Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
von Isabel Missling und Jennifer Rietz
Vom „Königlichen Centralgefängnis“ zur Brandenburger Justizvollzugsanstalt
1860 entstand auf der grünen Wiese vor den Toren von Cottbus eine für die damalige Zeit moderne Haftanstalt für Männer und Frauen. Ab 1930 arbeitete man, insbesondere im Jugendstrafvollzug für männliche Jugendliche, mit sozialreformerischen Konzepten; diese Ansätze traten allerdings mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in den Hintergrund. Die Zahl politischer Gefangener nahm hingegen zu.
Ab Mitte 1937 verbüßten dann ausschließlich Frauen hier ihre Haftstrafe. 1939 wurde die Haftanstalt zum einzigen Frauenzuchthaus im Kammergerichtsbezirk Berlin. Unter den Insassinnen befanden sich Gegnerinnen des NS-Regimes, nach Kriegsbeginn auch mehrere hundert ausländische Widerstandskämpferinnen. Viele von ihnen wurden von Cottbus aus in Konzentrationslager deportiert.
Nach Kriegsende übernahm die Stadtverwaltung das Areal, bevor sie es dem Justizministerium des Landes Brandenburg übergab. 1951 übertrug die SED die vornehmlich wieder als Männergefängnis genutzte Haftanstalt dem DDR-Ministerium des Innern. Nun stieg die Zahl der Häftlinge rapide an und die Haftbedingungen verschlechterten sich. Immer mehr Inhaftierte saßen aus politischen Gründen ein, etwa wegen „versuchter Republikflucht“ oder „staatsfeindlicher Hetze“. 1990 schließlich von der Brandenburger Justiz übernommen, wurde das Gefängnis noch bis 2002 als Justizvollzugsanstalt weitergeführt und stand dann bis zum Einzug der Gedenkstätte leer. Seit 2020 steht das gesamte Gelände unter Denkmalschutz.
Von einer Haftanstalt zu einem Ort der Bildung und Begegnung
Die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ist ein einzigartiges Projekt in der Erinnerungslandschaft Deutschlands. Denn alleiniger Eigentümer des Areals ist seit 2011 der private Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e. V. (MRZ), den 2007 überwiegend ehemalige Häftlinge gründeten, um aus ihrem früheren Gefängnis einen Ort der Bildung, Erinnerung und Mahnung zu machen. Finanziert wird die Arbeit der 2012 eröffneten Gedenkstätte maßgeblich aus Mitteln von Bund, Land und Stadt sowie durch Spenden von Privatpersonen und Firmen.
Mit einem breiten Bildungsangebot und öffentlichen Veranstaltungen hat sich die Gedenkstätte als außerschulischer Lern- und Begegnungsort überregional etabliert. Zu den wichtigsten Anliegen des Vereins zählen die Erforschung und Darstellung der Geschichte des Haftortes. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die Menschen, die aus politischen Gründen zur Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR inhaftiert waren. Die Verantwortung, der doppelten Diktaturgeschichte sowohl pädagogisch als auch wissenschaftlich gerecht zu werden, stellt das MRZ immer wieder vor Herausforderungen. Eine Aufgabe für die Zukunft ist es, die Bedeutung des Standorts als einzige (nicht-virtuelle) Gedenkstätte für ein nationalsozialistisches Frauenzuchthaus in Deutschland stärker hervorzuheben und Besucher*innen mehr Informationen dazu zur Verfügung zu stellen.
Herausforderungen als Chance nutzen – was zeichnet eine moderne Gedenkstätte aus?
Um zukunftsfähig zu bleiben, sind stete Selbstreflexion und die Entwicklung neuer Konzepte erforderlich. Neben dem Älterwerden der Zeitzeug*innen und einem sich verändernden Besuchsverhalten werfen auch die aktuellen gesellschaftlichen Krisen Fragen nach dem Auftrag der Gedenkstätte auf. Wir möchten auf Wünsche nach einer stärker erlebnisorientierten Pädagogik eingehen, neue Formate wie Theater- oder Comicworkshops entwickeln und mehr Dialog mit den Besucher*innen erreichen. Zu diesem Zweck sind wir in Kontakt mit anderen Gedenkstätten und Institutionen, um uns über neue Formate auszutauschen und voneinander zu lernen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer künftig die Zielgruppen der Gedenkstätte sein werden und mit welchen Angeboten diese bestmöglich erreicht werden können. Schon jetzt ist im MRZ ein Generationswechsel spürbar: Während in den ersten Jahren neben Schulklassen vornehmlich ehemalige Häftlinge die Angebote wahrnahmen, besuchen nun zunehmend Angehörige von Betroffenen das ehemalige Gefängnis – aber auch angehende Erzieher*innen und anderweitig Interessierte.
Literatur
Alisch, Steffen: Strafvollzug im SED-Staat. Das Beispiel Cottbus,Frankfurt am Main 2014.
Menschenrechtszentrum Cottbus e. V.: Eingesperrt in Cottbus. Ehemalige Politische Häftlinge im Spiegel der Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Bildungsmaterialien für die Sekundarstufe I und II, Cottbus 2015.
Menschenrechtszentrum Cottbus e. V.
Bautzener Straße 140
03050 Cottbus
Tel.: 0 355 290 133-0
E-Mail: info [at] menschenrechtszentrum-cottbus [dot] de
Homepage: www.menschenrechtszentrum-cottbus.de
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- 25 Jan 2023 - 11:22