Liebe Leserinnen und Leser,
in der aktuellen Ausgabe unseres LaG-Magazins haben wir uns dem internationalen Lernen über den Holocaust und die nationalsozialistischen Massenverbrechen gewidmet. Daher finden Sie verschiedene Beiträge in englischer Sprache vor, die auch eine mehrsprachige Leserschaft ansprechen sollen. Ein wesentlich einigendes Moment der Beiträge in dieser Ausgabe ist, dass sie alle aus Ländern stammen, die sich länger als Deutschland selbst als Einwanderungsgesellschaften definieren. Wir hoffen daher, Ihnen die eine oder andere Anregung zu geben, wie die Geschichte des Nationalsozialismus in einem interkulturellen Bezugsrahmen thematisiert werden kann.
International werden der Unterricht und das außerschulische Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust meistens unter den Begriffen „Holocaust Education“ oder vermehrt auch unter „Teaching about the Holocaust“ gefasst. Auch wenn der Begriff „Holocaust“ eigentlich in erster Linie die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten gegenüber den Jüdinnen und Juden bezeichnet, ist nicht beabsichtigt, andere Opfer- und Verfolgtengruppen zurückzusetzen. Vielmehr ist die Bezeichnung auch ein Ausdruck geschichtspolitischer Kämpfe und Diskurse im internationalen Raum zu einer gegebenen Zeit. Es liegt auch im monströsen Charakter der Verbrechen begründet, dass beinahe alle sprachlichen Regelungen unbefriedigend bleiben müssen.
Selbstverständlich erscheint der Gebrauch des Wortes „Holocaust Education“ im Zusammenhang mit Gedenkstätten wie Yad Vashem oder Lohamei Hagetaot, dem Ghettokämpfermuseum, in Israel. Beide Einrichtungen widmen sich zentral und exklusiv der Auseinandersetzung, Dokumentation und dem Gedenken an die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Europa.
Die Recherchen zu dieser Ausgabe haben uns noch einmal vor Augen geführt, wie begrenzt der Fundus an didaktischen Materialien für ein historisches Lernen zum Nationalsozialismus ist, nimmt man als Ausgangspunkt ein Lernumfeld, das sich aus Schülerinnen und Schülern mit vielfältigen ethnischen, religiösen und kulturellen Bezügen zusammensetzt. Anders ausgedrückt: Ein interkulturelles Geschichtslernen steht auch im internationalen Rahmen noch an einem Anfang. Unsere Diskussionsbeiträge sind daher durch interkulturelle und diversity-orientierte Materialien und didaktische Hinweise flankiert.
Wir freuen uns über zwei fundierte und interessante Beiträge, die Tanja Ronen von der Gedenkstätte Lohamei Hagetaot und Noa Mkayton von Yad Vashem für unser Magazin beigesteuert haben. Tanja Ronen beschreibt die interkulturellen Ansätze von Lohamei Hagetaot, die sich unter anderem an arabische und drusische Israelis wenden. Noa Mkayton beschreibt Anforderungen an eine zeitgemäße „Holocausterziehung im 21. Jahrhundert“ mit Blick auf die wachsenden zeitlichen Abstände und eine zunehmend vielfältigere Schülerschaft.
Tosha Tillotson und David H. Lindquist, die beide unter anderem als Regional Museum Educator für das US Holocaust Memorial Museum tätig sind, beschreiben Zugänge zur Thematik an einer Schule mit einem hohen Anteil an mexikanischstämmigen Einwanderern. Einen wichtigen Stellenwert nimmt dabei die Anerkennung der Fähigkeiten ein, die die Lernenden mit in den Unterricht bringen. Der Beitrag der beiden Autor/innen ist als Kurzfassung Teil unseres Magazins und die 18-seitige Langfassung steht oberhalb des Beitrages zum Herunterladen bereit.
Mariela Chyrikins und Barry van Driel, beide im Anne Frank Haus in Amsterdam tätig, reflektieren über den Einsatz des Tagebuchs von Anne Frank in einem lateinamerikanischen Lernkontext.
Wir sind den Autorinnen und Autoren zu großem Dank verpflichtet, die ihre Essays exklusiv für diese Ausgabe verfasst haben. Besonderer Dank gebührt auch Klaus Müller, dem europäischen Repräsentanten des US Holocaust Memorial Museums, für seine kollegiale Unterstützung in der Kontaktvermittlung.
Unser nächstes Magazin erscheint am 10. November. Es soll unter dem Titel „Strömungen im aktuellen Antisemitismus“ die Auseinandersetzung mit pädagogischen Projekten und Materialien befördern.
Die LaG-Redaktion