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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von Thomas Hirschlein und Ingolf Seidel

Die historischen Orte ehemaliger nationalsozialistischer Konzentrationslager haben seit 1945 ihre eigene Nachgeschichte, in vielen Fällen als arbeitende Gedenkstätten mit zahlreichen Informations- und Bildungsangeboten. Diese Gedenkstättengeschichte wird in unterschiedlicher Form auf Webseiten, in Workshops und Seminaren sowie nicht zuletzt in Ausstellungen und teilweise in eigenen Publikationen aufgegriffen. Auch NS-Dokumentationszentren und andere Orte, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Massenverbrechen auseinandersetzen, thematisieren inzwischen die je eigene Geschichte. Nachfolgend werden ausschnitthaft Angebote zur Auseinandersetzung mit der Gedenkstättengeschichte vorgestellt. Die Auswahl ist dabei auf Einrichtungen an historischen Tatorten beschränkt.

Bayern

Eine häufig genutzte Möglichkeit, die Geschichte einer Gedenkstätte zu thematisieren, ist die Internetseite der Einrichtung. Auf der Webseite der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ist die Gedenkstättengeschichte eingebettet in einen Zeitstrahl, auf dem die Geschichte des Konzentrationslagers seit seiner Gründung im Jahr 1938 mit kurzen Texten und Fotos vermittelt wird. Die Geschichte des Ortes nach der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg durch die Alliierten im Frühjahr 1945 ist Teil des durchgängigen Zeitstrahls. Durch die chronologische Einbettung in die Nachkriegsgeschichte, bei der auch das Verdrängen und Vergessen der NS-Vergangenheit angesprochen wird, steht die Einrichtung der heutigen Gedenkstätte mitsamt der Neugestaltung des Außengeländes im Jahr 2015 am Ende der Erzählung in einem knappen Absatz. Vor Ort bietet der „Erinnerungsrundgang Flossenbürg“ Besucher*innen die Möglichkeit zur Vertiefung. Für Jugendliche wird darüber hinaus ein Projekttag unter dem Titel „Verweigern, Erinnern, Sprechen, Schweigen – Nachwirkungen des Konzentrationslagers Flossenbürg“ angeboten, bei dem am Beispiel Flossenbürg der bundesrepublikanische Umgang mit der NS-Vergangenheit vermittelt wird. Aufgrund des als notwendig erachteten historischen Vorwissens richtet sich das Angebot an Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe.

Bereits am 22. März 1933 wurden die ersten Häftlinge im Konzentrationslager Dachau interniert. Das Lager diente in der Anfangszeit vor allem dem Terror gegen politisch Andersdenkende. Unter dem Kommandanten Theodor Eicke wurde es ab Juni 1933 zu einer Art Musterlager und Vorbild für andere Konzentrationslager ausgebaut. Auf der Webseite der KZ-Gedenkstätte Dachau gibt es für die Nachgeschichte ab 1945 eine eigene Unterseite mit dem Menupunkt „KZ-Gedenkstätte Dachau 1945 – heute“. Dahinter verbirgt sich ebenfalls eine Chronologie, die derzeit bis in das Jahr 2017 reicht. Kurze Informationstexte zu herausragenden Ereignissen, wie der Neugründung des Internationalen Lagerkomitees als Comité International de Dachau (CID) im Jahr 1955 oder der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem ehemaligen Häftlingslagergelände 1960, werden ergänzt durch Fotografien. Auch in Dachau gibt es ein Seminarangebot. Unter dem Titel „Was geht mich das an?“ wird als Tagesseminar exemplarisch ein Überblick über die Geschichte der Erinnerungskultur nach 1945 für Schüler*innen der Sekundarstufe II und Erwachsene geboten. In der aktuellen Hauptausstellung aus dem Jahr 2013 wird in Abteilung 13, dem letzten Ausstellungsbereich, die Nachkriegsgeschichte und die Geschichte der KZ-Gedenkstätte dokumentiert.

Hamburg

Auch seitens der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde der Weg gewählt, die Nachkriegsgeschichte auf der eigenen Internetpräsenz aufzuzeigen. Der Überblick unter dem Menupunkt „Geschichte“ fällt knapp aus. Erwähnt wird die Nachnutzung als britisches Internierungslager und ab 1948 als Gefängnis. Ebenfalls eingegangen wird auf die Entstehung des Internationalen Mahnmals 1965, die Ergänzung um ein Ausstellungsgebäude 1981 sowie die spätere Erweiterung zu einem Ausstellungs-, Begegnungs- und Studienzentrum. Einen vertiefenden Einblick in die Gedenkstättengeschichte bietet die online ansehbare Ausstellung in Kapitel 10 „Formen des Erinnerns“ (http://neuengamme-ausstellungen.info/media/ngmedia/browse/1/10). Ausführlich dargestellt wird die Erinnerung an die irrtümliche Bombardierung der Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ mit 7400 Häftlingen aus dem KZ Neuengamme durch die Royal Air Force. Wie auch auf den Webseiten der KZ-Gedenkstätten Flossenbürg und Dachau wird die Entwicklung des Gedenkens am historischen Tatort in die gesellschaftliche Umgebung mitsamt ihrer Erinnerungsverweigerung eingebettet.

Thüringen und Brandenburg

Gedenkstätten auf dem Gebiet der ehemaligen SBZ/DDR stehen vor der Aufgabe, die unterschiedlichen politischen Systeme bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu berücksichtigen. Dazu gehört, dass in Sachsenhausen und Buchenwald nach 1945 sowjetische Speziallager existierten, in denen lokale NS-Funktionäre, aber auch Jugendliche und Oppositionelle unter Bedingungen interniert waren, die eine hohe Sterberate zur Folge hatten. Auf der Webseite der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora finden Nutzer*innen unter dem Menupunkt zur Gedenkstätte Buchenwald eine Aufgliederung des historischen Überblicks in die Zeit des Konzentrationslagers 1937 bis 1945, das Sowjetische Speziallager Nr. 2 1945 bis 1950, zur Nationalen Mahn- und Gedenkstätte (NMG) bis 1989 und zur Neukonzeption der Gedenkstätte ab 1990. Die NMG Buchenwald war mit ihrem am Südhang des Ettersberges nahe bei den dort vorhandenen Massengräbern errichteten Mahnmal die größte deutsche KZ-Gedenkstätte. Das Gedenken hatte nicht nur in Buchenwald den Zweck, den zur Staatsideologie geronnenen Antifaschismus als Basis des SED-Staates zu fundieren. Dementsprechend fungierten die NMG als Nationaldenkmäler. Interessanterweise ist die Außenanlage in Buchenwald als prozessionsartiger Weg gestaltet. Er führt zunächst hinab zu den Massengräbern, von denen drei als Ringgräber gestaltet wurden, leitet die Besucher*innen dann über die mit 18 Pylonen gesäumte Straße der Nationen und steigt schließlich wieder hinauf zu der von Fritz Cremer geschaffenen Figurengruppe. Nahe der Mahnmalsanlage thematisiert eine Dauerausstellung in einem eigenen Gebäude die Geschichte der Gedenkstätte Buchenwald von 1945 bis zur Neukonzeption. Über die Pädagogische Abteilung der Gedenkstätte kann zudem ein Bildungsangebot zur Gestaltung der Gedenkstätte gebucht werden.

Zu den NMG in der DDR gehörten auch die heutige Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen und die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Beide sind nebst den Gedenkstätten Opfer der Euthanasie-Morde, Zuchthaus Brandenburg-Görden, Todesmarsch im Belower Wald sowie der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam institutionell vereint unten dem Dach der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Die Webseite bietet einen knappen Überblick über die Geschichte des Lagers und der Gedenkstätte (1961-1990 Nationale Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen, seit 1993 Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen). Die Ausstellung „Von der Erinnerung zum Monument. Die Geschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte 1950 – 1990“ wurde ursprünglich als „Museum des antifaschistischen Befreiungskampfes der europäischen Völker“ mit der Eröffnung der NMG 1961 im Neuen Museum eröffnet. Dieses befindet sich auf den Fundamenten der SS-Garagen im ehemaligen Kommandanturbereich. Die Ausstellung wurde im Zuge der Neukonzeption der Gedenkstätte 2002 überarbeitet. Der Museumsbau selbst stellt das Hauptexponat dar. Begleitend zur Ausstellung gibt es einen Katalog, den Günter Mosch 1996 in der Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten herausgegeben hat. Der Band ist allerdings vergriffen und kann nur noch in Bibliotheken gelesen werden. In Sachsenhausen bestand in den Jahren 1945 bis 1950 ein sowjetisches Speziallager. Auch dessen Geschichte findet in einer eigenen Ausstellung Platz. 

Auch in Gedenkstätten, die, anders als die bisher angesprochenen, keine institutionelle Förderung im Rahmen der Gedenkstättenkonzeption des Bundes erhalten, findet eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nach 1945 statt.

Niedersachsen

Auf der Webseite der Gedenkstätte Esterwegen / Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager finden Interessierte unter dem Menupunkt „Das DIZ Emslandlager“ einen Überblick über die durch den Verein „Aktionskomittee Emslandlager“ ab 1981 angestrengten Bemühungen, eine Gedenkstätte für die über 20 000 Toten der Emslandlager einzurichten. Seit 1984 besteht in Papenburg das DIZ, nachdem ein Versuch, am historischen Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Esterwegen eine Gedenkstätte einzurichten, an Widerständen vor Ort gescheitert war. Dabei gehörte Esterwegen zu den frühen, bereits 1933 eingerichteten Konzentrationslagern, in denen vor allem politische Gegner*innen des NS-Staates interniert waren. Dazu gehörte in Esterwegen auch Carl von Ossietzky. Erst nachdem die Bundeswehr aus Esterwegen abgezogen war, konnte 2011 dort eine zentrale Gedenkstätte für die Häftlinge der 15 Konzentrationslager im Emsland und der Grafschaft Bentheim eröffnet werden. Unter den Bildungsangeboten der Gedenkstätte Esterwegen greift eines die „Geschichte und Erinnerung“ am historischen Ort auf. Zielgruppe sind Schüler*innen ab der Klassenstufe 10 und der gymnasialen Oberstufe. Thematisiert werden die Entstehung der Gedenkstätte und der gesellschaftliche Umgang mit der Erinnerung nach 1945.

Das Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager (Stalag) X B im niedersächsischen Sandbostel bestand seit 1939. Es war eine Durchgangsstation für hunderttausende Kriegsgefangene, von denen insbesondere jenen aus der Sowjetunion der völkerrechtlich garantierte Schutz vorenthalten wurde. Nachdem seit 2007 ein Provisorium auf dem ehemaligen Lagergelände bestand, wurde am 29. April 2013, dem 68. Jahrestag der Befreiung, eine Gedenkstätte eingerichtet, deren Dauerausstellung auch die Nachgeschichte dokumentiert. Kapitel 7 der Ausstellung ist der Entstehung der Gedenkstätte gewidmet, während in Kapitel 8 das Sandbostel-Gedächtnis angesprochen wird. Darüber hinaus besteht ein Bildungsangebot „Studientage Sekundarstufe II“ für Schulklassen, dass sich mit Geschichts- und Erinnerungskultur und der Entwicklung der Gedenkstätte befasst.

Sachsen-Anhalt

Am 13. April 1945 wurde die Feldscheune des Gutes Isenschnibbe am Rand von Gardelegen Schauplatz und Tatort der Ermordung von über 1 000 KZ-Häftlingen, die von der SS auf einen Todesmarsch getrieben wurden. Dieses sogenannte Endphaseverbrechen wurde begangen von der SS, von Wehrmachtssoldaten, aber auch von Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes. Die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen wurde ab Herbst 1949 durch dieSozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) als städtische Mahn- und Gedenkstätte eingerichtet. Im Zuge einer Neukonzeption und -gestaltung wurde 2020 ein Dokumentationszentrum mit einer Dauerausstellung eröffnet. Auf der Webseite der Gedenkstätte findet sich eine kurze Dokumentation der Geschichte nach 1945. Kapitel 4 der Dauerausstellung und ein öffentlicher Themenrundgang greifen die Gedenkstättengeschichte ebenfalls auf.

Der kurze lückenhafte Überblick zeigt, dass die Gedenkstätten an ehemaligen Orten nationalsozialistischen Terrors ihre eigene Geschichte haben, die auch als solche auf vielfältige Weise aufgegriffen wird. Vielfach bestehen zudem Vermittlungsangebote, die wegen des notwendigen Vorwissens in erster Linie ältere Schüler*innen adressieren.

 

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