Liebe Leser:innen,
kennen Sie die Gedenkstätte Jasenovac in Kroatien, den Erinnerungsort Royallieu bei Compiègne in Frankreich oder die Gedenkstätte für die Opfer des KZ Langenstein-Zwieberge? Diese drei Orte der Gefangenschaft, Zwangsarbeit und Deportation von zehntausenden Menschen stehen beispielhaft für die kleineren, eher unbekannten Orte der nationalsozialistischen Vernichtung im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 40.000 Konzentrations-, Vernichtungs-, Zwangsarbeitslager, Haftanstalten, Erschießungsstätten und Ghettos der Nationalsozialisten bilden ein paneuropäisches Netzwerk des Grauens, das in seinen zeitlichen, räumlichen und „organisatorischen“ Ebenen die Dimension der NS-Vernichtung auf dem Kontinent aufzeigt. Umso mehr erstaunt – und fordert Bildner:innen heraus –, dass in Deutschland weder das Ausmaß der Verbrechen im Osten Europas noch die Fakten zu den verschiedenen Opfergruppen – neben Jüdinnen:Juden, Rom:nja und Sinti:ze auch Menschen mit Behinderung oder geraubte Kinder – zum Allgemeinwissen gehören. Diesen bitteren Befund liefern die jährlichen Erhebungen zur Erinnerungskultur im „MEMO Deutschland – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“.
Um jungen Menschen Gelegenheiten zu geben, aus der Geschichte zu lernen, an Orten der Verfolgung Fragen der europäischen Erinnerungskultur(en) mit Gleichaltrigen anderer Länder nachzugehen und sie zu aktiven Gestalter:innen unserer Demokratie zu machen, wurde vom Deutschen Bundestag das Programm Jugend erinnert ins Leben gerufen.
Das im Koalitionsvertrag der Jahre 2018 und 2021 verankerte Programm ist in drei Programmlinien ausgestaltet: So unterstützt die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) Gedenkstätten in Deutschland bei der Weiterentwicklung ihrer pädagogischen, digitalen und audiovisuellen Vermittlungskonzepte, insbesondere mit Blick auf heterogene Zielgruppen. In diesem Bereich, namentlich: Aufarbeitung des Nationalsozialismus, werden Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen direkt von der BKM gefördert, das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors übernimmt die Vernetzung und Begleitung der geförderten Projekte. Die zweite Programmlinie – Aufarbeitung des SED-Unrechts – wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur umgesetzt. Die Stiftung EVZ setzt mit Mitteln des Auswärtigen Amtes die dritte Programmlinie um und ermöglicht Transfer von Wissen und Erinnerung im internationalen Kontext.
Das vorliegende Lernen aus der Geschichte-Magazin zieht ein Zwischenfazit der Förderphase von Jugend erinnert international bis 2022 und skizziert vielversprechende Zukunftsperspektiven der historisch-politischen Bildung für kommende Jahrgänge von Jugend erinnert-Projekten. Denn die Bundesregierung hat sich dem Ausbau des Programms verpflichtet. Die Notwendigkeiten und Bedarfe sind dabei so groß wie nie – seien es die in fast allen Ländern Europas zunehmende Diskriminierung von Minderheiten, nationalistisch orientierte Politiken, die europäisches Miteinander erschweren, oder auch der Angriffskrieg Russlands auf die demokratische Ukraine, der Grundrechte und bisherige Gewissheiten in Frage stellt. Die gute Nachricht aber ist: Das Interesse junger Menschen an Auseinandersetzung mit der Geschichte und ihr Verständnis für deren Relevanz ist ungebrochen hoch – höher noch als das der Durchschnittsbevölkerung. Und eine wache und kritische Jugend ist essenziell für ein demokratisches Miteinander.