„Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“
Von Markus Nesselrodt
Die anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes eröffnete Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ war zwischen 1995 und 1999 in Dutzenden Städten Deutschlands und Österreichs zu sehen. Konzipiert und inhaltlich betreut vom Hamburger Institut für Sozialforschung wurde sie schnell zum Gegenstand heftiger kontroverser Debatten um die Rolle der deutschen Armee im nationalsozialistischen Krieg gegen die Sowjetunion. Gottfried Kößler hat dazu für das Frankfurter Fritz Bauer Institut eine Broschüre zur schulischen Vor- und Nachbereitung eines Ausstellungsbesuches erarbeitet. Obwohl das Heft aus dem Jahr 1997 stammt und die Ausstellung seit 2004 nicht mehr öffentlich zu besichtigen ist, beinhaltet es noch immer zahlreiche relevante und aktuelle Anregungen für den Unterricht zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion.
Kößler schreibt in seinen einführenden Bemerkungen, dass es Ziel der Broschüre sei, eine ergänzende Hilfestellung für Schülerinnen und Schüler zu sein. Ein Besuch der Ausstellung lasse die Jugendlichen zu sehr mit ihren Fragen und Gedanken allein, weshalb ihm eine Vor- und Nachbereitung im schulischen Unterricht sinnvoll erscheint. Zudem weist Kößler auf ein Problem hin, das eher selten in der Schule thematisiert wird: Lehrerinnen und Lehrer mit längerer Berufserfahrung haben in der Regel eine familiäre Beziehung zur Kriegszeit, sei es durch die Eltern oder die Großeltern. Junge Menschen verfügen über diesen sehr persönlichen Zugang zum Zweiten Weltkrieg nicht mehr, weshalb ein anderes Erarbeiten dieser, oftmals sehr fern liegenden, Geschichte notwendig sei. Ein Blick auf die öffentliche Debatte zur Ausstellung und ihre Reaktionen zeigt deutlich, dass weiterhin Klärungsbedarf zwischen den Generationen besteht – und zudem, wie wichtig eine gründliche historische Aufarbeitung des Nationalsozialismus war und weiter ist.
Die Unterrichtsmaterialien verstehen sich als Bausteine, mit deren Hilfe Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden sollen, auf der Grundlage eines soliden historischen Wissens eigene Fragen an die Ausstellung zu entwickeln. Folglich ist ein Einsatz der Broschüre sowohl in der Sekundarstufe I als auch II möglich. Je nach Vorwissen und Alter bieten sich anschließend unterschiedliche Schwerpunkte für den Unterricht an.
Im ersten Teil des Heftes finden sich Anregungen für die Vorbereitung und den Besuch der Ausstellung. Ergänzend können die folgenden Zeitungsartikel, Leserbriefe und das Protokoll einer Bundestagsdebatte vom 13. März 1997 besprochen werden, die einen guten Überblick über die öffentliche Ausstellungsrezeption geben. Der zweite Teil des Heftes versammelt dann vor allem Originalquellen wie interne Wehrmachtskorrespondenz, Befehle und Anweisungen an die Offiziere und Feldpostbriefe. Zeigen erste Dokumente die klare Verantwortlichkeit der Wehrmachtsführung für die Verbrechen des Hitler-Regimes, so legen letztere Textauszüge eindrucksvoll Zeugnis von der Beteiligung bzw. vom Mitwissen der Soldaten im Vernichtungskrieg ab.
Ergänzt von Karten des Frontverlaufs und einem anregenden Text aus der Wochenzeitung Die Zeit zur Frage des Erinnerns stellt das Heft eine sehr sinnvolle Ergänzung für den Unterricht zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion dar. Besonders überzeugt die Zusammenstellung der Quellen, die Wert auf eine Vielzahl beteiligter Akteure legt und dennoch niemals Zweifel an Schuld und Verantwortung für die verübten Verbrechen entstehen lässt. So wird eine sachliche Diskussion auf der Grundlage eines guten historischen Wissens möglich, vorausgesetzt die Lehrkraft nimmt sich ausreichend Zeit für diesen Austausch. Die in der Ausstellung dargestellte Grausamkeit der Wehrmachtsverbrechen kann Jugendliche leicht überfordern und auf diese Weise nachhaltiges historisches Lernen eher verhindern. Da die Ausstellung seit einigen Jahren nicht mehr öffentlich gezeigt wird, kann das vorgestellte Heft kann hier unterstützend eingreifen und gleichzeitig helfen, die Jugendlichen mit ihren Fragen und Gedanken zum Krieg gegen die Sowjetunion ernstzunehmen.
Sie können das Heft gegen ein geringes Entgelt beim Fritz Bauer Institut bestellen. In Kürze soll die Broschüre auch in digitaler Form als pdf-Dokument veröffentlicht werden.
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- 8 Jun 2011 - 12:59