In dem Kriegsgefangenenlager Sandbostel wurden seit Herbst 1941 bis zum Kriegsende etwa 60.000 sowjetische Kriegsgefangene interniert. Am Beispiel des Lagers befasst sich Godehard Weyerer in einem für den SWR produzierten Podcast mit der Situation sowjetischer Kriegsgefangener während der deutschen Gefangenschaft, der Situation der Überlebenden nach 1945 und den politischen Auseinandersetzungen um Entschädigungszahlungen in Deutschland.
Zu Beginn des Beitrages wird die Bedeutung sowjetischer Kriegsgefangener im Kontext der deutschen Kriegsgefangenschaft eingeordnet. Dabei wird auf die rassenideologische Dimension der deutschen Strategie in Bezug auf die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener hingewiesen. Neben einer Beschreibung der katastrophalen Bedingungen, unter denen die Rotarmisten in den Lagern lebten, werden auch jene Entwicklungen beschrieben, die schließlich zu einer leichten Verbesserung der Lebenssituation der sowjetischen Lagerinsassen führten: Aufgrund des Arbeitskräftemangels in der Rüstungsindustrie wurde ab dem Frühjahr 1942 versucht, die Sterberate unter den Gefangenen etwas zu senken. Davon profitierten allerdings lediglich diejenigen Gefangenen, die in der Lage waren zu arbeiten. Nichtarbeitende Gefangene hatten hingegen nach Anordnung der Wehrmachtsführung zu verhungern – der massenhafte Tod der sowjetischen Gefangen war Teil des nationalsozialistischen Kalküls.
Die allgemeinen Informationen über die Situation der sowjetischen Kriegsgefangenen in Sandbostel und den anderen rund 5.000 deutschen Kriegsgefangenenlagern werden in dem Podcast durch Berichte einiger Überlebender ergänzt, die anhand persönlicher Erfahrungen über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gefangenen berichten. In den Erzählungen der Protagonisten spielt insbesondere die entsetzliche Ernährungslage in den Lagern eine herausragende Rolle.
In diesem Zusammenhang erläutert Weyerer die Problematik der völligen Missachtung der Genfer Konventionen durch die Wehrmacht. Während Gefangene anderer Nationalitäten sich zumindest ansatzweise auf die Regelungen des Abkommens beziehen konnten, waren die sowjetischen Gefangenen den lebensfeindlichen Vorgehensweisen der Wehrmacht schutzlos ausgesetzt.
Neben der historischen Dimension beleuchtet der Podcast außerdem die Situation der Überlebenden nach 1945. In den Regelungen über Entschädigungszahlungen durch die Stiftung EVZ wurden ehemalige sowjetische Kriegsgefangene nur dann berücksichtigt, wenn sie sich im Laufe ihrer Gefangenschaft in einem Konzentrationslager aufgehalten hatten. Um die besondere Situation der sowjetischen Gefangenen im Kontext der deutschen Kriegsgefangenschaft anzuerkennen und den Opfern späte Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen, kämpfen heute einige Vereine und Hinterbliebene um eine Korrektur der offiziellen Auffassung. Die verschiedenen Akteure werden in dem Beitrag vorgestellt. Sie geben einen Einblick in die vielseitigen Bemühungen der Aufarbeitung, Entschädigung und der Entstehung eines würdigen Gedenkens an den ehemaligen Leidensorten. Ein bemerkenswertes Beispiel für ein solches Engagement findet sich außerdem in dem Beitrag von Eberhard Radczuweit in dieser Magazinausgabe.
Der Podcast eignet sich hervorragend, um sich mit Schüler/innen dem Thema Kriegsgefangenschaft im NS zu nähern. Der 30-minütige Beitrag verbindet auf stimmige Weise Informationen mit persönlichen Berichten von Überlebenden und schafft so eine lebendige Auseinandersetzung mit der Thematik. Die Audiodatei kann auf der Homepage des SWR2 kostenlos heruntergeladen werden.