LaG-Magazin vom 27. April 2022 (04/22)

Gedenkstättengeschichte(n)

Liebe Leser*innen,

wir begrüßen Sie zum LaG-Magazin im April. Der Titel verweist bereits darauf, dass Gedenkstätten an ehemaligen Orten nationalsozialistischen Terrors ihre eigene(n) Geschichte(n) haben. Diese sind mit vielen Ambivalenzen verbunden: mit den Kämpfen ehemals Verfolgter um Anerkennung und Gedenken – häufig gegen Mehrheiten in den postnationalsozialistischen Gesellschaften, die zu vergessen suchten – ebenso wie mit erinnerungs- bzw. geschichtspolitischen Engagements von Aktivist*innen. Und sie sind in der Bundesrepublik erst spät verknüpft mit staatlichem Engagement, das bis heute nicht frei von geschichtspolitischen Instrumentalisierungen ist, während die DDR als „per se antifaschistischer Staat“ jede Verantwortung für die NS-Verbrechen ablehnte – diese Politik war nicht zwangsläufig von ehemaligen Tätern getragen, sondern von Menschen, die selbst als Sozialist*innen, Kommunist*innen oder als Jüdinnen*Juden verfolgt wurden. In Österreich wiederum bildete die Erzählung vermeintlich „das erste Opfer Hitlers“ gewesen zu sein, die Grundlage für Erinnerungsverweigerung und Anerkennung von eigener Schuld. Die Auseinandersetzung mit Gedenkstättengeschichte(n) ist deshalb nicht selbstbezüglich. Sie kann vielmehr den komplexen Fortgang von Geschichte aufzeigen und so ein gesellschaftliches Reflexionsangebot machen.

Gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert die KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Tagung „Gedenkstättengeschichte(n). KZ-Gedenkstätten in postnationalsozialistischen Gesellschaften von 1945 bis heute – Bestandsaufnahmen und Perspektiven“, die vom 12. bis 14. Mai in Hamburg stattfindet. In diesem Zusammenhang erscheint auch dieses LaG-Magazin, das die Tagung vorbereiten und begleiten soll.

Frederik Schetter stellt den Zusammenhang von politischer Bildung und Gedenkstättengeschichte(n) her und diskutiert, wie Gedenkstättengeschichte zu einem Verständnis von Gewordensein von Geschichte in Bildungskontexten beitragen kann. 

Cornelia Siebeck und Oliver von Wrochem gehen der Frage nach, ob es sich bei der Geschichte von Gedenkstätten an historischen Orten ehemaliger Konzentrationslager um eine abgeschlossene Nachgeschichte handelt. Schlaglichtartig zeigen sie die Veränderungen der Gedenkstätten auf.

In einem über E-Mails organisierten Gespräch haben sich Andrea GenestElke GryglewskiJonas Kühne, Norbert Reichling und Heidemarie Uhl über ihre Erfahrungen in Gedenkstätten und zur Relevanz von Gedenkstättengeschichte(n) ausgetauscht.

Im Besprechungsteil stellt Thomas Hirschlein mit dem Sammelband von Detlef Garbe „Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik“ aus dem Jahr 1983 eine frühe Grundlagenarbeit zu Gedenkstätten vor.

Pascal Beck bespricht ebenfalls ein für die Auseinandersetzung mit Geschichts- und Erinnerungspolitik klassisches Buch. Er hat sich mit Bernd Eichmanns „Versteinert, Verharmlost, Vergessen. KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland“ aus dem Jahr 1985 auseinandergesetzt.

Thomas Hirschlein und Ingolf Seidel stellen eine Auswahl von Informationen und Bildungsangeboten verschiedener Gedenkstätten zur Auseinandersetzung mit deren Geschichte nach 1945 vor.

Eine von kommentierte Cornelia Siebeck kommentierte Literaturliste ergänzt die beiden Rezensionen und gibt Tipps zum Weiterlesen.

Ihre LaG-Redaktion

In eigener Sache

Mit diesem LaG-Magazin verabschiede ich mich aus der Redaktion und der Leitung des Projekts. In der Vergangenheit bedeutete ein LaG-Magazin herauszubringen nicht nur die redaktionelle Arbeit, sondern auch die Finanzierung jeder Ausgabe einzeln zu bewerkstelligen. Der bisherige Herausgaberhythmus war aufgrund einer fehlenden institutionellen Förderung nicht weiter zu gewährleisten. 

Bedanken möchte ich mich in erster Linie bei den vielen studentischen Kolleg*innen, die mit viel Engagement, oft über das zur Verfügung stehende Stundendeputat hinaus, und mit einem hohen Maß an Fachlichkeit zu jeder Ausgabe beigetragen und so manche Unzulänglichkeit des Redakteurs ausgebügelt haben.

Es wäre müßig an dieser Stelle allen fördernden Institutionen zu danken. Herausheben möchte ich doch die Unterstützung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die dortigen Kollegen Hans-Dieter Heine sowie Vasco Kretschmann. Sie haben viele Magazinausgaben kollegial begleitet und der Redaktion ein Maximum an inhaltlicher Freiheit gelassen. Dank gebührt auch der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ sowie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Ich werde mich künftig einem Dissertationsvorhaben widmen und kann darüber hinaus für berufliche Anfragen unter kontakt [at] ingolfseidel [dot] de angeschrieben werden.

Wie es mit „Lernen aus der Geschichte“ in Zukunft weitergeht, erfahren Sie auf dem Portal und über kontakt [at] agentur-bildung [dot] de

Ingolf Seidel

Beiträge

Zur Diskussion

Frederik Schetter schreibt über den Zusammenhang von politischer Bildung und Gedenkstättengeschichte(n). 

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Zur Diskussion

Cornelia Siebeck und Oliver von Wrochem befassen sich mit der Unabgeschlossenheit von Gedenkstättengeschichte(n)

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Im Gespräch

Andrea Genest, Elke Gryglewski, Jonas Kühne, Norbert Reichling und Heidemarie Uhl haben sich in einem moderierten E-Mail-Gespräch über Gedenkstättengeschichte(n) ausgetauscht.

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Empfehlung Fachbuch

Versteinert, Verharmlost, Vergessen von Bernd Eichmann wurde ursprünglich als Serie in der Wochenzeitschrift Das Parlament veröffentlicht und erschien 1985 als Buch. Seine Texte liefern eine „Chronologie des Vergessens und der Wiedererinnerung“ und setzen sich kritisch mit dem Nicht-Verhalten der deutschen Bevölkerung mit den Orten des Verbrechens auseinander.

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Empfehlung Fachbuch

Der im Jahr 1983 erschienene Sammelband Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik ist eine „Chronik des Schweigens“ über die Zeit nach 1945 und eine „Dokumentation über die vielerorts beginnende Aufklärung“.

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Empfehlung Fachbuch

Die Literaturauswahl von Cornelia Siebeck umfasst wissenschaftliche Monographien und Sammelbände zur Geschichte von Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen an historischen Orten der NS-Verbrechen.

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Bildungsträger

Thomas Hirschlein und Ingolf Seidel stellen verschiedene Angebote von Gedenkstätten vor, die sich mit deren Nachgeschichte ab 1945 befassen.

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