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Zwangsarbeit im Nationalsozialismus - Möglichkeiten des Erinnerns

Lernort Heimatmuseum Bisingen: Rückblick und Ausblick

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Hanne Grunert, M.A. betreut seit 2005 als ‚geringfügig Beschäftigte’ das Heimatmuseum Bisingen gemeinsam mit dem Verein Gedenkstätten KZ Bisingen e.V.

Hannelore Grunert

Wenn eine kleine Gemeinde am westlichen Rand der Schwäbischen Alb zwischen Tübingen und Balingen über 14 Jahre hinweg ein Heimatmuseum mit einer Ausstellung über Ölschiefer und Zwangsarbeit unterhält, ist nicht mit einem täglichen Besucheransturm zu rechnen. Doch jenseits der sonntäglichen Öffnungszeiten gibt es viel zu tun - und tut sich viel.

Einziges Thema des Bisinger Heimatmuseums ist ein kurzes Kapitel der Bisinger Geschichte: Das Unternehmen "Wüste" sollte der deutschen Kriegswirtschaft kurz vor Kriegsende noch den so dringend benötigten Treibstoff aus dem am Albrand vorkommenden Posidonienschiefer verschaffen - ein irrwitziges Unterfangen.  Unter unmenschlichen Bedingungen leisteten KZ-Häftlinge in zehn Schieferwerken Zwangsarbeit. Erst im Februar 1945 floss Öl, genauer: verunreinigter, minderwertiger Ölschlamm, der nur für wenige Traktorenmotoren zu gebrauchen war. Mitte April 1945 wurde in allen "Wüste"-Werken die Produktion eingestellt.

"Vernichtung durch Arbeit" hieß das ungeschriebene Motto dieser Lager,  Aussenlager des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsass.  Etwa 1700 Häftlinge kamen zwischen August 1944 und April 1945 allein in Bisingen, dem "Wüste"-Werk 2,  ums Leben.

Seit Beginn der 80er Jahre, als die Juso-Gruppe Bisingen über das ehemalige KZ zu recherchieren begann, bis Anfang der 90er Jahre, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus schien vor der eigenen Haustür angekommen zu sein,  hatte sich einiges bewegt. Vereine und Initiativen, die mit ihrer Erinnerungsarbeit Zeichen gegen das Vergessen zu setzen suchten,  hatten bisher kaum Unterstützung von ihren Kommunen erhalten. Auch von Seiten der Bevölkerung hielt sich die Auskunftsbereitschaft über die NS-Zeit in Grenzen.  Doch langsam begannen Institutionen der politischen Bildung die Arbeit lokaler Geschichtsinitiativen zu fördern und vernetzen. In Bisingen gelang es, eine Historikerin zu engagieren, die innerhalb kürzester Zeit eine Ausstellung über das KZ Bisingen erarbeitete und im 1996 neu eröffneten Heimatmuseum präsentierte. Seit Herbst 1998 ergänzt ein Geschichtslehrpfad über das Gelände des ehemaligen Ölschieferwerks, über das Lagergelände und den KZ-Friedhof die Ausstellung im Heimatmuseum.

Die pädagogische Arbeit begann mit einem Schlüssel, den interessierte Lehrerinnen und Lehrer sich gelegentlich im Rathaus der Gemeinde abholen konnten, um sich mit ihrer Klasse selbst im Heimatmuseum umzusehen. Mitglieder eines „Gesprächskreises“ boten erste  Führungen an und suchten gelegentlich mit kleinen Projekten die beiden Bisinger Schulen auf.

Zehn Jahre nach der Eröffnung des Heimatmuseums wurde die Ausstellung, die bis dahin den Titel „Schwierigkeiten des Erinnerns“ trug, umgestaltet. Immer mehr Schulkassen kamen und ein Raum, in dem es sich mit diesen Gruppen arbeiten ließ, wurde dringend benötigt.

In der Ausstellung und auf dem Geschichtslehrpfad lassen sich viele Aspekte der nationalsozialistischen Politik und ihre Auswirkungen auf den Alltag verdeutlichen.  Ausstellungsobjekte, aber auch zeitgeschichtliche Dokumente wie Akten, Fotos und Biografien, äußerst sensibles Material also, werden in Führungen zum Sprechen gebracht.

Neben einer kurzen Einführung in das Thema können wir unter anderem  in unseren Führungen ansprechen:

- die „Schwierigkeiten des Erinnerns“ der Bisinger Bevölkerung

- das „KZ vor der Haustür“ und damit Terror und Alltäglichkeit des Grauens vor aller Augen

- das dichte Netz von KZ-Außenlager, das Ende des Zweiten Weltkriegs Deutschland durchzog

- Biografien ehemaliger Häftlingen und der heikle Umgang mit (deren) Erinnerungen

Die Nachfrage nach Führungen ist in den vergangenen Jahren leicht angestiegen und wir haben bereits eine gewisse Stammkundschaft von Lehrenden mit ihren gut vorbereiteten Klassen zu verzeichnen haben. Doch immer wieder muss das Heimatmuseum auch als Lückenbüßer herhalten, vor allem die Schulen vor der Haustür nehmen uns gerne und kurzfristig für die Gestaltung von Projekttagen oder Nachmittagsbetreuung in Anspruch, ohne die Klassen auf den Besuch vorzubereiten.

Eine Begegnung mit dem Thema „Ölschiefer und Zwangsarbeit“ muss nicht unbedingt im Rahmen einer Führung stattfinden. So betreuen wir eine Geschichts-AG in der Schule und begleiten sie zum Beispiel bei Interviews, die sie im Ort durchführen. Wir laden am Internationalen Holocaust-Gedenktag zu einer Feier ins Museum ein und lassen die jeweilige Klasse diese Feier gestalten. Wir unterstützen Präsentationsprüfungen, Projektvorstellungen und Hausarbeiten von Schülerinnen und Schülern. Kurz vor den Sommerferien versuchen wir eine 9. Klasse der Realschule oder der Hauptschule für Geländearbeiten zu gewinnen. Gemeinsam mit dem Bauhof der Gemeinde werden Strecken des Geschichtslehrpfades von Buschwerk befreit. Um unsere Erfahrungen in der außerschulischen Bildungsarbeit weiter entwickeln und verbessern zu können, stellen wir unsere Arbeit Fachschaftsgruppen, Studienseminaren sowie Verantwortlichen aus der Jugendarbeit vor.

Ein 90-jähriger Überlebender des KZ Bisingen kann die Reise zu uns nicht mehr antreten – so drehte eine Mitarbeiterin den Spieß um und fuhr mit einigen Schülern zu ihm. Auch in einem Schulbuch kann man uns inzwischen begegnen: Geschichte und Geschichten 11, Oberstufe Baden-Württemberg, Ernst Klett Verlag 2009.

Wir leisten uns diese intensive Betreuung - unnötig zu erwähnen, dass der Aufwand, den wir betreiben weit über das 'normale' ehrenamtliche Engagement und die Stundenzahl einer geringfügig Beschäftigten hinausgeht. Dringend benötigen wir Verstärkung für unsere Führungen. Denn die Arbeit mit Schulen ist zwar ein Schwerpunkt unserer Arbeit – das soll auch so bleiben – aber bei weitem nicht die einzige Aufgabe des Museums.

Der kürzlich gegründete „Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb“ will die Zusammenarbeit der beteiligten Initiativen weiter professionalisieren und intensivieren, wie es das Gedenkstättenreferat der Landeszentrale für politische Bildung in Stuttgart schon lange tut.  Auch die Entwicklung weiterer pädagogisch qualifizierter Konzepte gehört zu den Zielen des neuen Vereins – eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen.

Öffnungszeiten des Museume und Kontakt

Heimatmuseum Bisingen mit der Ausstellung "Mut zur Verantwortung - Mut zur Erinnerung", Kirchgasse 15, 72406 Bisingen

Öffnungszeiten: Sonntags 14 bis 17 Uhr (und jederzeit auf Anfrage), der Eintritt ist frei.

Hanne Grunert (Heimatmuseum), E-Mail: Hannelore [dot] Grunert [at] bisingen [dot] de

www.bisingen.de/freizeit-soziales/sehenswertes.html (Museen - Geschichtslehrpfad, Heimatmuseum)

Blog der Vereinsvorsitzenden Uta Hentsch: http//:kzgedenkstaettenbisingen.wordpress.com

 

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