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Moscheebaukonflikte in Deutschland: Vorschläge für die Umsetzung des Themas im Unterricht

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Felicitas Klingler studierte Erziehungs- und Islamwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Sie arbeitete von 2009-2011 am Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Didaktik und Fortbildung im Projekt „1001 Idee für den Unterricht über muslimische Kulturen und Geschichte(n)“. Derzeit ist sie als Online-Redakteurin bei einem Sprachlernportal für Deutsch als Fremdsprache tätig.
Von Felicitas Klingler

Sei es die Minarettabstimmung in der Schweiz 2009 oder aber der Streit um den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld – in Gesellschaft, Medien und Politik lösen solche Ereignisse immer wieder heftige Debatten aus. Diesen liegen sehr unterschiedliche Konfliktpunkte zugrunde: Mal geht es um den Standort, mal um die Größe des Baus. Einige kritisieren die Architektur und den Baustil als zu wenig integriert und angepasst. Andere werfen muslimischen Gemeinden mangelnde Information über ihre Baupläne, ihre ideologische Ausrichtung oder aber ihre Verbindungen zum türkischen Staat vor. Manchen geht es dabei grundsätzlich um einen Islam, den sie mit europäischen Werten als unvereinbar bezeichnen. (vgl. Kamp, M. (2010): Moschee(bau)konflikte.

Das Thema ist damit Bestandteil einer Diskussion über das Zusammenleben mit Muslim/innen in Deutschland geworden. Es ist deshalb für die Schulfächer Sozialkunde, Deutsch, Ethik sowie Religion besonders geeignet. Die Unterrichtsmaterialien des Projektes „1001 Idee“ bieten Lehrenden hier für die Umsetzung im Unterricht einige Ansatzmöglichkeiten, die im Folgenden skizziert werden:

a) Geschichte und Vielfalt des Moscheebaus und -architektur in Europa
Anhand der Geschichte des Moscheebaus in Europa kann den Schüler/innen gezeigt werden, dass dieser kein neues Phänomen ist. Muslimische Gemeinden etablierten sich bereits im Mittelalter in europäischen Regionen (Spanien, Balkan, Griechenland, Ungarn) und bauten dort ihre Gebetshäuser.
Der eigentliche Moscheebau in Deutschland beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts über die Formierung erster muslimischer Gemeinden. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg werden Moscheen zahlreich eingerichtet und gebaut. Nicht nur Arbeitsmigrant/innen, sondern auch Student/innen, Kaufleute und Flüchtlinge beten seitdem in Moscheen mit architektonischer Vielfalt: In so genannten Hinterhof-Moscheen, die aus angemieteten Räumen bestehen; traditionell gebauten Moscheen mit starker Anlehnung an die Architektur des jeweiligen Herkunftslandes; und 'modernen' Moscheen, die in ihrem Baustil nur noch teilweise einen Bezug zur Ursprungskultur aufweisen.
Eine Moscheearchitektur ist zeitweise auch für nicht-muslimische Bauten gerne verwendet worden: Das Arabische Café in Düsseldorf (1895) sollte beispielsweise über sein exotisches Äußeres Gäste anlocken, während der Royal Palace in Brighton (1787-1823) dadurch Prunk und Reichtum zum Ausdruck bringen sollte. Die Wiener Karlskirche (18. Jahrhundert) wurde als Zeichen des Triumphs über die muslimischen Türken mit minarettähnlichen Türmen und einem Kuppelbau versehen.
Mit Schüler/innen kann anhand der Bilder und Texte diskutiert werden, inwiefern Moscheebauten und -architektur nicht zu europäischen Stadtbildern passten. Darüber hinaus wird anhand des Materials die Diversität muslimischer Gemeinden in Deutschland sichtbar, die unterschiedliche Vorstellungen und Möglichkeiten für den Bau eines Gebetshauses haben.
 
Hierzu können folgende Arbeitsblätter verwendet werden:
 
 

AB02: Moscheen und Bauwerke in Westeuropa 

b) Moscheearchitektur und Integration

Kann die Architektur eines Gebetshauses den Grad der Integration einer Religionsgemeinschaft widerspiegeln? Vielfach wird dies behauptet, selten jedoch hinterfragt. Blickt man in die Geschichte zurück, so zeigt sich, dass nicht nur Muslim/innen mit solchen Fragen konfrontiert sind, sondern auch Juden im 19. Jahrhundert. Die jüdischen Gemeinden waren damals zwiegespalten, ob sie sich beim Bau von Synagogen auf die Architektur ihrer Ursprungsregion dem Nahen Osten beziehen oder sich durch eine Orientierung am Kirchenbaustil ihrer Umgebung anpassen sollten. Kritik kam von beiden Seiten: Wählte man den Kirchenbaustil, so kamen Vorwürfe von jüdischen Gemeindemitgliedern, das Eigene zu verbergen; wählte man einen nahöstlichen Baustil lief man Gefahr, als 'undeutsch' bezeichnet zu werden. Eine Bezugnahme zum Synagogenbau im 19. Jahrhundert kann einer Islamisierung der aktuellen Debatten über Moscheebauten entgegenwirken und die Diskussion auf den Umgang mit Minderheiten lenken. Die Auseinandersetzung mit Quellentexten und Bildern soll im Unterricht zur Diskussion darüber einladen, ob und inwiefern Identitäten über Architektur und Baustile verhandelt werden können.

Hierzu kann folgendes Arbeitsblatt verwendet werden:

AB04: Synagogen und Moscheen als Symbole der Integration?

c) Moscheen als Zankapfel von Islamkritiker/innen und Muslim/innen

Am Beispiel des Moscheebaus Köln-Ehrenfeld können einerseits Motive für den Wunsch nach einer großen Zentralmoschee und andererseits für die Ablehnung einer solchen herausgearbeitet werden. Eine Videoaufnahme des Streitgesprächs zwischen dem Islamkritiker Giordano und dem DITIB-Beauftragten Alboga macht diese konträren Argumente sichtbar: Während Giordano Zentralmoscheen als bedrohlich empfindet, sieht Alboga darin ein Zeichen der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration von Muslim/innen. Schüler/innen können sich anhand des Materials im Argumentieren üben und einen eigenen Standpunkt zu Moscheebauten in Deutschland entwickeln.

Hierzu kann folgendes Arbeitsblatt verwendet werden: 

AB03: Moscheebau Köln-Ehrenfeld – ein Streitgespräch

 

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