Im Dezember 1936 schlossen sich mehrere Literaten, darunter Lillian Hellman, Ernest Hemingway, John Dos Passos, Dorothy Parker und Archibald MacLeish, zu einem Unternehmen mit dem Namen Contemporary Historians, Inc. (zeitgenössische Historiker) zusammen. Sie unterstützten ein Filmprojekt, das der niederländische Regisseur Joris Ivens vorgeschlagen hatte. Ziel war es, die amerikanische Regierung und die westlichen Länder von ihrer im Mai 1937 getroffenen Einigung abzubringen, sich in Spanien nicht einmischen zu wollen (Nichteinmischungsabkommen). Der Film sollte die Bemühungen der republikanischen Kräfte propagandistisch herausstellen, um für Unterstützung zu werben, zum Beispiel für eine Aufstockung von Ambulanzfahrzeugen, aber auch im politischen Handeln. Denn die faschistischen Rebellen würden sonst, mithilfe der ebenfalls faschistischen Länder Deutschland und Italien, die demokratischen Kräfte in Spanien und womöglich sogar europaweit zerstören.
Foto von den Dreharbeiten, Joris Ivens Archive
Die Dreharbeiten begannen Ende Januar 1937. Der Text des Kommentators stammt aus der Feder der beiden Schriftsteller und Freunde John Dos Passos und Ernest Hemingway, wobei sich Hemingway mit seinen Vorstellungen am Ende durchsetzte. Der Kommentar wurde von Orson Welles eingesprochen, doch schließlich befanden die Beteiligten, dass Hemingways Stimme und Sprechweise besser geeignet wäre, den eigenen Text zu sprechen.
Der gesamte Ton musste, unter großem Zeitdruck, im Studio nachproduziert werden, unter anderem mithilfe von Nägeln, dem Aufpumpen eines Fußballs, den rückwärts abgespielten Aufnahmen eines Erdbebens in San Francisco und Grammophonplatten mit katalanischer Musik.
Vor seiner Premiere wurde der Film im Weißen Haus vor Präsident Franklin D. Roosevelt und Eleanor Roosevelt gezeigt, zu diesem Zeitpunkt noch mit der Stimme Orson Welles’.
Die Premiere fand am 12. Juli 1937 im spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung statt, dort, wo auch Pablo Picassos Bild „Guernica“ ausgestellt wurde.
Picassos Grußwort, das er zur Vorführung des Films „The Spanish Earth“ am 19. Dezember 1937 auf dem amerikanischen Künstlerkongress in New York übermittelte, fasst die politische Dimension der teilnehmenden Kriegsberichterstattung zusammen: „Es ist mein Wunsch, Sie zu diesem Zeitpunkt daran zu erinnern, dass ich immer glaubte, und noch immer daran glaube, dass Künstler, die mit spirituellen Werten leben und arbeiten, nicht gleichgültig bleiben können und dürfen in einem Konflikt, bei dem die höchsten Werte der Menschheit und der Zivilisation auf dem Spiel stehen.“ (zit. i. Alfred H. Barr: Picasso. Fifty Years of his Art, New York 1966, 264, Übersetzung Constanze Jaiser).
Der Film stieß in den USA und auch in anderen Ländern auf großes Interesse; er spielte 35.000 Dollar an privaten Spenden ein, und die Stimmung neigte sich den republikanischen Kräften zu. Doch zu einer Änderung der Regierungspolitik kam es nicht.
Filmplakat, Joris Ivens Archive
Inhalt und ästhetische Gestaltung des Films
Insgesamt handelt es sich bei dem Film „The Spanish Earth“ um sechs Filmrollen (sogenannte Reels) von je etwa 9-10 Minuten Länge (gesamt: 53:56 Min.):
- Reel 1: Bauern bearbeiten karge Erde, Brotverteilung, Armut
- Reel 2 (ab 7:55 min): Mobilisierung und Alltag im Krieg, Verteidigung Madrids
- Reel 3 (ab 17:35 min): Das „neue Spanien“ (führende Persönlichkeiten sprechen)
- Reel 4 (ab 24:45 min): Verteidigung Madrids, Zivilopfer; Evakuierung, aber wohin? Die Dorfbewohner in Fuentidueña bauen am Wassergraben
- Reel 5 (ab 34:25 min: Mobilmachung der Dorfbewohner durch den Bauern und Soldaten Julian; Angriffe durch deutsche und italienische Flieger
- Reel 6 (ab 43:00 min): Kampf an der Valenciastraße und der Brücke über den Jaramafluss, Verletzte, aber auch Sieg; das Bewässerungssystem im Dorf wird erfolgreich vollendet
Der Film bewegt sich in zwei Szenarien: Zum einen folgt er den Bewohner_innen des Dorfes Fuentidueña de Tajo, die ein karges Leben führen, Brot backen, auf dem Feld Wäsche trocknen und versuchen, die Bewässerung der Felder zu bewerkstelligen, um sich selbst versorgen zu können. Zum anderen werden Szenen der Mobilisierung für den Kampf zur Verteidigung Madrids gezeigt, der Kampf um die von den Rebellen eingenommene Universität, aber auch Soldatenalltag beim Essen, Lesen, Haare schneiden sowie Impressionen von Frauen und Kindern, die evakuiert werden sollen. Nicht nur gegen die franquistischen Putschisten kämpft die republikanische Armee, sondern, wie die gefilmten Luftangriffe dokumentieren, auch gegen die deutschen und die italienischen Truppen, die von Beginn an massiv in den Spanischen Bürgerkrieg eingegriffen hatten. Einer der spanischen Soldaten kehrt nach Fuentidueña zurück, um dort die jungen Männer seines Heimatdorfes – konkret, aber auch symbolisch – vom Pflug ans Gewehr zu führen. Der Wechsel von Dorf und Stadt ist als dialektische Bewegung angelegt: Karge Felder versus städtische Plätze, Feldwege versus Straßen, Wassergräben versus Schützengräben, Wasser versus Blut, das Öffnen der Felder (Bewässerungsgräben) versus das Freikämpfen des Zugangs zur Stadt Madrid.
Der Tenor des Filmes ist eindeutig kommunistisch. So tauchen beispielsweise wichtige republikanische und kommunistische Führer im Film auf, die allerdings weder eingeführt noch in einen politischen Kontext gestellt werden.
Die im Film (Reel 2) auftretenden bekannten Persönlichkeiten sind:
- Manuel Azaña, spanischer Präsident
- José Díaz, Gewerkschafter und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens.
- Dolores Ibárruri, kommunistische Führerin, genannt „La Pasionaria“, die den Ausruf prägte „No pasaran!“ („Sie sollen nicht durchkommen!“).
- Martinez de Aragón, Kommandant der republikanischen Armee (2. Brigada mixta), der während Dreharbeiten im Kampf fiel.
- Enrique Líster Forján, militärischer Führer, der maßgeblich die vor allem aus kommunistischen Milizeinheiten bestehenden Formation des Fünften Regimentes aufbaute.
- Gustav Regler, deutscher Schriftsteller und Spanienkämpfer, dessen zunehmend antikommunistische Haltung dazu führte, dass sein Auftritt in der späteren DDR-Fassung des Films herausgeschnitten wurde.
Mehrfach ist die Rede vom Aufbau eines „neuen Spaniens“ – der Film hatte den Anspruch, eine Verbindung zu schaffen zwischen der Revolution auf dem Land und der Verteidigung der Republik. Diesen löst er nur zum Teil ein. Obwohl im Dorf Fuentidueña eine kollektive Landreform durchgeführt worden war und das brachliegende Land nun gleichberechtigt von zehn Familien in Eigenregie bewirtschaftet wurde, fehlen im Film genauere Informationen zu dieser sozialen Revolution, wie sie vor allem von anarchistischer Seite proklamiert wurde. Auch der junge Julian, der als Bauernsohn und Soldat einen roten Faden zwischen den beiden Schauplätzen bilden sollte, ist am Ende im Film nur noch in wenigen Szenen zu sehen – laut Regisseur sei es angesichts der Kriegslage nicht möglich gewesen, den jungen Mann ausreichend oft vor die Kamera zu bekommen (vgl. Joris Ivens Archive). Dem Regisseur ging es um ein „idealisierte Vorstellung des republikanischen Soldaten und des Spanien-Krieges, den er zum Modellkonflikt zwischen Demokratie und Faschismus stilisierte“ (Gerhard Paul, 2004, 198).
The Spanish Earth (1937)
Regie: Joris Ivens
Kamera: John Ferno
Text und Sprecher: Ernest Hemingway
Literatur
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Joris Ivens Archive (16.03.2016)
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Lawrence French. The clash of the titans, Juli 2007, wellesnet. The Orson Welles Web Resource (16.03.2016)
Zu ausgewählten Zitaten aus dem Filmkommentar von Ernest Hemingway