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"Raub und Restitution"

Zum didaktischen Konzept der Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin

Das Jüdische Museum Berlin eröffnete am 19.September 2008 seine Wechselausstellung „Raub und Restitution“. Als konkreten Anlass zur Konzeption der Ausstellung gibt Nina Wilkens, die für das pädagogische Begleitprogramm zuständig ist, die hitzige öffentliche Debatte um die Restitution des Kirchner-Gemäldes „Berliner Straßenszene“ (im Sommer 2006) an.

Mit der Ausstellung will das Jüdische Museum Berlin die Debatte versachlichen. Schon vorher sei eine Ausstellung zu diesem Thema angedacht worden, doch erst die neuere Forschung der letzten 10 Jahre habe sie ermöglicht. Damit spricht Wilkens die verhängnisvolle Verdrängung der Fragen von Enteignung von Kulturgut in jüdischem Besitz und deren Entschädigung in der deutschen Öffentlichkeit an. Ähnliche Verdrängungstendenzen lassen sich auf den Umgang mit ehemaligen NS-Zwangarbeitern übertragen.

Das Thema Restitution bilde in der Ausstellung aufgrund seiner hohen Aktualität eine der vier Kernfragen, die den Vermittlungsanspruch der Ausstellung ausmachen, so Nina Wilkens. Auf diese Weise sollen die Probleme und zahlreichen Streitfälle erläutert werden. Denn das Washingtoner Abkommen, welches öffentliche Institutionen zur Suche und Restitution der von den Nazis gestohlenen Kulturgüter verpflichtet, ist zwar bereits 10 Jahre alt, aufgrund seines nicht rechtsverpflichtenden Charakters in seiner Wirkung jedoch eingeschränkt. Weiterhin soll SchülerInnen verdeutlicht werden, wie breit das Spektrum der geraubten Güter und der unterschiedlichen Beweggründe dafür war. Drittens solle die zunehmende Radikalisierung und Ausweitung der Enteignungen veranschaulicht werden.

Die Komplexität des Themas erfordere sehr viel Lesebereitschaft von einem Besucher, so erkläre sich u.a. die Altersempfehlung für die Ausstellung ab der 11. Klasse. Inzwischen ist Wilkens jedoch der Meinung, dass dies auch SchülerInnen der 10. Klasse zu vermitteln sei, wenn sie sich bereits intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandergesetzt hätten. Wilkens: „Schon der scheinbar einfache Begriff des Raubes erfordert juristisches Abstraktionsvermögen. Juristisch sprechen wir in den Fällen vom „verfolgungsbedingten Verlust“, nach der Annektion Österreichs 1938 von offenem Raub (juristisch „Wegnahme“) und zuvor von Zwangsverkäufen, Zwangsauktionen (juristisch „Weggabe“). Diese Unterscheidungen spielen für den Umgang mit geraubtem Kulturgut im Nachkriegsdeutschland bis heute eine entscheidende Rolle.

Aber es kommt ein weiterer, unausgesprochener Aspekt hinzu, der sich hinter dem Reden über die Dinge und die Sachwerte verbirgt. Dem Reden über die Dinge ist das Sprechen über die ermordeten Eigentümer inhärent.“ Wilkens empfiehlt gerade jungen Besuchern zunächst mit einer Führung durch die Ausstellung zu gehen. Thematische Schwerpunkt könnten dabei in Absprache mit dem/der ReferentIn gewählt werden. Dabei sollen die Führungen die SchülerInnen dialogisch einbeziehen, etwa im Rahmen des „Entscheidungsspiels“. Hier können SchülerInnen ihre persönliche Einschätzung zur Frage „Wie würden Sie entscheiden?“ abgeben. Eine Auswertung, gar Publikation im Zuge der Erstellung eines Meinungsbildes sei dabei keinesfalls geplant. Vielmehr sollen SchülerInnen nachvollziehen können, in welchem Maße die Fälle oftmals von individuellen Entscheidungen abhängig gewesen seien.

Bisher sei die Veröffentlichung von didaktischem Material für den Unterricht nicht vorgesehen, bei verstärktem Bedarf von Seiten der LehrerInnen könne dies noch einmal überdacht werden. Allerdings werde in absehbarer Zeit ein Archivworkshop angeboten werden. Das Konzept orientiere sich dabei am bisherigen Workshopangebot im Archiv.

Das "Entscheidungsspiel" kann jederzeit auch online gespielt werden, unter:

http://www.jmberlin.de/raub-und-restitution/de/spiel.html

 

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