Wrocław 29.01.2010. „Ich würde einen Brief an Sie schreiben Herr Strauss; wenn ich nur Worte finden könnte“, rezitiert Michał Eggert sein Gedicht. „Ich würde diesen Brief anreichern mit etwas, was unterstützt, tröstet, beruhigt. Ich würde fette Worte wählen, mit Vitaminen, Eiweiß und Kohlehydraten, die den ewigen Hunger lindern würden, Herr Strauss.“ Auf diese und andere Weise haben junge Deutsche und Polen im April 2009 ihre Sprachlosigkeit bei einer Schreibwerkstatt im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz überwunden. Sie haben gemeinsam zum Thema „Tätersprache – Opfersprache“ gearbeitet. Für ihr Engagement zu einem so schwerwiegenden Thema und die überaus bewegenden Worte, die sie dann gefunden haben, wurden die Jugendlichen jetzt ausgezeichnet mit dem Deutsch-Polnischen Jugendpreis 2009, den das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) alle drei Jahre vergibt. „Erinnerung bewahren – Zachować pamięć“ lautete das Thema – in Anlehnung an die zahlreichen Gedenkanlässe aus der deutsch-polnischen Geschichte im Jahr 2009.
Aus der Hand von Staatssekretär Josef Hecken aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und seinem polnischen Amtskollegen Krzysztof Stanowski aus dem Ministerium für Nationale Bildung (MEN) nahmen die jungen Literaten die Auszeichnung in der Kategorie Außerschulischer Jugendaustausch bei einer Feierstunde in Wrocław (Breslau) entgegen. Der Preis ist mit 4000 Euro (je 2000 für den deutschen und den polnischen Partner) dotiert und soll dazu animieren, künftig weiter derart qualifizierte deutsch-polnische Projekte zu organisieren.
In der Kategorie Schulaustausch erhielt das deutsch-polnisch-bosnische Projekt „Freund oder Feind“ den Deutsch-Polnischen Jugendpreis. Die Schüler aus dem niedersächsischen Syke, Toruń (Thorn) und aus Sarajevo analysierten während einer Jugendbegegnung Filme, die über die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in den 80er und 90er Jahren in ihren jeweiligen Ländern berichten. Nach vielen Diskussionen und Gesprächen wollen sie einen eigenen Film drehen, der jungen Menschen helfen soll, die jüngsten Ereignisse in Europa und ihre Bedeutung besser zu verstehen. Auch diese Partner erhielten je 2000 Euro für ein Folgeprojekt – das in diesem Fall bereits im Entstehen ist.
Sachpreise für drei Projekte
Darüber hinaus ehrten die Staatssekretäre Hecken und Stanowski noch drei weitere
Projekte, die mit Sachpreisen dotiert waren. Für ihre lebendige Ausstellung „Common past, common future, looking for a dialogue“, ein deutsch-polnisch-ukrainisches Projekt im außerschulischen Austausch, wurden junge Menschen der Deutsch-Polnischen
Jugendakademie Münster, des Europäischen Begegnungshauses Nowy Staw aus Lublin sowie aus Luck in der Ukraine geehrt.
Die Adolf-Reichwein-Schule Heusenstamm, die Georg-Büchner-Schule Rodgau und das Allgemeinbildende Schulzentrum Iława haben mit ihren Jugendlichen festgestellt, dass Geschichte durchaus zum Anfassen sein kann und nicht trocken und langweilig sein muss. In eher ungewöhnlichen Darstellungsformen wie Theaterszenen und Comics haben sie sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander gesetzt. Hierfür erhielten sie einen der beiden Sachpreise in der Kategorie Schulaustausch.
„Keine leichten Fragen, keine leichten Antworten“ haben sich Schüler der Theodor-Heuss-Realschule Uelzen und der Kreisschule Nr. 10 für Mechanik und Elektro aus Kęty gestellt. Um die Ereignisse und Folgen des Zweiten Weltkriegs ging es in ihrem Projekt, bei dem sie viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt und daraus eine durchaus anschauliche Dokumentation erstellt haben.
Deutsch-Polnische Jury beriet gemeinsam Ausgewählt wurden die Preise von einer Jury, in der deutsche und polnische Historiker, Journalisten, Bundestags- und Sejm-Abgeordnete, die DPJW-Geschäftsführer sowie Vertreter der zuständigen Ministerien und des Deutsch-Polnischen Jugendrates zusammen berieten. Insgesamt waren 59 Bewerbungen für den Preis eingegangen. „Beeindruckt war die Jury vom Engagement der Jugendlichen, von der Bandbreite außergewöhnlicher Präsentationsformen wie Theaterszenen, Comics, Lyrik oder einer lebendigen Ausstellungsform, wie auch von der Tatsache, dass einige trilaterale Projekte am Wettbewerb teilnahmen“, erklärte DPJW-Geschäftsführer Paweł Moras.
Verliehen wird der Preis alle drei Jahre im Rahmen der Sitzung des DPJW Aufsichtsgremiums, des Deutsch-Polnischen Jugendrates, der diese Auszeichnung 2004 initiiert hat. Der Jugendrat tagte am 28. und 29. Januar unter der gemeinsamen Leitung der Staatssekretäre Josef Hecken und Krzysztof Stanowski in Wrocław (Breslau). Darüber hinaus zählen 22 weitere Mitglieder aus beiden Ländern zum Deutsch-Polnischen Jugendrat – jeweils fünf Vertreter von Regierungs- und Regionalverwaltungsseite und je sechs Vertreter von Organisationen aus der Jugendarbeit. Sie bestätigen gemeinsam u. a. den Haushalt und den Jahresplan des Jugendwerks für das Jahr 2010.
Das Deutsch-Polnische Jugendwerk wurde 1991 von den Regierungen Deutschlands und Polens gegründet und wird von ihnen finanziert. Das Jugendwerk fördert Begegnungen junger Menschen aus beiden Ländern, organisiert Schulungen, Konferenzen und Weiterbildungsprogramme. 2009 verfügte das DPJW über ein Budget in Höhe von 9,2 Millionen Euro. Im Verlauf des vergangenen Jahres konnte sich das DPJW über den zweimillionsten Teilnehmer an deutsch-polnischen Projekten freuen – eine Tatsache, die das anhaltende Interesse junger Menschen zeigt, ihre gleichaltrigen Kollegen von der anderen Oderseite kennen zu lernen.