Empfehlung Lebensbericht

Ellen Auerbach – Eine jüdische Fotografin im Exil

Von Anne Lepper

„Die vielen Wechsel und Veränderungen in meinem Leben, all die Neuanfänge, sind für mich jetzt, am Ende meines Lebens, Ausdruck einer Suche nach etwas anderem. Etwas, was hinter den Dingen steht...“ Ellen Auerbach, über neunzigjährig, als sie diese Zeilen schrieb, hatte in ihrem Leben wahrlich zahlreiche Neuanfänge hinter sich gebracht. Dabei waren nicht alle selbst gewählt, einige ergaben sich aus der politischen und gesellschaftlichen Stellung, in der sich die Künstlerin selbst verortete, oder die ihr durch das nationalsozialistische System zugeschrieben wurde.

Aufwachsen in der Provinz

Ellen Auerbach, 1906 in Karlsruhe als Tochter reformierter Juden in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen, entschied schon früh, dass der ihr scheinbar vorgezeichnete Weg in eine bürgerliche Versorgungsehe für sie selbst nicht infrage kam. Stattdessen wollte sie ein emanzipiertes Leben führen und finanziell unabhängig sein von der Familie oder einem Ehemann. Nicht nur deshalb entschloss sie sich bereits Anfang der 1920er Jahre dazu, ein Studium an der Kunsthochschule in Karlsruhe zu beginnen, das sie wenige Jahre später in Stuttgart fortführte. Während sie sich in den ersten Jahren zunächst der Bildhauerei widmete, wechselte sie 1929 in die Fotografie, in der sie sich bessere Berufschancen erhoffte, und ging nach Berlin.

„Meine Mutter sagte, wenn Du deine Kinder nach Berlin gehen lässt, dann hast Du sie verloren. Und tatsächlich, mein wahres Leben begann in Berlin“

Im Berlin der Weimarer Republik knüpfte Ellen Auerbach, damals noch Rosenberg, schnell Kontakte zu linksintellektuellen Künstlerkreisen. Sie begann, sowohl auf künstlerischer als auch auf privater Ebene neue Wege zu gehen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Grete Stern, die ebenfalls aus einer gutsituierten jüdischen Familie stammte und einige Jahre am Dessauer Bauhaus studiert hatte, gründete sie das erste, von Frauen geführte Foto-Atelier. „ringl und pit“, wie die beiden ihr Studio nach ihren Spitznahmen aus Kindertagen nannten, wurde bald auch über die Landesgrenzen hinaus für seine Avantgarde-Fotografie bekannt. Eine von ihnen produzierte Werbeanzeige gewann 1933 den ersten Preis der Deuxième Exposition Internationale de la Photographie et du cinéma in Brüssel, Artikel über das Berliner Atelier erschienen in mehreren internationalen Zeitschriften für Fotografie und Kunst.

Exil

Doch die jungen Künstlerinnen konnten den Erfolg, den sie mit ihrer gemeinsamen Arbeit hatten, nicht weiter ausbauen. Wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entschieden sich die beiden, die nicht nur durch ihre jüdische Herkunft sondern auch durch ihre politische Einstellung zum Feindbild des neuen Systems geworden waren, dazu, Deutschland zu verlassen. Ellen Auerbach emigrierte nach Palästina, wo sie in Tel Aviv sogleich ein neues Studio eröffnete. Im Kontext der arabischen Aufstände 1936 dazu gezwungen, das Land erneut zu verlassen, ging sie zunächst nach London zu Grete Stern und reiste von dort wenige Monate später mit ihrem späteren Ehemann Walter Auerbach weiter nach New York, wo sie sich schließlich niederließ. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete Ellen Auerbach weiter als Fotografin, verlagerte in den 1960er Jahren jedoch ihren beruflichen Schwerpunkt allmählich auf ihr zweites Standbein, der Therapie von Kindern mit Lernschwierigkeiten. Während sie selbst in ihrem neuen Beruf Erfüllung fand, blieb ihre Kunst indes lange Zeit unbekannt. Erst ab den späten 1970er Jahren, als die Weimarer Zeit, die emanzipatorischen Errungenschaften der Avantgarde-Künstlerinnen und die Exilforschung zunehmend an Interesse gewann, rückte auch das fotografische Werk Ellen Auerbachs nach und nach in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Die Künstlerin selbst, die im Jahr 2004 fast hundertjährig in New York verstarb, verfolgte das Interesse an ihrer Person und ihrer Arbeit bis zuletzt mit großer Aufmerksamkeit und Erstaunen.

Die Sammlung Auerbach

Bereits in den 1990er Jahren entschloss sich Ellen Auerbach dazu, ihren Nachlass der Berliner Akademie der Künste zu vermachen. Heute findet sich ihr Werk, das über 5000 Negative und 450 Abzüge umfasst, in digital katalogisierter Form im dortigen Archiv. Die 2006 erschienene Dissertation von Inka Graeve Ingelmann befasst sich mit dem Leben und Werk Ellen Auerbachs und ein im Rahmen einer Sonderausstellung im Käthe Kollwitz Museum in Köln herausgegebener Katalog vereint biografische Informationen über die Künstlerin mit einer Auswahl ihrer Werke.

Literatur

- Ingelmann, Inka Graeve: Ellen Auerbach. Das Dritte Auge. Leben und Werk. Schirmer Mosel, München 2006.
- Käthe Kollwitz Museum Köln: Ellen Auerbach. „All die Neuanfänge...“. Greven Verlag, Köln 2008.

 

 

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