Tomke Blotevogel war von 2020 bis 2022 wissenschaftliche Volontärin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Janna Lölke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende wissenschaftliche Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel. Martina Staats leitet die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

von Tomke Blotevogel, Janna Lölke und Martina Staats

Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel thematisiert seit 1990 die Rolle der Justiz und des Strafvollzugs bei der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Mordpolitik am Beispiel des Strafgefängnisses Wolfenbüttel mit seiner 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte.

Die Gedenkstätte besteht aus unterschiedlichen Gebäudekomplexen, die sich alle auf dem Gelände der heutigen JVA befinden. Die historischen Orte – ehemalige Haftzellen und die Hinrichtungsstätte – mit Lernumgebung liegen im Sicherheitsbereich. Von außerhalb der JVA frei zugänglich ist das Dokumentationszentrum. Letzteres wurde 2019 eröffnet und erfüllt mit Dauerausstellung, Veranstaltungsräumlichkeiten und Bibliothek die Funktion eines modernen Museums. Über die Aufgaben eines Museums hinaus hat die Gedenkstätte den Auftrag, die Geschichte von Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus und deren Folgen weiter zu erforschen, im Bewusstsein der Menschen wachzuhalten und weiterzutragen.

Geschichte des historischen Ortes

Das seit 1790 als solches genutzte Strafgefängnis Wolfenbüttel war eine der wichtigsten Haftstätten für Männer in Norddeutschland. Justiz und Strafvollzug veränderten sich im Laufe der Zeit: vom Reformstrafvollzug der Weimarer Republik hin zur „Strafe als Abschreckung" im Nationalsozialismus sowie einer justiziellen Verfolgung aus rassistischen und politischen Gründen. Dabei wurden zunehmend Urteile auf Grundlage nationalsozialistischer Sondergesetzgebung vollstreckt.

Mit Kriegsbeginn stieg die Zahl ausländischer Inhaftierter stark an. Unter ihnen waren auch etwa 700 sogenannte „Nacht und Nebel“-Gefangene aus verschiedenen Ländern Westeuropas, die 1941 auf Grundlage eines Erlasses von Adolf Hitler als des Widerstands verdächtig heimlich nach Deutschland verschleppt wurden. Die Ausweitung des Arbeitszwangs mit teilweise katastrophalen Arbeitsbedingungen in Außenarbeitsorten, unzureichende medizinische Versorgung und starke Überbelegung verschlechterten die Haftbedingungen dramatisch. Dies führte zu hohen Krankheitszahlen und zu mehr als 500 Todesfällen unter den Gefangenen bis zur Befreiung am 11. April 1945.

Außerdem war das Strafgefängnis Wolfenbüttel eine der zentralen Hinrichtungsstätten im Deutschen Reich. Von 1937 bis 1945 wurden hier 526 Todesurteile an Frauen und Männern vollstreckt. Soldaten der Wehrmacht erschossen weitere fünf Verurteilte aus dem Gefängnis auf dem Schießstand Braunschweig-Buchhorst. Fast die Hälfte der zum Tode Verurteilten kam aus dem besetzten europäischen Ausland.

Konzeption der Gedenkstätte

Die 2019 eröffnete Dauerausstellung ist den übergeordneten Themen Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus und deren Folgen gewidmet. Eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Darstellung werden das Verfolgungssystem, das verbrecherische Wirken der Justiz, die Inhaftierung von in- und ausländischen Gefangenengruppen und die Funktion als eine der zentralen Hinrichtungsstätten in Norddeutschland thematisiert. Raum finden ebenfalls die Handlungsspielräume von Verantwortlichen im Justiz- und Strafvollzugswesen, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der frühen Bundesrepublik, die Geschichte der Gedenkstätte sowie die Erinnerungskultur von Überlebenden und Angehörigen; nachvollziehbar werden diese bedeutsamen Aspekte anhand von Beispielen und Objekten.

Am historischen Ort des Strafgefängnisses und der Hinrichtungsstätte hat sich die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel zu einem zentralen außerschulischen Lernort mit spezifischen Bildungsangeboten zur Auseinandersetzung mit den Themen Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus entwickelt. Eine Besonderheit ist ihre Lage auf dem Gelände einer im Betrieb befindlichen JVA mit höchsten Sicherheitsstandards.

Die Bildungsarbeit soll dazu anregen, sich über die nationalsozialistische Vergangenheit zu informieren, Geschichtsbilder zu hinterfragen und eigene Positionen zu entwickeln. Grundlage des Bildungskonzeptes ist das forschend-entdeckende Lernen mit ausgewählten Biografien und historischen Dokumenten an den Multi-Touch-Tischen und in der Dauerausstellung. Unsere Angebote richten sich an verschiedene Adressatenkreise wie Schulen, Bildungsträger und ein breites Spektrum an Berufsgruppen. Die Angebote für Schüler_innen sind für unterschiedliche Schulformen und Altersstufen konzipiert. Alle Bildungsangebote werden handlungsorientiert, multiperspektivisch und mit größtmöglicher Methodenvielfalt vermittelt. Die Programme umfassen Halb- und Ganztagesangebote, Führungen sowie mehrtägige Workshops. Je nach zeitlichem Rahmen sowie Interessen, Wünschen und Vorkenntnissen der Teilnehmenden wird ein auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmtes Angebot entwickelt.

 

Literatur

Blotevogel, Tomke/Lölke, Janna/Partington, Gustav/Staats, Martina: outSITE Wolfenbüttel. Das Strafgefängnis Wolfenbüttel und sein Netzwerk im Land Braunschweig, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten 2022.

Staats, Martina/Wagner, Jens-Christian (Hrsg.): Recht – Verbrechen – Folgen. Das Strafgefängnis Wolfenbüttel im Nationalsozialismus, Göttingen 2019.

 

Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel

Am Herzogtore 13

38300 Wolfenbüttel

Tel.: 05331 9355010

E-Mail: wolfenbuettel [at] stiftung-ng [dot] de

Homepage: wolfenbuettel.stiftung-ng.de

 

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