Ernest Hemingway bei der Arbeit an seinem Buch „Wem die Stunde schlägt“ (For Whom the Bell Tolls), Idaho 1939, WikiCommons CC
Ernest Hemingway (1899–1961) gilt als Meister der Kurzgeschichte und als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Sein Stil zeichnet sich durch eine Kunst des Weglassens aus, durch präzise Wortwahl und einen lakonischen Erzählton, eine Kunst, für die er selbst in einer vielzitierten Passage das Bild des Eisberges prägte:
„Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier gebracht. Ein Eisberg bewegt sich deshalb so anmutig, weil sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet. Ein Schriftsteller allerdings, der Dinge auslässt, weil er sie nicht kennt, macht lediglich hohle Stellen in sein Schreiben.“ (vgl. Death in the Afternoon, [Tod am Nachmittag], chapter 16, Charles Scribner’s Sons, New York 1932, 192).
Der eigentliche Bedeutungsgehalt einer Erzählung sollte sich also durch die eigene Vorstellungskraft und Erfahrung erschließen; ein Erzählmodell, welches im Filmkommentar zu „The Spanish Earth“ auch unüberhörbar Hemingways eigene Erfahrungen als Spanienkämpfer umfasst, die ihn „empathisch“ und poetisch verknappt auftreten lassen, ohne den Zuhörer parteipolitisch oder pathetisch zu vereinnahmen.
Zitate aus dem Film
Ernest Hemingway (Mitte), Joris Ivens (links) und Ludwig Renn (Chef der XI. Internationalen Brigaden) 1936/37, BA, Bild 183-84600-0001 / CC-BY-SA 3.0
„Death comes each morning to the people of this town.“
(„Der Tod kommt jeden Morgen zu den Menschen dieser Stadt.“)
Szene: Ein toter Mann, der auf dem Bordstein liegt:
„This is a man who had nothing to do with war. A bookkeeper on the way to his office at 8 o’clock … So now they take the bookkeeper away. But neither to his home nor to his office.“
(„Dies ist ein Mann, der nichts mit dem Krieg zu tun hat. Ein Buchhändler, um 8 Uhr auf dem Weg in sein Büro ... Und nun tragen sie den Buchhändler weg. Aber weder nach Hause noch ins Büro.“)
Szene: Aufmarsch von unterschiedlichen Zivilisten in Madrid, vorneweg ein Fahne tragender Junge:
“Recruiting is speeded up by the bombardment. Every useless killing angers the people. Men from all businesses, professions and trades enlisted in the Republican Army.”
„Die Rekrutierung wird durch das Bombardement beschleunigt. Jedes sinnlose Töten erzürnt die Leute. Männer aus allen Unternehmen, Berufen und Branchen lassen sich in die Republikanische Volksarmee einschreiben.“
Szene: Abschied eines republikanischen Soldaten von seiner Frau oder Freundin:
„… the old goodbyes, that sound the same in any language. She says she’ll wait, he says he’ll come back, he knows she’ll wait. Who knows for what, where the shelling is … nobody knows if he comes back. ‘Take care of the kid’, he says. ‘I will’, she says and knows she can’t. They both know that when they move you out in trucks, it’s to a battle.“
(„Die alten Abschiede klingen in jeder Sprache gleich. Sie sagt, sie wird warten, er sagt, er wird zurückkommen, er weiß, sie wird warten. Wer weiß auf was, wo das Granatfeuer ist ... niemand weiß, ob er zurückkommt. ‚Pass auf das Kind auf’, sagt er. ‚Das werde ich’, sagt sie, und weiß, dass sie es nicht vermag. Sie beide wissen, wenn man in Lastwagen ausrückt, geht es in den Krieg.“)
Standbild aus dem Film – während des Spanischen Bürgerkrieges entstanden erstmals in großer Zahl Bilder von Flüchtlingen
Szene: Evakuierung von Zivilisten aus der belagerten Stadt, Nahaufnahmen besorgter Gesichter:
„But where will we go? Where can we live? What can we do for a living?“
(„Wohin werden wir gehen? Wo können wir leben? Von was sollen wir leben?“)
Szene: Madrid wird beschossen, die Menschen fliehen, eine Frau fällt zu Boden:
„The smell of death is acrid high explosive smoke and blasted grenade.”
(„Der Geruch des Todes besteht aus scharfem hochexplosiven Rauch und explodierten Granaten.“)
Szene: Nach einem Angriff laufen die Menschen, zum Teil verletzt, über Straßen und Plätze:
„Why do they stay? They stay because this is their city. These are their homes. Here is their work. This is their fight, the fight to be allowed to live as human beings.”
(„Warum bleiben sie? Sie bleiben, denn dies ist ihre Stadt. Es ist ihr Zuhause. Hier ist ihre Arbeit. Dies ist ihr Kampf, der Kampf als Menschen leben zu dürfen.")
Szene: Das Dorf und Geräusche sich nähernder deutscher und italienischer Jagdbomber:
„Before, death came when you were old or sick. But now it comes to all to this village […], high in the sky and shining silver.“
(„Früher kam der Tod, wenn man alt oder krank war. Aber nun kommt er zu allen in diesem Dorf ... vom Himmel hoch und silbern glänzend.“)
Szene: Abgeschossenes deutsches Junker-Flugzeug und toter Pilot:
„We took those statements from the dead but all the letters that we read were very sad.“
(„Wir hatten keine Erklärung von den Toten, aber die Briefe, die wir lasen, waren sehr traurig.“)
Szene: Kriegsführung auf kargem Gelände, Panzer steigen eine staubige Straße hinauf:
„The men in echelon in columns of six in the ultimate loneliness of what is known contact. Each man knows there is only himself and five other men. Before him all the great unknown. […] six men go forward into death, walk across a stretch of land and by their presence on it proof ‘this land is ours’.“
(„Die Männer, gestaffelt in Sechserreihen, in der ultimativen Einsamkeit dessen, was [Boden]Kontakt hieß. Jeder weiß, es gibt nur ihn selbst und fünf andere Männer. Vor ihm das große Unbekannte. [...] sechs Männer rücken vor in den Tod, laufen über ein Stück Land und beweisen durch ihre Präsenz ‚dieses Land gehört uns’.“)
Letzte Szene: Das fertige Bewässerungsprojekt im Dorf, das Wasser fließt jetzt in gefurchtes Land:
„The men who never fought before, who were never trained in arms; who only wanted work and food, fight on.“
(„Die Männer, nie zuvor gekämpft, nie an Waffen ausgebildet, die nur Arbeit und Essen wollten, kämpfen weiter.“)