Markus Günnewig ist seit 2020 Leiter der Gedenkstätte Steinwache. Seine Doktorarbeit über die Kriegsendphaseverbrechen der Gestapo muss noch publiziert werden.

von Markus Günnewig

 

Geschichte des historischen Ortes

Als „Steinwache“ war ursprünglich die Polizeiwache an der Dortmunder Steinstraße bekannt. Das in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof gelegene, 1906 erbaute Dienstgebäude wurde 1928 massiv erweitert und um ein großes, modernes Polizeigefängnis ergänzt, das fortan auch unter der Bezeichnung „Steinwache“ firmierte.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde insbesondere das Gefängnis zum zentralen Verfolgungsort in Stadt und Region. Tat sich in den ersten Wochen und Monaten vor allem die Sturmabteilung (SA) durch brutale Gewalt im Haus hervor, nutzte bald auch die neu gegründete Geheime Staatspolizei (Gestapo) das Gefängnis mit und folterte hier bei Vernehmungen vor allem Kommunist*innen. Für viele wurde die Steinwache zur Durchgangsstation in die Konzentrationslager. Betroffen waren neben Oppositionellen und jüdischen Dortmunder*innen ab 1934 auch Menschen, die von Beamten der Kriminalpolizei als sogenannte Berufsverbrecher eingestuft wurden, oder ab 1938 als „Asoziale“ Diffamierte, Homosexuelle, sowie Sinti*zze und Rom*nja, für deren Verfolgung ebenfalls die Kriminalpolizei verantwortlich war. Während des Zweiten Weltkriegs durchliefen tausende ausländische, insbesondere osteuropäische, Zwangsarbeiter*innen die Steinwache und waren hier ebenfalls der rassistisch motivierten Gewalt von Gestapo-Angehörigen ausgesetzt.

Das Gefängnis blieb von Kriegszerstörungen weitgehend verschont und wurde noch bis 1958 durch die Dortmunder Polizei genutzt. Später diente es als Unterkunft für Obdachlose. Eine Polizeidienststelle an der Steinstraße existierte noch bis 1976.

Einrichtung der Gedenkstätte

In den 1980er Jahren wurden erstmals zivilgesellschaftliche Forderungen nach einer musealen Nutzung der Steinwache laut. Diese führten schließlich dazu, dass der Rat der Stadt die Einrichtung einer Gedenkstätte im ehemaligen Polizeigefängnis beschloss. Im früheren Reviergebäude zog die Dortmunder Auslandsgesellschaft ein. Als Dauerausstellung der Gedenkstätte sollte die 1981 erstmals im Dortmunder Rathausfoyer eröffnete und zuletzt im Museum am Westpark gezeigte Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“, die den Dortmunder Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Mittelpunkt stellte, dienen. Sie wurde überarbeitet sowie erweitert und im mittlerweile sanierten ehemaligen Gefängnisgebäude untergebracht. Dieses eröffnete schließlich 1992 als Mahn- und Gedenkstätte Steinwache und ist organisatorisch Teil des Dortmunder Stadtarchivs. Heute besuchen etwa 21.000 Menschen jährlich die Steinwache – ein großer Teil davon sind Schüler*innen.

Konzeption der Gedenkstätte

Momentan entsteht eine neue Dauerausstellung, die das Haus und seine Insass*innen in den Mittelpunkt stellen wird. In ihr spielt der Charakter des Hauses als Drehscheibe oder Durchgangsstation zwischen Stadt und Region einerseits und entfernten Verfolgungsorten wie den Konzentrationslagern andererseits eine große Rolle. Vor allem aber lassen sich anhand der Einlieferungsgründe und des weiteren Schicksals der jeweiligen Inhaftierten Erkenntnisse darüber gewinnen, welches Verhalten bzw. welche gesellschaftlichen Gruppen wann, wie und aus welchen Gründen staatlich sanktioniert wurde(n) und wie die deutsche Gesellschaft insgesamt damit umging. Gleichzeitig werden über die Zusammensetzung der Insass*innenschaft Fragen nach Brüchen und Kontinuitäten sowie nach zeittypischen Spezifika im Zusammenhang mit den Systemwechseln 1933 und 1945 gestellt. Zusätzlich zur neuen Dauerausstellung wird der historische Gefängnisbau um ein neues Funktionsgebäude mit weiteren Seminar-, Veranstaltungs- und Wechselausstellungsräumen ergänzt.

Ausgangspunkt der Bildungsarbeit ist auch heute schon der historische Ort des ehemaligen Polizeigefängnisses als lokal und regional bedeutsamer Verfolgungsort und als Schnittstelle zwischen Mikro- und Makrogeschichte. Und ebenfalls schon jetzt lassen sich über die Geschichten der Menschen, die hier hergebracht wurden oder hier tätig waren, weite Teile einer Gesellschaftsgeschichte nationalsozialistischer Verfolgung insgesamt erarbeiten. Dabei bieten insbesondere die erwähnten Systembrüche und die Fragen nach Wandel vs. Kontinuitäten gute Anknüpfungspunkte für Reflexionen über Aktualitätsbezüge. Diese ergeben sich aber auch durch den Einbezug weiterer Orte im Stadtraum, die oft zum Lebensumfeld unserer Besucher*innen gehören und im Rahmen von Rundgängen und Seminaren zudem mit dem Ort des Polizeigefängnisses verknüpft werden. Darüber hinaus ist die Gedenkstätte auch ganz grundsätzlich ein Raum für und Anregung zu Reflexion und kritische(r) Diskussion und bringt sich aktiv in die städtische Erinnerungspolitik ein.

 

Gedenkstätte Steinwache

Steinstraße 50

44147 Dortmund

Tel.: 0231 5025002

E-Mail: stadtarchiv-dortmund [at] stadtdo [dot] de

Homepage: www.dortmund.de/steinwache

 

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