Die Orte der „Euthanasie“-Verbrechen sind heute als Gedenk- und Lernorte gestaltet. Vor allem Schulklassen besuchen immer wieder Gedenkstätten um sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Gedenkstätte Hadamar hat zusammen mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen Unterrichtsvorschläge zur Vor- und Nachbereitung eines Gedenkstättenbesuches sowie Materialien für den Aufenthalt an diesem Ort entwickelt. Die zusammengestellten Dokumente richten sich vor allem an Lehrerinnen und Lehrer, die im Unterricht die Thematik NS-„Euthanasie“ behandeln, aber auch an diejenigen, die einen Besuch in Hadamar vorbereiten. Darin liegt auch das Ziel der Handreichung: Der Besuch in der Gedenkstätte soll nicht der Einstieg in das Thema sein, sondern soll Gespräche und Diskussionen anregen und benötigt daher Vorwissen, welches durch die hier vorgestellten Materialien gewonnen werden kann. Die Schüler/ innen sollen zudem auf die Konfrontation mit dem Ort, insbesondere den Gaskammern und den Resten der Krematorien, vorbereitet werden.
In einem einleitenden Text stellt Peter Sandner den historischen Ort und die Gedenkstätte vor. Daneben beschreibt er auch die pädagogischen Angebote für unterschiedliche Besuchendengruppen. Regine Gabriel präsentiert im zweiten Teil verschiedene Unterrichtsvorschläge, die im Weiteren noch ausführlich vorgestellt werden. Zum Abschluss untersucht Bärbel Maul historische Biologielehrbücher in denen die nationalsozialistische Rassenpolitik eindeutig zu erkennen ist. Zusätzlich beinhaltet die Publikation weitere Kopiervorlagen mit Karten und Grafiken sowie Textdokumenten.
Die einzelnen Unterrichtseinheiten sind jeweils für eine Doppelstunde konzipiert und stets nach demselben Schema aufgebaut. Es finden sich in der Zusammenstellung einführende Informationen für Lehrer/innen, methodisch-didaktische Überlegungen zum Thema, eine Beschreibung der Lernziele, Verlaufsvorschläge für den Unterricht, weiterführende Literatur zur Vorbereitung sowie die kopierfertigen Arbeitsblätter. Die Unterrichtsreihe ist in fünf thematische Punkte gegliedert. So kann zur Hinführung zu der Thematik zuerst über Vorurteile gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten gesprochen werden, aber auch die Funktionsmechanismen der nationalsozialistischen Propaganda können anhand von Bildmaterial untersucht werden. Eine weitere Unterrichtseinheit leitet in das Thema NS-„Euthanasie“ ein und konkretisiert es am Beispiel der Tötungsanstalt in Hadamar. In einem kurzen abschließenden Unterrichtsvorschlag werden Hinweise zur Arbeit mit Überlebenden oder deren Angehörigen gegeben. Die fünf thematischen Einheiten müssen nicht in dieser Reihenfolge durchgeführt werden, ebenso ist auch nur eine Auswahl möglich. Im Folgenden soll beispielhaft die Unterrichtseinheit zum Gedenkstättenbesuch in Hadamar betrachtet werden.
Die Autorin Regine Gabriel beschreibt im einleitenden Text die politischen und ideologischen Hintergründe der „T4-Aktion“ und legt dann den Fokus auf die Tötungsanstalt Hadamar. In ihren methodisch-didaktischen Überlegungen findet sich ein exemplarischer Ablauf für den Besuch der Gedenkstätte. Besonders wichtig ist ihr der behutsame Umgang mit den Eindrücken aus den Kellerräumen, da dort die ehemaligen Gaskammern und die Reste der Krematorienöfen zu sehen sind. Das Lernziel des Gedenkstättenbesuchs in Hadamar soll das Kennenlernen des historischen Ortes sein, aber gleichzeitig auch eine Diskussion über gegenwärtige Vorurteile gegenüber Menschen mit Lernschwierigkeiten anregen. Die ausgewählten Dokumente der Unterrichtseinheit sind die Predigt des Bischof Clemens August Graf von Galen und ein Brief des Limburger Bischofs Antonius Hinrichs an den Reichsjustizminister Franz Gürtner. Mit diesem Material wird auf den katholischen Protest gegen die Morde hingewiesen und die Argumentation der Bischöfe hinterfragt. Die Jugendlichen sollen den Text anhand von Fragen erarbeiten und sich eine eigene Meinung bilden. Weitere Dokumente sind gerichtliche Aussagen und offizielle Stellungnahmen von Täterinnen und Tätern, die von den Schüler/innen hinsichtlich der verwendeten Sprache und dem Rechtfertigungsmuster analysiert werden sollen. Mit Hilfe von möglichen Fragen an die Texte und einer Aufforderung zur Meinungsbildung soll eine Diskussion im Unterricht oder in der Gedenkstätte angeregt werden.
Das vorgestellte Unterrichtsmaterial wurde für die dritte Auflage 2005 kaum grafisch überarbeitet und bedürfte dementsprechend eines zeitgemäßen Layouts. Offizielle Dokumente wie Gesetze, Bestimmungen, Aussagen vor Gericht, Bilder aus Schulbüchern dominieren die hier vorgestellten Materialien. Die Perspektiven der Opfer, der Überlebenden und deren Angehörigen sind kaum vorhanden. Lediglich die Biografien von zwei verfolgten Frauen werden kurz vorgestellt. Dennoch bietet die Fülle an Dokumenten und möglichen Diskussionsfragen sowie das zusätzliche Karten- und Bildmaterial eine gute Grundlage für Lehrer/innen, die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde im Unterricht zu besprechen und einen Besuch in der Gedenkstätte Hadamar vorzubereiten.
Das Unterrichtsmaterial kann über den Landeswohlfahrtsverband Hessen für 5 Euro bestellt werden.
Auch die Gedenkstätten Grafeneck und Bernburg haben Unterrichtsmaterial bzw. Quellenmaterial zur NS-”Euthanasie” herausgegeben, ebenso wie die Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus.