Im Deutschen Historischen Museums ist noch bis zum 25. Oktober 2015 eine Ausstellung über das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zu sehen. Mit Europa sind die Länder Deutschland, Österreich, Tschechoslowakei, Polen, Großbritannien, Dänemark und Norwegen gemeint. Sie sollen einen möglichst umfangreichen Querschnitt repräsentieren, wie vielfältig mit den Folgen der deutschen Besatzung, der Kollaboration und der Rolle als Siegermacht umgegangen wurde.
Der Anspruch ist dabei, die zum Teil sehr unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen für sich selbst sprechen und nebeneinander stehen zu lassen. Dieser Ansatz ist aus geschichtsdidaktischer Sicht sinnvoll, insofern einem vergleichenden Blick die Konkurrenz von Geschichtskonstruktionen auffällt, die einen nationalen Herrschaftsanspruch erheben. Und in Bezug auf den Status Großbritanniens als niedergehenden Kolonialmacht könnte dies beispielsweise gelingen, wenn ein Tranceiver der zionistischen Untergrundorganisation Irgun (Objekt 62) und ein Werbeplakat für die Vereinten Nationen nicht eindeutig die Erfolgsgeschichte verkörpern, wie nach und nach eine Welt der Europäischen Union und funktionierenden globalen Institutionen entsteht (Objekt 63).
Dennoch, setzt sich ein Deutungsschema durch, dass von einer geschichtlich notwendigen Entwicklung in Richtung europäische Integration ausgeht: Der Katalogtext zu Großbritannien endet mit der Bemerkung, dass das Vereinigte Königreich sehr lange gebraucht habe, um der Europäischen Wirtschaftsunion beizutreten.
Somit bleibt fraglich, inwieweit das kuratorische Konzept geeignet ist, die Besucher/innen anzuregen eine individuelle und möglicherweise transnationale Position zu entwickeln. Letztlich erklären sich die politischen Entwicklungen zuerst in nationalen Bezügen. D. h., es schwingt die Annahme kollektiver Erfahrungen mit, anstatt die Herausbildung dieser gemeinschaftsbildenden Geschichtserzählungen nachvollziehbar zu arrangieren. Obwohl Ausstellungstexte und Objekte durchaus differenziert mit den politischen Handlungsmöglichkeiten im historischen Kontext umgehen, scheinen Widersprüche innerhalb der dargestellten Länder letztlich nur durch die Entwicklungen hin zum Kalten Krieg und zur Konfrontation von Staatssozialismus und Marktwirtschaft erklärbar.
So teilen sich die Objekte überwiegend in drei Gruppen. Sie stehen entweder für einen prekären Alltag, der z.B. an polnischen Tabletten zur Sterilisation von Wasser oder einem britischen Bezugsschein für Einrichtungsgegenstände deutlich wird. Oder sie zeigen, auf welche Weise sich Staaten, Regierungen und nationale Selbstverständnisse etablierten. Die dritte Gruppe zeigt den Umgang mit NS-Herrschaft bzw. Kollaboration. Die Chance, mit Exponaten schon bestehende Bilder und Annahmen über die Geschichte ins Wanken zu bringen, wird kaum genutzt. Individuelle Bezüge zur Geschichte und zum narrativen Charakter anhand von ausgestellten Gegenständen, Dokumenten und exemplarischen Biographien herzustellen gelingt somit nur bedingt.
Schließlich wird die gesamte Ausstellung hindurch nicht erklärt, warum Länder wie Griechenland, Italien oder das ehemalige Jugoslawien in der Ausstellung fehlen. Es fällt auf, dass deren Verhältnis zur Bundesrepublik als der Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches auch gegenwärtig sehr ungeklärt ist oder sich erst vor kurzem auf politisch-symbolischer Ebene herstellen ließ. Erinnert sei beispielsweise an die ausstehenden Rückzahlungen von Zwangskrediten an Griechenland, an die Anerkennung von Entschädigungsansprüchen ehemaliger Italienischer Militärinternierter oder die Rolle Deutschlands im Zerfall Jugoslawiens.
Noch zu sehen bis 25. Oktober 2015 im Deutschen Historischen Museum,Internet: https://www.dhm.de/ausstellungen/1945.html