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Ort/Bundesland: Bayern |
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Von der Schulgeschichte zur verfilmten Dorfgeschichte
Als die Filmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule in Rothenburg ob der Tauber 1982 erfuhr, dass der Großvater von zwei Schülern 1945 gehängt worden war, fuhr sie zum erstenmal nach Brettheim, einem fränkischen Dorf 12 km westlich von Rothenburg ob der Tauber. Seit dieser Zeit arbeitet die Dokumentarfilmgruppe der Schule (inzwischen in der fünften Schülergeneration) an der Dorfgeschichte von Brettheim.
Im Laufe der Jahre wurden nicht nur viele Augenzeugen überwiegend aus Brettheim gefilmt, sondern auch zahlreiche historische Dokumente aufgespürt. Das Gemeindearchiv, das Kirchenarchiv, die Privatarchive von Familien, Zeitungsarchive, Staats- und Stadtarchive, das Berlin Document Center, das Institut für Zeitgeschichte in München, das Militärarchiv der DDR und das Militärarchiv in Washington erlaubten es der Filmgruppe, die Ereignisse vom April 1945 immer deutlicher zu sehen. Als es auch noch möglich war, die Prozessakten zu den Nachkriegsprozessen von Brettheim und die Wiedergutmachungsakten einzusehen, konnte das Drehbuch für den Film: " '... und man wollte doch Unheil vermeiden!' Brettheim - eine Dorfgeschichte im Dritten Reich" geschrieben werden.
Trotz aller Schriftstücke blieben aber die Aussagen der Brettheimer Augenzeugen das Kernstück des Films, der die Ereignisse in Brettheim vom 6.-10. April 1945 beschreibt. (siehe Audio/Video)
Folgendes ereignete sich in diesen Tagen:
Kurz vor Kriegsende, im April 1945, wurden vier Hitlerjungen in dem fränkischen Dorf Brettheim von Dorfbewohnern entwaffnet. Damit wollten sie verhindern, dass ihr Dorf im sinnlosen Kampf gegen die Amerikaner zerstört würde. Noch am selben Abend rückte die SS ein und verhörte die Dorfbewohner. Der Bauer Friedrich Hanselmann, Großvater von zwei Schülern unserer Schule, stellte sich freiwillig und wurde wegen seiner Beteiligung an der Entwaffnung einige Stunden später durch ein Standgericht zum Tode verurteilt. Als sich der Bürgermeister Leonhard Gackstatter und der Ortsgruppenleiter Leonhard Wolfmeyer am Ende der Verhandlung weigerten, dieses Urteil mit zu unterschreiben, wurde gegen sie zwei Tage später in Schillingsfürst, dem Sitz des 13. SS-Armeekorps, das gleiche Urteil gefällt. Alle drei wurden am 10. April 1945 gegen 20 Uhr an den Friedhofslinden von Brettheim aufgehängt und mussten in den nachfolgenden Tagen zur Abschreckung hängengelassen werden.
Das von der Filmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule zusammengetragene historische Material und die abgeschlossenen Augenzeugenaufnahmen wurden 1995 in einer 80-minütigen amerikanischen Filmversion verarbeitet, die mit Schülern der US Army High School in Würzburg und Studenten des Goethe-Instituts Rothenburg ob der Tauber an der Lehrerakademie Dillingen gedreht wurde. Dieses Nachfolgeprojekt ist eine erweiterte Filmfassung, die zusätzlich zu den oben geschilderten Ereignissen die sich anschließenden Tage der Brettheimer Geschichte (11.-18. April 1945) aufgreift. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um ein Stück deutsch-amerikanischer Geschichte:
Als die Amerikaner am Morgen des 17. April 1945 auf das Dorf Brettheim vorrückten, bekamen Gebirgsjäger von der SS den Auftrag, eine kampflose Übergabe des Dorfes auf jeden Fall zu verhindern. Daraufhin wurde die Ortschaft acht Stunden lang von der amerikanischen Artillerie, von Panzern und von acht Jagdbombern unter Feuer genommen. (Die Augenzeugenaussagen über das brennende Inferno gehören zu dem Erschütterndsten, was wir bei unseren Dreharbeiten erlebten.) Als am Abend die Amerikaner in das Dorf einmarschierten, war es für nicht wenige Bewohner eine "Befreiung".
"Keine Dorfgeschichte gleicht der anderen!" - Ein internationales Projekt entsteht
Schon zu Beginn unserer Dreharbeiten war uns klar geworden, dass die Dorfgeschichte Brettheims nur eine von zahllosen erschütternden Dorfgeschichten ist. Es ist kaum möglich, das Leid und die Trauer an den schrecklichen Kriegsschauplätzen zu erfassen, kein Schicksal eines Dorfes ist mit dem anderen vergleichbar. Und dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Der von Deutschland ausgehende Krieg richtete sich auch im dörflichen Bereich vielfach gegen Zivilisten, meist gegen Frauen, Kinder und alte Männer und hinterließ von Russland bis Frankreich, von Norwegen bis Italien Zerstörung und unzählige trauernde Menschen.
Aus diesen Überlegungen heraus erwuchs der Wunsch, mit den Menschen in den vom Krieg betroffenen Ländern über unseren Film ins Gespräch zu kommen und uns über die Geschichte ihrer Dörfer zu informieren. Wir sehen in diesem gemeinsamen Austausch eine besondere Chance, sich heute, mehr als 50 Jahre nach Kriegsende, näherzukommen.
Dank der Städtepartnerschaft zwischen Rothenburg ob der Tauber und Susdal (Russland) erhielten wir 1992 die russische Übersetzung zu unserem deutschen Brettheim-Film. Der russischsprachige Dokumentarfilm über die Brettheimer Dorfgeschichte wurde mit "sowjetischen" Schülern der Garnison Nohra bei Erfurt unmittelbar vor ihrer Rückkehr in die GUS-Staaten gedreht. Aus dieser gemeinsamen Arbeit ist ein lebhafter Austausch entstanden. Ein Film über einen russischen Kriegsschauplatz ist in Vorbereitung.
Auch andere Länder ließen sich durch unseren Film anregen, so hat z. B. eine Schülergruppe des Ashram College in Alphen (Niederlande) 1998 einen ausgezeichneten Film über den holländischen Widerstand fertiggestellt. Gegenwärtig befindet sich außerdem eine französische Fassung der Brettheimer Dorfgeschichte in Bearbeitung ebenso wie ein Film über einen französischen Schauplatz.
Es wäre schön, wenn sich weitere Schulen mit ähnlichen Themen anschließen würden, so dass in Zusammenarbeit mit jungen Menschen aus dem Reichtum der Erinnerungen älterer Menschen ein Film- und Ausstellungsprojekt entstünde, das uns über Ländergrenzen hinweg in die Lage versetzt, die "Geschichten" der einzelnen Länder untereinander auszutauschen.
Ein Projekt reist um die Welt
Bisher haben über 40.000 Besucher aus aller Welt unsere Filme gesehen. Bei den 300 Vorstellungen des Projekts außerhalb Brettheims waren stets Mitglieder der Filmgruppe anwesend. Die Gespräche im Anschluss an den Film - bei Lehrerseminaren erstreckt sich das Programm häufig über den ganzen Tag - haben sich zum wesentlichen Bestandteil der Veranstaltung entwickelt. In den fünf Bänden der Gästebucheintragungen wird uns oft bestätigt, dass dieser Erfahrungsaustausch und der Einblick in die Schülerarbeit weit über den Film hinausführen. Die Filme sind für uns der Ausgangspunkt für Begegnung und Zusammenarbeit. Deshalb verleihen oder verkaufen wir unsere Filme nicht.
Dank der intensiven Zusammenarbeit mit der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts wurde zusätzlich zu unseren Filmversionen eine "Ausstellung im Koffer" entwickelt, die aufgrund ihrer Größe im Handgepäck mitgenommen und innerhalb von fünf Minuten aufgestellt werden kann.
Die mehrsprachigen Texte (Version I in Russisch, Deutsch und Englisch, Version II in Französisch, Deutsch, Englisch, Version III in Spanisch, Deutsch und Portugiesisch) richten sich an ein breites ausländisches Publikum.
Zusätzlich wurden Leporellos angefertigt, identisch mit der großen Ausstellung, aber jeweils nur in der entsprechenden Landessprache. Die "Ausstellung zum Mit-nach-Hause-nehmen" erlaubt besonders Lehrern eine Vor- und Nachbereitung in der Klasse.
Inzwischen wurde die Ausstellung zusammen mit Film und Leporellos nicht nur in Dörfern, Schulen und auf Seminaren in Deutschland vorgestellt, sondern auch - gemeinsam mit Schülern der Filmgruppe - bei Veranstaltungen an den Goethe-Instituten in Mailand, Moskau, San Francisco, Montreal und Toronto. Einladungen aus einer Reihe ausländischer Städte von Amerika bis Russland liegen vor. Im Herbst 1998 lag der Schwerpunkt in Spanien und Frankreich.
Wie man unser Projekt kennenlernen kann
Am meisten freuen wir uns, wenn die Interessierten nach Brettheim kommen und dort am Ort des Geschehens Geschichte "begreifbar und begehbar" kennenlernen. Seit dem 8. Mai 1992 gibt es in Brettheim die Erinnerungsstätte "Die Männer von Brettheim", ein Museum zur Dorfgeschichte. Dort stehen alle unsere Filme für die Besucher zur Verfügung. Seit Januar 1998 können sich Interessierte auch im Internet über die Erinnerungsstätte informieren und einen virtuellen Rundgang durch das Museum machen.
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- 13 Mai 2010 - 12:02