2021). Das auf drei Stunden angelegte Modul richtet sich an Schüler*innen der Sekun­darstufe 1. Genutzt werden Methoden des Kooperativen Lernens – mit dem Ziel, die Wahrnehmungs-, Analyse-, Sach- und Werturteilskompetenz der Lernenden zu fördern.

Der Unterrichtsentwurf setzt sich aus didaktischen Hinwei­sen zu den Materialien sowie drei Arbeitsblättern zusam­men. Der didaktische Rahmen besteht aus (1) einer kurzen Analyse des historischen Kontextes, (2) didaktischen Über­legungen, in denen die Ziele und adressierten Kompeten­zen der Lerneinheit vorgestellt werden, (3) einer ausführ­lichen Beschreibung der Unterrichtsdramaturgie sowie (4) des Erwartungshorizontes – spezifiziert für jede einzelne Aufgabe.

Die Arbeitsblätter bauen aufeinander auf, und sollen die Lernenden dazu befähigen, einen quellenbasierten Ver­gleich der Umweltbewegungen in der BRD und DDR zu ziehen. Als Teil des ersten Arbeitsblattes werden zwei Bild­quellen (zum Protest im Wendland gegen das geplante Atomkraftwerk Gorleben 1979 sowie der Olof-Palme-Frie­densmarsch durch Ostberlin und die DDR 1986) und ein Link zu einem Interview mit dem DDR-Umweltaktivisten Christian Halbrock vorgelegt. Anhand dieser Materialien soll die Beziehung zwischen den Umweltbewegungen in Ost- und Westdeutschland sowie die Ziele der DDR-Um­weltbewegung herausgearbeitet werden

Im zweiten Arbeitsblatt werden zwei Textquellen vorgelegt (Auszug aus dem Grundsatzprogramm der GRÜNEN von 1980, sowie ein Dokument zur Gründung der Umweltbib­liothek in Ost-Berlin 1986). Daran anknüpfend werden drei Aufgaben gestellt, die auf den Vergleich der Ziele, Träger*in­nen und Arbeitsbedingungen beider Akteure abzielen.

Im dritten Arbeitsblatt wird eine weitere Textquelle (Aus­zug aus den „Politischen Grundsätzen“ der Vereinigung der Partei DIE GRÜNEN mit BÜNDNIS 90, 1993) gegeben. Hier fokussiert die Aufgabenstellung auf die Frage, wie sich die Bewegungen und Parteien im Laufe der Zeit verändert ha­ben – und wie diese Veränderungen mit Entwicklungen der weltpolitischen Lage seit 1990 zusammenhängen.

Als Erweiterung werden drei weitere Arbeitsvorschläge vorgestellt, die aktuelle Umweltbewegungen ins Zentrum stellen. So soll zur Bewegung „Fridays for Future“ recher­chiert und Interviews mit Akteur*innen durchgeführt wer­den – um der Frage nachzugehen, ob Parteien oder soziale Bewegungen mehr für Umwelt- und Klima­schutz erreichen.

Insgesamt wird in dem Unterrichtsmodul eine Verknüpfung verschiedener Themen – z.B. die Dynamik von Protestbewegun­gen in Abhängigkeit vom politischen Sys­tem – angestrebt. Diese auf übergeordne­ter Ebene angesiedelten Lernziele werden anhand zweier Quellenarten (Texte, Zeit­zeugeninterview) ausgestaltet. Der Einsatz vielfältiger Analysemethoden (Definition, Beschreibung, Beurteilung, Vergleich, Recherche) macht das Modul ab­wechslungsreich. Des Weiteren sind die Lernziele, geför­derten Kompetenzen sowie der Erwartungshorizont nach­vollziehbar beschrieben, sodass die Unterrichtenden gut unterstützt werden. Die Sitzungen sind klar strukturiert und können in Abhängigkeit von den zeitlichen Ressourcen flexibel erweitert werden. Abgerundet wird das Modul durch aktuelle Bezüge und die Förderung der Selbstwirk­samkeit der Schüler*innen durch die Entwicklung eigener Interviewkonzepte.

Das Modul stellt somit eine für die Sekundarstufe entwi­ckelte, quellenstarke Vertiefung zum Vergleich der Umwelt­bewegungen in der DDR und BRD dar!

UMWELTGESCHICHTE LEHREN UND LERNEN: LEGITI­MATION, EMPFEHLUNGEN UND GESTALTUNGSIDEEN

Umweltgeschichte wird im Unterricht eher selten und wenn dann im Zusammenspiel mit anderen historischen Entwicklungen aufgegriffen – auch wenn es viele Argu­mente dafür gibt, sie verstärkt ins schulische Curriculum zu integrieren. Das Buch „Umweltgeschichte lehren und ler­nen. Keine Katastrophe!“, herausgegeben von Dietmar von Reeken, Indre Döpcke und Britta Wehen-Behrens (Wochen­schau-Verlag 2023), liefert eine hervorragende Argumen­tationsgrundlage für eine stärkere Zuwendung zu diesem Thema.

Es bündelt grundlegende Entwicklungen und Befunde aus der didaktischen Vermittlung von Umweltgeschichte, bie­tet Gestaltungsideen für den Unterricht und kann so als konzeptioneller Rahmen für die Entwicklung von Unter­richtseinheiten zur Vermittlung von Umweltgeschichte (der DDR) fungieren.

Das Buch gliedert sich in vier Bereiche: Es beginnt mit einer Einführung „Über die Bedeutung der Natur für mensch­liche Gesellschaften“, die um Literaturhinweise zur Ver­tiefung des Themas ergänzt ist. Im zweiten Teil folgt eine Übersicht über didaktische Überlegungen zur Vermittlung von Umweltgeschichte seit den 1980er Jahren. Es werden sechs verschiedene Ebenen diskutiert, auf der Umwelt­geschichte stattfindet und vermittelt werden kann. Vor­gestellt werden zudem Argumente, warum Schüler*innen Umweltgeschichte lernen sollten sowie praktische Leitli­nien für den Unterricht.

Es schließt sich ein Teil mit aktuellen Befunden und Unter­richtserfahrungen an, in dem grundlegende Begriffe (z.B. Natur vs. Umwelt) definiert werden, Empfehlungen für den Umgang mit bestimmten Schüler*innenvorstellungen er­folgen und einzelne Unterrichtsprojekte (z.B. zur Ressour­ce Holz) vorgestellt werden. Letztere fallen vor allem durch klar definierte Angaben zur Zielgruppe, dem inhaltlichen Spektrum und der benötigten zeitlichen Ressourcen auf, sowie durch die reich be­bilderten und praxisnahen Beschreibungen konkreter Module.

Im letzten Teil werden „Didaktische Über­legungen und Materialien zur Umweltge­schichte“ diskutiert. Dies erfolgt anhand der Vorstellung von halbjahrübergreifen­den Unterrichtsplänen zu den Themen „Klimageschichte“, „Landwirtschaft und Er­nährung“ sowie „Holz und Wald als Ressourcen“. Aus die­sen Kapiteln lassen sich nicht nur wichtige strukturelle Aspekte zur Gestaltung eines langfristigen Konzeptes für die Vermittlung von Umweltgeschichte ableiten (z.B. Le­benswelt- und Gegenwartsbezug, Materialhinweise sowie fächerintegrierender Zugriff), sondern sie liefern auch eine inhaltliche Basis zur Erarbeitung der jeweiligen Themen.

Das Buch adressiert somit eher den didaktischen Rahmen der Integration von Umweltgeschichte in den Lehrplan und die Fragen: Was umfasst Umweltgeschichte? Wieso ist das Thema relevant? Wie sollte Umweltgeschichte unter­richtet werden? Welche Herausforderungen können auf­treten? Dieser weite Fokus – ohne konkreten Bezug auf die Umweltgeschichte in der DDR – macht eine entsprechende inhaltliche sowie quellenbasierte Anreicherung notwendig. Gleichzeitig sind die enthaltenen praktischen Handlungs­empfehlungen, Standards sowie Unterrichtsbeispiele hilf­reich für die Gestaltung eigener Unterrichtseinheiten zu verwandten Themen. Zudem unterstützen die vermittelten Informationen über die allgemeine Bedeutung von Um­welt in der Menschheitsgeschichte, ihre Verknüpfungen zu anderen Themen sowie die Ebenen, auf der sie analysiert werden sollte, bei der Vertiefung in den konkreten Kon­text – z.B. in einem spezifischen politischen System wie der DDR.

Als wissenschaftlicher Rahmen sowie als Ideenfundus für die Gestaltung eigener Unterrichtseinheiten ist das Buch somit eine Empfehlung für Lehrkräfte, politische Bild­ner*innen und Interessierte!

DER UMBRUCH UND DIE UMWELT: ZWEI KOMPAKTE MODULE ZUR UMWELTPOLITIK IN DER DDR

Die Website „Umwelt im Unterricht“ des Bundesministe­riums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) veröffentlicht monatlich eine Unterrichtseinheit „Thema des Monats“, die Fragen aus den Themenfeldern Umwelt- und Naturschutz adressiert. Im September 2019 wurde das Thema „Friedliche Revolu­tion in der DDR: Der Umbruch und die Umwelt“ mitsamt der Teilfragen „Wie sah die Umweltsituation in der DDR aus? Wie agierte der Staat und welche Auswirkungen hatte sein Agieren für Menschen, die sich für Umwelt einsetzen? Welche Veränderungen vollzogen sich seit der Wiederver­einigung und welche Möglichkeiten gibt es in einer Demo­kratie, Umweltprobleme anzugehen?“ behandelt.

Eine Einheit enthält jeweils einen didaktischen Kommen­tar sowie Links zu verwandten Themendossiers, einen Ar­tikel mit Hintergrundinformationen, zwei Unterrichtsvor­schläge – nach Schwierigkeitsgrad in ein Modul für die Sekundarstufe und eines für die Grundschule gegliedert – sowie dazuge­hörige Arbeitsmaterialen. Alle Bestandteile stehen frei zum Download zur Verfügung.

Dem Unterrichtsvorschlag für die Sekun­darstufe „Umweltprobleme und Umweltpo­litik in der DDR“ wird genaue Definition der geförderten Kompetenzen sowie Lernzie­le vorangestellt. Zudem werden konkrete Leitfragen vorgegeben, die auch den Schü­ler*innen als Orientierungspunkte dienen sollen. Das Modul ist in seiner Umsetzung in drei Bereiche gegliedert: (1) Ein Einstieg, der anhand einer Bilderserie zur Umwelt­situation in der DDR ggf. ergänzt um einen Filmausschnitt erfolgen soll, (2) die Arbeits­phase, bestehend aus einer Recherche- und einer Textquellenarbeit sowie der Bündelung der Er­gebnisse in Form einer Gruppenpräsentation und (3) dem Abschluss der Sitzung, in der ein „Museumsrundgang“ zur Vorstellung der Rechercheergebnisse simuliert wird und abschließend ein persönlicher Bezug durch eine Blitzlicht- Umfrage hergestellt werden soll.

Als Erweiterung wird die Methode „Spurensuche“ vor­gestellt, in der die Schüler*innen die Thematik durch Ge­spräche mit Zeitzeug*innen im eigenen Wohnort in ihr Lebensumfeld integrieren sollen. Insbesondere in der Arbeitsphase kann auf die besonderen Bedingungen der Lernenden eingegangen werden, da spezifische Eckpunkte je nach Vorkenntnissen, Lernniveau und Zeitbudget ange­passt werden können.

Der Unterrichtsvorschlag für die Grundschule „Umwelt­schutz in der DDR und im heutigen Deutschland“ ist ähn­lich aufgebaut, betont wird in diesem Modul die Einbet­tungsmöglichkeit in den größeren Kontext der deutschen Zweistaatlichkeit. Die einzelnen Elemente wurden – vor allem in der Arbeitsphase – deutlich an das niedrigere Leistungsniveau angepasst. Genutzt wird nun die Metho­dik des Bildvergleichs (in Partnerarbeit), sowie die Bear­beitung eines Arbeitsblattes, auf dem Aussagen zum Um­weltschutz der Situation in der DDR bzw. unserer heutigen Demokratie zugeordnet werden sollen. Für den Abschluss wurde ein Gesprächskreis konzipiert, in dem die Ergebnis­se zusammengetragen und heutige Umweltprobleme so­wie mögliche Handlungsmöglichkeiten diskutiert werden sollen. Zur Erweiterung des Moduls wird auf andere Web­sites mit Materialien sowie Videos verwiesen und die Me­thode „Spurensuche“ in angepasster Form vorgestellt.

Es handelt sich somit um vollständig ausgearbeitete, auf zwei Klassenstufen angepasste Unterrichtseinheiten, in­klusive Materialien. Die Qualität der Materialien ist gut, ein­zig das Design der Website wirkt etwas veraltet. Hervorzu­heben ist die Vielfältigkeit der adressierten Kompetenzen (Methoden-, Urteils- und Argumentationskompetenz) und verwendeten Methoden (Gruppen-, Quellen- und Recher­chearbeit, Präsentation sowie Diskussionsformate). Eben­falls zu betonen ist die Niedrigschwelligkeit des Angebots: Die Website sowie alle Materialien sind kostenlos nutz­bar, die Unterrichtsentwürfe sind ohne intensivere Vor­bereitung umsetzbar und gut strukturiert. So ist die Rah­mung und der Aufbau der Module verständlich erklärt, die Lernziele, Leitfragen und Umsetzungsphasen sind genau definiert. Mit den Erweiterungen und Anpassungs­möglichkeiten einzelner Aufgaben und den Verweisen auf ergänzenden Websites wird den Lehrer*innen die Mög­lichkeit gegeben, die Unterrichtseinheiten flexibel auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Lerngruppe anzupassen – und den Schüler*innen vielfältige Angebote für eine wei­terführende Beschäftigung mit dem Thema an die Hand gegeben.

Die Website empfiehlt sich als umfassendes, auf verschie­dene Klassenstufen und Gruppenstrukturen adaptierbares Angebot zur Vermittlung des Themas Umwelt in der DDR!

EIN FUNDUS AN INFORMATIONEN UND MATERIALIEN: DIE WEBSITE JUGENDOPPOSITION

Das multimediale Webangebot „Jugendopposition“ der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Ha­vemann-Gesellschaft e.V. beschäftigt sich mit Widerstand und Auflehnung junger Menschen in der DDR. Dazu stellt die Website eine Fülle an Informationen und Materialien auch zum Thema Umweltproteste und -bewegungen in der DDR bereit, die allerdings nicht in konkrete Lerneinheiten kondensiert sind.

Die Website sticht einerseits durch ihre vertiefenden Arti­kel zu spezifischen historischen Ereignissen und Institu­tionen im Kontext der Umweltbewegung in der DDR her­aus. Berichtet wird beispielsweise von konkreten Aktionen der DDR-Umwelt-Bewegung sowie von der Geschichte der Umweltbibliothek, die in einzelne Artikel zum Eingrei­fen des Ministeriums der Staatssicherheit in die Tätigkeit der Umweltbibliothek, aber auch zur Solidarisierung von Bürger*innen aufgefächert ist. So gelingt anhand eines konkreten Beispiels eine facettenreiche Darstellung der Entwicklung eines oppositionspolitischen Ortes in einem diktatorischen System. Andererseits arbeitet die Website mit ausführlichen Biografien von Akteur*innen der Um­weltbewegung. Die entsprechenden Texte sind mit Bildern von konkreten Aktionen, weiteren Quellendokumenten wie z.B. Flyern oder Überwachungsaufnahmen der Stasi sowie textinternen Verlinkungen angereichert. Vor allem letztere machen die enge Verknüpfung des Umweltprotestes mit anderen politischen Zielen sichtbar und niedrigschwellig zugänglich.

Darüber hinaus bietet die Website eine Vielzahl an weite­ren Materialien zum Thema: Videos (z.B. „Luftverschmut­zung durch ein Industriegebiet bei Leipzig“), weiterfüh­rende Quellenmaterialen (z.B. Fotografien, Flugblätter, Dokumente) sowie Interviews mit Beteiligten. Leider er­schwert die nach politischen Schlagwörtern wie „Die Mau­er muss weg!“ oder „Holt Biermann zurück!“ strukturierte Website eine systematische Übersicht über alle verfügba­ren Teilaspekte zum Thema. Doch die kleinteilige Recher­che lohnt, da die Website auch in der größeren Rahmung „Jugendopposition in der DDR“ ein reichhaltiges Angebot bereithält. Sie dient deshalb als hervorragender Ausgangs­punkt für vertiefende Recherchen und kann als Grundlage für die Entwicklung spezifischer Unterrichtseinheiten zum Thema Umweltprotest in der DDR genutzt werden.

 

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