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Der Müll, die Stadt und der Tod. Rainer Werner Fassbinder und ein Stück deutscher Zeitgeschichte

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Wanja Hargens: Der Müll, die Stadt und der Tod. Rainer Werner Fassbinder und ein Stück deutscher Zeitgeschichte. Metropol-Verlag, 2010, 277 S., € 19.-

Von Ingolf Seidel

Eine Neuerscheinung, die sich mit Rainer Werner Fassbinders Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ beschäftigt, lässt einen ohne Zweifel aufhorchen. Das Stück wurde zu seiner geplanten Uraufführung wegen einer als antisemitisch wahrgenommenen Grundierung zum Skandal. Bei der Frankfurter Erstaufführung besetzten 25 Mitglieder der jüdischen Gemeinde für zwei Stunden die Bühne.

Wanja Hargens, Autor des vorliegen Bandes über Rainer Werner Fassbinders Stück rekonstruiert nicht nur sorgfältig die relativ bekannte Wirkungsgeschichte um die Uraufführung im Frankfurter Theater am Turm. Das wesentliche Anliegen Hargens ist es, die Analyse der Textgestalt mit der Entstehungsgeschichte und der Rezeption zu verknüpfen. Die Wirkungsgeschichte sei geprägt „von einer simulierten Rezeption (…). Mittels einseitiger Lektüre wurde die Sicht auf das Stück verstellt. Eine Rezeption wurde vorgetäuscht, denn viele die sich an den Diskussionen beteiligten, hatten es überhaupt nicht gelesen und beschränkten sich nur auf die Weitergabe von Argumenten“ heißt es zu Beginn der Einleitung (S.7).

In der umfassenden Betrachtungsweise liegt dann auch der Wert dieser Publikation. Hargens enthält sich einer klaren Wertung von „Die Stadt, der Müll und der Tod“ als eindeutig antisemitisch. Vielmehr beschreibt er Fassbinders Methode, die recht vulgär „eine jüdische Figur nicht nur in ein durchweg negativ gezeichnetes Umfeld“ stellt, zudem „eine Strategie des literarischen Philosemitismus“ verfolgt und gleichzeitig an „negative Stereotype des Jüdischen“ anknüpft (S. 154). In dieser Kombination läge Hargens zufolge das provokative Potential des Stückes.

Hargens rekonstruiert die wesentlichen Diskursfragmente um das umstrittene Theaterstück, ohne methodologisch eine Diskursanalyse zu betreiben. Immerhin liegt der Publikation eine Recherche von ungefähr 800 deutschprachigen Zeitungsartikeln zugrunde. Wanja Hargens zeichnet Kontroversen nach und kontextualisiert das Stück Fassbinders. So entsteht ein lebendiger Eindruck bundesdeutscher Zeitgeschichte, die zwangsläufig im Schatten der Schoa steht, sowohl auf jüdischer, wie auf nicht-jüdischer Seite. An Büchern wie dem von Hargens wird das Ringen um (geschichts)politische Deutungen gerade auch im kulturellen Bereich deutlich und es materialisiert sich die Bedeutung von Adornos abstrakt wirkendem Satz, dass Auschwitz alles affiziere. Ob der Anspruch des Autors als Vertreter der „Dritten Generation“ und als Germanist eine nüchterne und sachliche Analyse zu betreiben sich auch in der Rezeption seines eigenen Buches niederschlägt, liegt in der Zukunft und bleibt zu hoffen.

 

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