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Ende/Anfang – Perspektiven auf 1945

Von Anne Lepper

In der Vortragsreihe „Ende/Anfang – Perspektiven auf 1945“ eröffnete das Hamburger Institut für Sozialforschung einen vielschichtigen und differenzierten Blick auf das Jahr 1945 als historische Zäsur. Die einzelnen Vorträge können nun als Audiomitschnitte auf der Homepage des Instituts angehört werden.Das Jahr 1945, soviel ist sicher, kann auf sehr unterschiedliche Arten gelesen und gedeutet werden. Doch ob Anfang oder Ende, Befreiung oder Zusammenbruch, Kapitulation oder Sieg, Apokalypse oder Stunde Null – der Blick auf 1945 impliziert heute unweigerlich eine historische Zäsur, deren in der Geschichte einzigartige Schlagkraft das kollektive Kontinuitätsempfinden nachhaltig beeinträchtigt hat. Das Hamburger Institut für Sozialforschung hat zwischen März und Juli 2015 dem historischen Brenn- und Wendepunkt eine eigene Vortragsreihe gewidmet, in der verschiedene Historiker/innen des Instituts sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Jahr, seine Ereignisse und deren historiografische, gesellschaftliche und politische Rezeption eröffneten. Ein Großteil der Vorträge kann nun auf der Homepage des Instituts als Audiomitschnitt angehört werden.

Die Multivalenz von 1945

Nicht allein durch die thematische Vielseitigkeit ermöglichten die verschiedenen Vorträge der Reihe einen überaus vielschichtigen Blick auf das Jahr 1945. Auch durch die Hinführung an die jeweiligen Themen mittels sehr unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen wurde jene Multiperspektivität geschaffen, der die Komplexität des Themas bedarf. Den Beginn der Veranstaltungsreihe bildete der Vortrag des Institutsleiters Jan Philipp Reemtsma, der im Gespräch mit der Historikerin Dr. Ulrike Jureit einen literaturwissenschaftlichen Zugang zu dem Thema ermöglichte. Dabei befasste er sich mit verschiedenen literarischen Werken, deren Deutungsangebote in Bezug auf 1945 sehr unterschiedliche Auffassungen und Interpretationen widerspiegeln. Im zweiten Vortrag widmete sich der Historiker Dr. Tim Müller der Frage nach der Einordnung der Zäsur 1945 im Rahmen einer Demokratiegeschichte der Moderne.

Dass im Kontext von 1945 nicht nur die Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands und das Ende des zweiten Weltkriegs in Europa als Wegmarken der Geschichte gesehen werden müssen, zeigte Dr. Claudia Kemper in ihrem Vortrag „Little Boy und Fat Man verändern die Welt“. Little Boy und Fat Man, die beiden Atombomben, deren Abwurf in Hiroshima und Nagasaki im August 1945 auch im Pazifik das Ende des Zweiten Weltkriegs markierten, formierten gleichzeitig die militärische Ausgangskonstellation für den Kalten und Krieg und eröffneten ein gesellschaftliches Nachdenken über den Zusammenhang zwischen ziviler Moral und gewalttätigem Handeln. Dr. Klaas Voß erörterte in seinem Vortrag über die Veteranenpolitik der verschiedenen, am Krieg beteiligten Staaten, wie das Projekt der Reintegration der heimkehrenden Soldaten die Grundpfeiler für die Entstehung moderner Sozialstaaten schuf. Und Dr. Ulrike Jureit zeigte schließlich in ihrem abschließenden Vortrag „Vom Ordnen der Zeit. 1945 als historische Zäsur“ inwieweit Zäsuren im Allgemeinen und 1945 im Besonderen das kollektive Geschichtsverständnis beeinflussen und eine gefühlte Periodisierung von Geschichte herbeiführen.

Implementierung in den Unterricht

Die im Rahmen der Hamburger Instituts Montage durchgeführte Reihe „Anfang/Ende – Perspektiven auf 1945“ ebnet durch ihre zahlreichen Blickwinkel und Narrative den Weg zu einer differenzierten und reflektierten Wahrnehmung der Zäsur 1945, dem Davor und vor allem dem Danach. Die Audiomittschnitte der Vorträge bieten daher auch eine sinnvolle Möglichkeit, die Multiperspektivität und Mehrdimensionalität unterschiedlicher Deutungsmuster von Geschichte im Allgemeinen und die Instrumentalisierung von Geschichte als retrospektive Erklärungs- und Rechtfertigungskategorien im Unterricht zu thematisieren.

 

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