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Und sie werden nicht mehr frei

Jugend im Nationalsozialismus 

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Dietmar Freiesleben ist Historiker und arbeitet als stellvertretender Leiter im Historischen Centrum Hagen mit dem Stadtmuseum Hagen, dem Museum für Ur- und Frühgeschichte Wasserschloss Werdringen und dem Stadtarchiv Hagen. Er leitet dort die Abteilungen Ausstellungen sowie Museums- und Archivpädagogik. In der Museums- und Archivpädagogik erarbeitet er Konzepte, die die Museen und das Archiv als attraktive Lernorte etablieren.
Von Dietmar Freiesleben

„Was sind wir? Pimpfe! Was wollen wir werden? Soldaten!“ Dieser markige Spruch prangte auf einer Tafel im Stadtmuseum Hagen. Dort war vom 8. Juni 2009 bis zum 28. März 2010 die Ausstellung „Und sie werden nicht mehr frei - Jugend im Nationalsozialismus“ zu sehen. Hauptzielgruppe der Ausstellung waren Jugendliche, denen exemplarisch das menschenverachtende System des Nationalsozialismus vor Augen geführt wurde.

Bewusst haben die Ausstellungsmacher das Thema Jugend im Nationalsozialismus gewählt. Anhand dieses historischen Beispiels wurde den heute lebenden Jugendlichen der Alltag ihrer Altersgenossen während der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt. Kindern und Jugendlichen wurde so vor Augen geführt, wo eine Gesellschaft endet, die nicht demokratische Werte als Leitziele ihr Eigen nennt. Dies geschah in einem Bereich, der nicht abstrakt und weit entfernt ist, sondern in Lebensumfeldern, in denen sich Kinder und Jugendliche der heutigen Zeit selbst bewegen. Gerade dadurch, dass die Welt von Kindern und Jugendlichen zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs Gegenstand der Ausstellung war, wurde der gegenwärtigen U-20-Generation der Zugang zum Thema ermöglicht. So konnten sie sich fundiert ihre Meinung darüber bilden, ob dieser Entwurf einer Gesellschaftsordnung für sie eine tragfähige Variante darstellt. Dies befähigt sie auch, zeitgenössische Formen rechtsradikaler Ideologien besser einordnen und beurteilen zu können sowie sich mit dem Thema Krieg auseinander zu setzen.

Als Gegenentwurf zu einer pluralistischen Gesellschaft, steht der Nationalsozialismus. Dort bedeutet es auch für den Sektor der Jugendlichen gerade nicht, dass Vielfalt, Toleranz, Demokratie und friedliches Miteinander zu den Leitzielen gehörten, sondern dass Kinder und Jugendliche schon früh durch den nationalsozialistischen Staat vereinnahmt werden sollten und sie sich bedingungslos seinen Zielen unterzuordnen hatten. Dieser nationalsozialistische Ansatz markiert den am weitest entfernt gelegenen Punkt zu einer auf Vielfalt angelegten demokratischen Gesellschaft.

Eines war den Nationalsozialisten klar: Die Realisierung ihrer Ziele und die Zukunft ihrer Bewegung betrachteten sie dann als gesichert, wenn es Ihnen gelänge, die Jugend für sich zu vereinnahmen. Die Radikalität und die Wahl der Mittel waren dabei mindestens genau so extrem, wie sie auch in anderen Bereichen vorgingen. So legten sie besonderen Wert auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die über weite Strecken – insbesondere für die männliche Jugend – von militärischen Anforderungen geprägt waren. Gehorsame und regimetreue Bürger waren das Erziehungsziel.

In seiner Rede in Reichenberg formulierte Adolf Hitler 1938 unumwunden, wie er sich die Erziehung von Kindern und Jugendlichen vorstellte. Dass hierbei alle bis dahin bereits in der Pädagogik bekannten Ansätze, die das Kind als eigenständiges Individuum mit dem Recht auf freiheitliche Erziehung betrachteten, unberücksichtigt blieben, verwundert nicht. Der all umfassende Einfluss auf die junge Generation sollte den willfährigen Typus Mensch schaffen, der im nationalsozialistischen Sinne denkt und handelt. So gipfelt Hitler dann auch in dem Ausspruch: „Und sie werden nicht mehr frei, ihr ganzes Leben.“

Bereits die Schule sollte die Kinder im Sinne des Staates formen. Statt Wissen zählte der Glaube an den Führer-Staat. Und Sport war wichtiger als Lesen. Die Hitlerjugend erzog die Kinder im Sinne des Krieges. Jungen wurden zu Soldaten erzogen und Mädchen auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet. Im Alltag änderte sich das Spielzeug. Musik, die man noch vor wenigen Jahren ganz selbstverständlich hörte, war plötzlich geächtet.

In besonders krassem Maße veränderte der Krieg das Leben von Kindern und Jugendlichen. Kinderlandverschickung, Bombenkrieg und Volkssturm zerstörten die Jugend von Abertausenden. Viele wurden im Krieg verheizt oder verloren ihr Leben.

Kinder und Jugendliche, die nicht in das Bild des Nationalsozialismus passten, wurden verfolgt. Wer sich auch nur in geringster Weise auflehnte, musste mit Strafe rechnen. Gehorsam stand an erster Stelle.

Besonders traf es Jungen und Mädchen, die aus rassistischen Gründen ausgegrenzt wurden. Verfolgung und Tötung von Kindern und Jugendlichen in Ghettos und Konzentrationslagern war Alltag im Dritten Reich. Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft lebten so gut wie keine jüdischen Kinder und Jugendlichen sowie aus anderen rassisch verfolgten Familien mehr in Deutschland.

Will man heute Jugendliche erreichen und ihnen das Thema „Nationalsozialismus“ und „Zweiter Weltkrieg“ näher bringen, ist nicht nur die Affinität der Themen zu eigenen Lebensbezügen wichtig, sondern es müssen in methodischer Hinsicht auch Darstellungsformen gefunden werden, die Jugendliche ansprechen und ihnen geläufig sind. In der Hagener Ausstellung wurde dem Rechnung getragen. Die speziellen Belange von Jugendlichen wurden besonders berücksichtigt und an allen Stellen ein jugendgerechter Zugang zum Thema gewählt. Formen der Darstellung, wie sie Jugendlichen geläufig sind, fanden sich in der Ausstellung wieder. Besonders beeindruckend waren die lebensgroßen Figuren, auf denen in Videoclips Ausschnitte aus dem Leben verschiedener Jugendlicher zur Zeit des Nationalsozialismus dargestellt wurden. Hier sprachen Jugendliche einen Altersgenossen an und überbrachten damit plastisch und leicht verständlich sonst nur schwer vermittelbare Inhalte.

Mit überwältigender Resonanz ging die Ausstellung zu Ende. Neben zahlreichen Einzelbesucherinnen und -besuchern kamen 300 Schulklassen mit 7.000 Schülerinnen und Schülern in die eindrucksvolle Schau und erarbeiteten sich in einem speziellen museumspädagogischen Programm das Thema. Das Konzept des historischen Lernens ging damit voll auf.

Nach Beendigung der Ausstellung „Und sie werden nicht mehr frei – Jugend im Nationalsozialismus“ wurde das Konzept nachhaltig in eine Wanderausstellung für Schulen umgewandelt. Auf 19 großformatigen Rollup-Displays ist es gelungen, das Thema anschaulich darzustellen. Dabei wurde besonders darauf geachtet, den Aufbau der Ausstellung leicht handhabbar zu machen. Innerhalb nur einer Stunde kann die Ausstellung an jeder Schule kinderleicht aufgebaut werden. Sie eignet sich damit für alle weiterführenden Schulen und kann dort in einem eigenen Raum, aber auch in der Aula oder einem Foyer aufgestellt werden. Ein Lehrerbegleitband mit weiter führenden Materialien ergänzt das Angebot.

Auch dieses Angebot wird von den Schulen gut angenommen. Lehrende heben besonders die gesteigerte Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler durch die sonst in Schulen nur äußerst selten zum Einsatz kommende Methode des Lernens in einer Ausstellung hervor.
Möglichkeiten zur Ausleihe der Wanderausstellung können im Stadtmuseum Hagen unter der Telefonnummer 02331/2072740 erfragt werden.

 

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