Facetten jüdischen Lebens in Gotha
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Eckdaten
Ort/Bundesland: Thüringen |
Bibliografie
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Projekt Kontakt
Holger-Hagen Erdmann, Simone Gerlach Postfach 100 202 D-99852 Gotha Tel.: +49 (0) 36 21 22 20 Fax: +49 (0) 36 21 22 22 30 |
Hintergrund
Mit Beginn des Schuljahres 1996/97 initiierte die Stadtverwaltung Gotha das Schülerforschungsprojekt "Jüdische Mitbürger in Gotha". Die Schüler waren aufgerufen, zu erforschen, wie das jüdische Leben in Gotha vor und hauptsächlich während der NS-Diktatur aussah. Die Ergebnisse sollten in Form einer Ausstellung dargestellt werden.Mit diesem Aufruf verfolgte die Stadtverwaltung Gotha mehrere Ziele. Zum einen sollten die Schüler sich verstärkt mit der Problematik der Judenverfolgung durch das Naziregime auch in der eigenen Heimatstadt beschäftigen, zum anderen sollte die Ausstellung der Schülerarbeiten die Feierstunde anlässlich des "Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus" am 27. Januar 1997 umrahmen und später im Kulturhaus der Stadt Gotha zu sehen sein. Mit dieser Ausstellung sollte eine Diskussion in der Öffentlichkeit zu diesem Thema bewirkt werden (siehe pdf-Dokument).
Projektdurchführung
Nach anfänglichen Schwierigkeiten erklärten sich Lehrer und Schüler aus acht Gothaer Schulen (ein Gymnasium, eine Förderschule und sechs Regelschulen) bereit, sich an dem Projekt zu beteiligen. Um eine möglichst umfassende Bearbeitung der Zielstellung zu gewährleisten, wurden durch eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung als Vorarbeit Forschungsthemen ausgearbeitet. Diese dienten jedoch nur als grobe Richtlinien. Außerdem gab die Stadtverwaltung den einzelnen Schülergruppen bei der Beschaffung von Informationsmaterial Hilfestellung. Die Umsetzung der Problematik oblag den Lehrern der einzelnen Schulen in Eigenregie und war hauptsächlich von der Altersstruktur der teilnehmenden Schüler abhängig.
Nach einer Einführung in die Thematik durch die Lehrer begannen die Schüler der Regelschulen und der Förderschule (Schüler der Klassen 6 bis 10) sich in Arbeitsgemeinschaften mit der jüdischen Geschichte zu beschäftigen. Mit der erfolgreichen Recherche wuchs auch das Interesse der Schüler an ihren Arbeiten. So blieb nicht aus, dass die einzelnen Forschungsgruppen über die ihnen gestellten Themen hinaus arbeiteten und im nachhinein die Auswahl der für die Ausstellung verwendeten Materialien schwer fiel. Hier eine Gesamtübersicht der bearbeiteten Themen:
- Die Gothaer Synagoge. Von der Erbauung bis zu ihrer Zerstörung: Die Bearbeitung des Themas erfolgte durch das Studium umfangreichen Zeitungsmaterials, die Befragung älterer Bürger und den Besuch der Stelle, an der sich die Synagoge bis zu ihrer Zerstörung während des Novemberpogroms befand - heute befindet sich dort ein Denkmal. Außerdem wurde das Zeichnen der Synagoge (alte Fotos wurden als Vorlage benutzt) in den Kunsterziehungsunterricht integriert.
- Der Jüdische Friedhof: Auflistung aller noch vorhandenen Grabsteine, Erstellung von Zeichnungen einzelner Grabsteine, kurze Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte des Jüdischen Friedhofes
- Das Kaufhaus Conitzer (heute Kaufhaus Joh): Hier nahm die Arbeitsgruppe Kontakt zum jetzigen Besitzer des Kaufhauses auf, befragte ehemalige Mitarbeiter des Kaufhauses Conitzer, die teilweise auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch Verbindung zur Familie Israelski (jüdische Eigentümer des Kaufhauses) hatten, und sammelte umfangreiches Material aus Zeitungen.
- Gesetze und Verordnungen gegen Juden während der NS-Diktatur:Dazu erfolgte ein umfangreiches Studium von Literatur, die die Zeit des Nationalsozialismus behandelt, Pressemitteilungen Gothaer Zeitungen aus der Zeit von 1933 bis 1945 wurden recherchiert.
- Häuser, in denen jüdische Familien lebten, und das Schicksal dieser Menschen während der Nazizeit: Untersuchung von Einzelschicksalen, Veranschaulichung auf einem Stadtplan, wo in Gotha Juden lebten.
- Befragung Gothaer Bürger: Hier gingen die Schüler mit einem vorher ausgearbeiteten Fragenkatalog auf ältere Menschen zu. Es sollte z.B. geklärt werden, wie das Verhältnis zu den jüdischen Bürgern vor und hauptsächlich während der Nazizeit war.Die Schüler des Arnoldi-Gymnasiums, Klassenstufe 12, arbeiteten selbständig an den ihnen gestellten Aufgaben. Sie wurden lediglich bei der Wahl des zu bearbeitenden Themas beraten.
Die Schüler recherchierten umfangreiches Material zu den Themen:
- Die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofes - Die Geschichte der Jüdischen Friedhöfe allgemein
- Die Symbolik der Grabmäler
- Jüdische Häuser in Gotha
- Juden in Gotha - ein gesamtgeschichtlicher Überblick
- Das Schicksal der Alfreda Zeidler, einer Lehrerin der Arnoldischule
Verwendetes Quellenmaterial:
- Gothaer Zeitungen, hauptsächlich aus der Zeit 1933 - 1945
- Literatur über die Gothaer Stadtgeschichte
- Briefe ehemaliger jüdischer Einwohner Gothas, die der Deportation durch ihre Emigration entkommen sind
- Zeitzeugenaussagen
Zusammenfassung
Abschließend kann gesagt werden, dass sich die Schüler intensiv mit der Problematik "Juden in Gotha" beschäftigten. Die ins Leben gerufenen Arbeitsgemeinschaften werden fast alle weitergeführt, da ein großes Interesse bei den Schülern hervorgerufen wurde. Besonders bei den jüngeren Klassenstufen (6. bis 8. Klasse) hat sich bewährt, die Schüler über das Zeichnen jüdischer Häuser, der Synagoge und den Besuch des Jüdischen Friedhofes an die Thematik heranzuführen. Von Klassenstufe 9 an erfolgte eine intensive Arbeit in Bibliotheken und Archiven der Stadt.
Die Ergebnisse zeigen, dass es gelungen ist, vor allem den Kindern und Jugendlichen die schrecklichen Ereignisse der Nazizeit zu verdeutlichen und sie mit dem Leben und Wirken unserer ehemaligen jüdischen Mitbürger vertraut zu machen. Die Ausstellung der Schülerarbeiten wurde von vielen - auch ehemaligen - Gothaer Bürgern besucht, die angeregt wurden, weiteres Material zur Geschichtsforschung beizutragen. Großen Anklang fand die Ausstellung ebenfalls bei Lehrern, die ihren Geschichts- oder heimatkundlichen Unterricht in das Kulturhaus der Stadt Gotha verlagerten.
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- 13 Mai 2010 - 10:35