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Orbán

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von István Tóth 

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 gibt es deutliche Unterschiede. Der allgemeine politische Trend in Ungarn zeichnet sich durch eine deutliche Rechtsverschiebung aufgrund des halbdiktatorischen »Fidesz«-Regimes aus.

Am 8. April 2018 wurde Viktor Orbán in eine dritte Amtszeit in Folge wiedergewählt, nachdem seine rechte »Magyar Polgári Szövetség« (»Fidesz – Ungarischer Bürgerbund«, Fidesz) 48 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, was für eine Zweidrittelmehrheit im Parlament ausreichte. Die »Fidesz« und die mit ihr verbündete »Kereszténydemokrata Néppárt« (»Christlich-Demokratische Volkspartei«, KDNP) gewannen 133 von 199 Sitzen. Die »Magyarországért Mozgalom« (»Bewegung für ein besseres Ungarn«, Jobbik) erhielt 26 Mandate. Dies bedeutet, dass im neu gewählten ungarischen Parlament 159 Sitze von der Rechten und der extremen Rechten besetzt werden.

Es war ein entscheidender Sieg und eine Bestätigung für Orbán. Er ist in den letzten Jahren öffentlich mit der EU aneinandergeraten und ein Wegbereiter des illiberalen Ultranationalismus geworden, der nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern auch im gesamten Westen populär ist. Orbáns Wahlmanifest bestand nur aus einem Satz: »Wir werden so weitermachen wie bisher.« Seine Botschaften an die Ungar_innen lauteten: rassistische Propaganda, Fremdenfeindlichkeit, keine Flüchtlinge, Anti-Soros-Kreuzzug, Verteidigung des europäischen Christentums und Antikommunismus. Und diese Botschaft verfängt; das Meinungsforschungsinstitut »Medián« führte im September eine Befragung im Auftrag des Budapester Analyseinstituts »Political Capital« aus. Ergebnis war, dass 40 bis 50 Prozent der Befragten Verschwörungstheorien – auch antisemitischen – Glauben schenken. Orbán hat keine Interviews gegeben und an keiner Debatte teilgenommen. Sein Sieg ist ein Produkt verschiedener Faktoren, wie der Schwächung des liberal-demokratischen Systems, dem Erfolg der Anti-Migrationsplattform und der äußerst starken Zersplitterung der Opposition. Orbáns jüngster Wahlerfolg hat seine Position in Brüssel gestärkt, wo »Fidesz« Teil der christdemokratischen »Europäischen Volkspartei« (EVP) ist, der größten Fraktion im Europäischen Parlament.

Weg zum Erfolg

Der erste Faktor für den wiederholten Wahlsieg von »Fidesz« 2018 war eine allgemeine Desillusionierung der Sparpolitik der sozialistischen Regierung vor 2010 sowie die Umformulierung der demokratischen Regeln durch »Fidesz«, die Verabschiedung einer neuen Verfassung, die Änderung der Wahlgesetze und die Kontrolle über unabhängige Medien.

Der zweite Faktor für Orbáns Sieg war, dass Migration nach wie vor ein entscheidendes Thema ist. Seit Beginn der europäischen »Migrationskrise« Ende 2015 war diese an die Spitze aller Probleme in Ungarn gerückt. In diesem Zusammenhang waren die Entscheidung von Orbán, die ungarische Grenze zu schließen, und sein anhaltender Widerstand gegen die EU-Forderungen nach Aufnahme von Geflüchteten politisch populär. Anti-Migrations-Politik und -Rhetorik haben sich als besonders wirksames Instrument für die Mobilisierung von Wähler_innen mit geringer Bildung erwiesen, vor allem in ländlichen Gebieten und in anderen Städten als Budapest. Orbán konnte seine Basis erfolgreich davon überzeugen, dass nur er und seine Regierung sie und das Land schützen können: vor der »muslimischen Invasion« und vor Brüssel, George Soros, den westlichen Liberalen und nicht zuletzt den Vereinten Nationen.

Der dritte Hauptfaktor für Orbáns Erfolg ist seine Fähigkeit, die Rechte zu einer Zeit vereint zu haben, in der die Opposition schwach und gespalten ist. Mittels wirtschaftlichem und kulturellem Nationalismus hat er sein Lager über nahezu zwei Jahrzehnte zusammengehalten und mehr als zwei Millionen Wähler_innen fest an »Fidesz« gebunden. 2009 legte Orbán seine Vision vor, in der »Fidesz« jahrzehntelang an der Macht bleiben könnte, wenn sie sich als »zentrale politische Kraft« etablieren kann. Die Opposition wird in diesem Planspiel in extrem linke und rechte Blöcke aufgeteilt. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen MSZP und dem Aufstieg des extrem rechten »Jobbik« während der Parlamentsperiode 2006–2010 bewahrheitete sich Orbáns Prophezeiung und »Fidesz« wurde die einzige große Partei in der ungarischen politischen Landschaft.

Unvorhergesehenes

Am 8. Dezember 2018 begannen die Gewerkschaften mit einer Welle von Massendemonstrationen gegen die geplanten Änderungen des Arbeitsgesetzes, das als »Sklavengesetz« bezeichnet wird. Dazu gehört auch die Erhöhung der Höchstzahl an Überstunden, die Arbeitnehmer_innen pro Jahr leisten können sollen: von 250 auf 400 Stunden sowie die Lockerung anderer Arbeitsgesetze. Arbeitgeber_innen solle es möglich sein, aufgelaufene Überstunden innerhalb von drei Jahren anstelle von bisher lediglich einem Jahr abzurechnen. Eine weitere Änderung ermöglicht es ihnen, direkt mit den Arbeitnehmer_innen Überstundenabsprachen zu vereinbaren, indem Tarifverträge und Gewerkschaften übergangen werden. Die Massendemonstrationen in Budapest und in anderen Städten waren die heftigsten seit »Fidesz« 2010 wieder an die Macht gekommen ist. Die Proteste wurden von den bisher gespaltenen Gewerkschaften und Oppositionsparteien (einschließlich »Jobbik«) und Student_innen angeführt.

Am 12. Dezember wurden die Änderung des Arbeitsgesetzes und anderer umstrittener Gesetze unter chaotischen Szenen verabschiedet, als Oppositionsabgeordnete versuchten, das Podium des Parlaments zu blockieren, um deutlich zu machen, dass das Abstimmungsverfahren vollständig gegen die Hausordnung verstoße und ungültig sei.

Bewegung bei der extremen Rechten

Seit 2014 wurde von dem ehemaligen Vorsitzenden und Gründer der »Ungarischen Garden« Gábor Vona, die Transformation von »Jobbik« von einer faschistischen zu einer rechts-konservativen Partei initiiert. Damit würde »Jobbik« in die Mitte rücken und neues Stimmenpotential erschließen – wahrscheinlich auf Kosten von »Fidesz«.

Das findet sich auch im Wahlprogramm wieder. Es trägt den Titel »Sicheres Europa, freies Ungarn!«. Darin wird Wert gelegt auf die »Gewährleistung der Sicherheit, Bewältigung der Migrationsherausforderung, Fokussierung auf die Verringerung des Lohngefälles, Schaffung eines echten Zusammenhalts, Beitritt zur Europäischen Staatsanwaltschaft, Bekämpfung von Fake News und Schutz der endemischen nationalen Minderheiten Europas.« Weiterhin hieß es: »Im Gegensatz zu Fidesz, die eindeutig einen strategischen Schwerpunkt auf die Konfrontation mit der EU und die Herausführung Ungarns aus dieser gelegt hat, strebt Jobbik eine nahtlose Funktion der EU an. Ungarn soll demokratischer und freier werden, ein Land das seinen Bürgern Sicherheit und Berechenbarkeit garantiert.« Anfang Februar 2019 sollen die Wahllisten veröffentlicht werden.
Vonas Initiative blieb nicht ohne Widerspruch. Mitte 2017 trat eine neue nationalistische Koalition an der rechten Seite von Ungarn auf, bestehend aus »Betyársereg« (»Armee der Gesetzlosen«, einer militanten nationalistischen Gruppe und »patriotischen Sportbewegung«) sowie zwei weiteren Gruppen, dem »Érpataki Modell Országos Hálózata« (»Érpatak nationweites Netzwerk«) und dem Verein »Identitárius Egyetemisták Szövetsége-Identitesz« (»Identitáriusfür Hochschulstudenten«).

Auch aus den Reihen unzufriedener »Jobbik«-Mitglieder ist eine neue radikal-nationalistische politische Kraft, »Mi Hazánk Mozgalom-MHM« (»Unsere Landbewegung«; MHM), hervorgegangen. Treibende Kraft ist László Toroczkai, ein ehemaliger stellvertretender Vorsitzender von »Jobbik« und Bürgermeister von Ásotthalom, den die Partei Anfang Juni ausgeschlossen hatte. Toroczkai ist ein politischer Opportunist und radikaler Nationalist. Zu Beginn der neuen Bewegung forderte er ein »weißes Ungarn« und »die Tricolor statt eines verschmierten Regenbogens«. Toroczkai möchte »Antworten auf wirkliche soziale Probleme«, einschließlich der abnehmenden Geburtenrate Ungarns sowie »der Frage der Einwanderung und Emigration, dem Verhältnis von Ungarn und der EU und der Koexistenz von Ungarn und Zigeunern«.

Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende von »Jobbik«, Elöd Novák, sowie die ehemalige Sprecherin, Dóra Dúró, schlossen sich ebenfalls der MHM an. Nach seinem Ausschluss aus der Parlamentsfraktion gab es wenig Zweifel, dass János Volner, Vizepräsident von »Jobbik«, zusammen mit István Apáti und Erik Fülöp seinen Austritt aus der Partei bekannt geben würde. Keiner von ihnen hat seine parlamentarischen Mandate zurückgegeben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Trio zu MHM kam. In der Ankündigung seines Austritts bekräftigte Volner, dass »Jobbik« eine inakzeptable »linksliberale Wende« vollzogen habe. Laut Volner fehlt »Jobbiks« bis heute ein »politischer Fokus«. Während die Durchschnittsperson über die Schwerpunkte von »Fidesz« Bescheid wusste (Migration 2018, Senkung der Staatskosten 2014), hatte Vonas Partei diese Botschaft seit acht Jahren nie klarstellen können. Derzeit bemüht Dúró sich darum, die Hausordnung des Parlaments zu ändern, um die Gründung einer MHM-Fraktion zu ermöglichen. Diese existierte zum Zeitpunkt der ungarischen Parlamentswahlen nicht.

Von der MHM geht im Moment kaum eine echte Konkurrenz bei der EU-Wahl aus. »Fidesz« baut darauf, dass die neuen extrem Rechten zu einer Schwächung von »Jobbik« führen. Letztendlich ist in einer Nachbarschaft, in der der Widerstand gegen Migration ein alltägliches und beliebtes Thema ist, wenig aufregender als das, was von Orbán täglich gesagt wird.

Redaktionelle Anmerkung

Dieser Text wurde zuerst im antifaschistischen Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019 veröffentlicht. Wir danken den Kolleg_innen sowie dem Autor für die Gelegenheit zur Zweitveröffentlichung. 

 

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