Empfehlung Unterrichtsmaterial

„Nathan und seine Kinder“. Impulse für den Unterricht

Von Tanja Kleeh

Das Jüdische Museum Berlin hat für den Roman „Nathan und seine Kinder“ von Mirjam Pressler umfangreiche Lehrmaterialien erarbeitet. Erschienen im Jahr 2009, spielt der Roman in Jerusalem Ende des 12. Jahrhunderts und behandelt das friedliche Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen. „Nathan und seine Kinder“ wird von Kultusministerien mehrerer Bundesländer als Leselektüre ab der Klassenstufe 8 empfohlen.

Die Unterrichtsmaterialien des Jüdischen Museum Berlin geben Anregungen für Unterrichtseinheiten und Projekttage zum Thema Zusammenleben der Kulturen und Religionen. Verteilt auf drei Module werden Übungen aus der Theaterpädagogik, zur Textarbeit und der Museumspädagogik vorgestellt. Den Modulen vorangestellt sind eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Romans und didaktisch-methodische Überlegungen – Letzteres erfolgt bei jedem Modul im Einzelnen erneut. Als Lernziele werden hier beispielsweise der Wissenserwerb „über deutsch-jüdische Geschichte in der Zeit der Aufklärung, über Moses Mendelssohn und seine literarische Darstellung in Lessings ,Nathan der Weise‘“ (S.3) angegeben, aber auch die Bildung einer eigenen Meinung, die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven nachvollziehen zu können, sowie „Chancen und Herausforderungen einer pluralistischen Gesellschaft [zu] erkennen, um Prinzipien des demokratischen Zusammenlebens zu festigen“ (S.3). Alle Module funktionieren auch einzeln. Da vielfältige Möglichkeiten für fächerübergreifendes Arbeiten geboten werden, sind die Module gut im Rahmen einer Projektwoche einsetzbar, so die Autor*innen.

Modul 1: Theaterpädagogische Methoden

Empfohlen für das Fach Deutsch ab der 9. Klasse, wird in diesem Modul ein spielerischer Einstieg angeboten, der „Spaß machen, Neugierde auf die kreative Auseinandersetzung wecken und die Beiträge der einzelnen Teilnehmenden in der Gruppe wertschätzen“ (S.6) soll. Das Modul ist in drei Blöcke mit jeweils zwei oder drei Unterrichtseinheiten aufgeteilt, wobei laut den Autor*innen die Einheiten sowohl zusammen als auch einzeln funktionieren. Wichtig sind für die Lehrkräfte auch die angegebenen Lernziele, anhand deren die Eignung des Moduls für den Einsatz im eigenen Unterricht überprüft werden kann. Dazu zählen in diesem Modul etwa „Spaß haben und Kreativität fördern“, aber auch die sensitive Annäherung an den Roman sowie die Lebenswelten der Schüler*innen mit Themen des Romans zu verknüpfen und die Teambildung zu unterstützen (vgl. S.6). In Teilen sind die Übungen der Einheiten bebildert, sodass sich eine genauere Vorstellung gemacht werden kann, welche Idee hinter der Anleitung steht. Ergänzt werden die Übungen durch Aufgabenblätter, die den Schüler*innen ausgegeben werden können. Eine der Übungen setzt sich mit dem Thema Identität auseinander. Schreibübungen und szenische Spiele führen zu der Frage, „was Identität für Schüler*innen bedeutet und wie Identitätszuschreibungen das soziale Miteinander beeinflussen“ (S.19).

Da es sich um theaterpädagogische Methoden handelt, gibt es viele szenische Arbeitsanweisungen. Hierfür werden einzelne oder mehrere Textstellen zur Verfügung gestellt. Beim Thema Identität folgt die Anweisung, davon ausgehend eine kurze Szene zu entwickeln. Leitfragen geben Anregungen, wie die Ausgestaltung der Szene aussehen könnte.

Das Modul „Theaterpädagogische Methoden“ kann auch als Workshop im Jüdischen Museum Berlin gebucht werden.

Modul 2: Moses Mendelssohn – Ein Vorbild für Lessings Nathan

Das zweite Modul setzt sich mit Moses Mendelssohn auseinander, der als Vorbild für Lessings Nathan den Weisen gilt. Diese Einheit ist ab der 9.Klasse und für die Fächer Deutsch, Ethik und Politik geeignet. Die Aufgaben in diesem Modul bauen aufeinander auf und sind nach Schwierigkeitsgraden gekennzeichnet. Es wird mit zwei historischen Quellen gearbeitet. Zum einen ist dies die Übersetzung und Entschlüsselung des Gebotes „Du sollst nicht morden“ in Mendelssohns Übersetzung der Tora „Sefer netiwot ha-schalom“. Zum anderen wird eine Lithografie nach Moritz Daniel Oppenheim »Lavater und Lessing bei Moses Mendelssohn« betrachtet. Die Auseinandersetzung mit diesen Quellen soll dazu führen, dass die gesellschaftliche Situation der jüdischen Minderheit im 18. Jahrhundert verstanden wird, die Umwälzungen in der Zeit der Aufklärung begriffen werden und Moses Mendelssohns Idee nachvollzogen werden kann.

Beide Quellen sind im Jüdischen Museum zu finden und somit kann das Modul, wie die Autor*innen schreiben, als Vor- oder Nachbereitung für einen Besuch genutzt werden.

Auch in diesem Modul werden neben den Materialien Aufgabenblätter bereitgestellt. Hinzu kommen außerdem Zusatzinformationen, in denen etwa der Ursprung von Hebräisch und Jiddisch sowie die Besonderheiten und Unterschied der beiden Sprachen erläutert werden. Die Aufgaben schlagen einen Bogen von der Aufklärung in das Heute, wenn über die Rechtsprechung zu Mord und Totschlag in den unterschiedlichen Epochen anhand der Gesetzestexte reflektiert wird. Auch hier gibt es ergänzende Materialien, wie etwa eine Rede von Heiko Maas zur geplanten Reform des aktuellen Paragrafen zu Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch.

Modul 3: Religiöse Zitate in „Nathan und seine Kinder“

Das letzte Modul schließlich, ebenfalls empfohlen ab der 9. Klasse, beschäftigt sich mit religiösen Zitaten in „Nathan und seine Kinder“. Autorin Mirjam Pressler lässt ihre Protagonist*innen aus verschiedenen Heiligen Schriften zitieren: „Suren aus dem Koran, Psalmen und Prophetenzitate aus der Bibel und Textpassagen aus den Evangelien des Neuen Testaments“ (S.66). Durch Kursivsetzung im Text werden sie vom restlichen Text abgegrenzt.

Die Autor*innen der Unterrichtsmaterialien haben Angehörige unterschiedlicher Religionen nach der Bedeutung der Zitate gefragt. Die Interviews sind als Audiodateien und als Text abrufbar. Idealerweise arbeiten die Schüler*innen in Kleingruppen mit einem Interview und vertreten anschließend im Plenum die Ansichten dieser Person. Auf diesem Weg lernen sie, Argumente zu reflektieren und die Meinungsbildung wird gefördert. Der nächste Schritt, wie ihn die Autor*innen vorschlagen, sind Interviews, die die Schüler*innen selbst durchführen und anschließend beispielsweise dem Jüdischen Museum Berlin zur Verfügung stellen.

Ein Spektrum an (möglichen) Interviewfragen wird zur Verfügung gestellt, beispielsweise „Was können, was sollen Religionen für das Zusammenleben der Menschen leisten?“ oder „Ist Nathans Toleranzedikt ein fernes, unerreichbares Ideal? Wo sehen Sie so etwas verwirklicht?“ (S. 69).

Fazit

Die Impulse für den Unterricht zu Mirjam Presslers Roman „Nathan und seine Kinder“ bieten eine große thematische und methodische Vielfalt. Die Lektüre des Buches ist zwingende Voraussetzung für den gewinnbringenden Einsatz im Unterricht, auch wenn immer wieder Passagen zitiert werden. Durch die Unterteilung in Module mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zugängen können die Lehrer*innen entscheiden, was für ihre Schüler*innen am besten geeignet ist. Es ist nicht unbedingt notwendig, alle Einheiten komplett durchzuarbeiten, es können auch einzelne Aufgaben herausgegriffen werden. Auch kann ein Teil der Aufgaben als Anregung verstanden werden, eigene Zugänge zu finden – sowohl für Lehrer*innen als auch für Schüler*innen. Die Empfehlung ab der 9.Klasse ist, insbesondere was das nötige Hintergrundwissen angeht, angemessen.

Die Lehrmaterialien sind auf der Homepage des Jüdischen Museum Berlin als PDF kostenfrei verfügbar. 

 

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