umbenennen?! Ausstellungen zu Berlins Straßennamen in Geschichte und Gegenwart
von Kaspar Nürnberg
Namen von Straßen und Plätzen zeugen von politischer, sozialer und kultureller Einflussnahme im öffentlichen Raum. An der Benennung lässt sich die – oft wertschätzende – Erinnerung an Personen oder Ereignisse, und damit auch Geschichtspolitik ablesen. Deshalb sorgen Straßennamen beinahe weltweit für Diskussionen. Verschiedene Initiativen, Medienkampagnen und aktivistische Interventionen haben in den letzten Jahren deutlich gemacht, welche Repräsentationen in der Benennung von Straßen sie für unangemessen halten und welche ihnen fehlen. Die Gründe dafür sind vielseitig: von der Belastung des Straßennamens durch Militarismus, Rassismus oder andere Diskriminierungsformen über das fortdauernde Fehlen bestimmter Ehrungen oder Gedenken bis hin zur Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter und dem kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit.
Berlins Straßen als Schauplatz von Geschichte und Aktivismus
An Berlins Straßennamen und den Prozessen von (Um)Benennungen wird nicht nur die wechselvolle Geschichte der Stadt mit ihren politischen Umbrüchen augenfällig, sondern auch der gesellschaftliche Wandel und die wechselnden Deutungshoheiten über Erinnerungskultur im öffentlichen Raum. Dies zeigen auch jüngere Debatten, etwa um die Umbenennung von Straßen im sogenannten Afrikanischen Viertel im Wedding. Eine Kontinuität gibt es aber auch: Kontroverse Diskussionen über die Benennung von Straßen waren schon immer Teil der Stadtgeschichte.
Umbenennung des Weddinger Nachtigalplatzes in Manga-Bell-Platz, 02.12.2022,
© Bezirksamt Mitte.
Das Beispiel Berlin erweist sich als besonders interessant für eine Betrachtung der wechselvollen Geschichte von Straßen(um)benennungen. Noch heute finden sich Zeugnisse des Deutsch-Französischen Kriegs und von Berlins Zeit als Reichshauptstadt. Nach 1920 wurden im neu entstandenen Groß-Berlin Straßen umbenannt, um Doppelungen in den zusammengeführten Städten und Gemeinden zu vermeiden. Die Weimarer Republik und die Diktatur der NS-Zeit sind bis heute im Straßenbild präsent. Ost- und West-Berlin verfolgten eine unterschiedliche Politik der Straßennamen. Seit 1999 ist die Stadt Sitz der Bundesregierung und ihr Status als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland seit 2006 im Grundgesetz verankert.
Die Berliner Straßen sind Schauplatz von Meinungsvielfalt und Aktivismus: Interventionen wie die Kommentierung mittels kleiner Infoschilder an Straßennamen, spontan geklebte Umbenennungen oder Kunstprojekte, etwa Korkfiguren auf Straßenschildern, und andere zivilgesellschaftliche Aktionen verweisen auf aktuelle Themen, die die Bewohner*innen der Stadt beschäftigen. So wurden zahlreiche Straßenschilder zum Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau 2020 zum Jahrestag am 19. Februar 2021 überklebt; ähnliches geschah zum Internationalen Frauentag mit Bezug auf Frauennamen u.a. 2017 und 2021 in Kreuzberg und Neukölln.
Konzept der Ausstellung
Die zwölf Berliner Regionalmuseen und das Aktive Museum e.V. nehmen mit dem Ausstellungsprojekt „umbenennen?! Berlins Straßennamen in Geschichte und Gegenwart“ dieses relevante Thema auf. Im Rahmen von Ausstellungen in allen zwölf Berliner Bezirken, vielseitigen Veranstaltungen in ganz Berlin sowie Partizipationsangeboten trägt das Projekt zur Versachlichung und Kontextualisierung der Debatten bei. Diskursive Formate wie etwa ein Diskussionsraum sollen den Austausch der Zivilgesellschaft über Geschichte, Wahrnehmung und Potenzial von Straßennamen für das Profil einer Stadt fördern. Geplant sind dazu Kooperationen mit Initiativen und Institutionen, welche den forschungsbasierten Prozess der Ausstellungskonzeption sowie die anschließende Vermittlungsarbeit bereichern sollen.
Über fast zwei Jahre hinweg zeigen die Bezirksmuseen ab Frühjahr 2025 historische und aktuelle Perspektiven auf das Thema der Straßennamen in Berlin. Die Projektakteure erstellen gemeinsam übergreifende thematische Module, die die Kernausstellung bilden und sich in allen Bezirksausstellungen wiederfinden. Ergänzt werden diese Module durch eigene Forschungen der Bezirke und bezirksspezifische Schwerpunktsetzungen. Auf diese Weise erhalten einerseits berlinweite Themen in dem Projekt Raum. Zugleich kann konkret auf die lokalen Besonderheiten und spezifischen Diskussionen der einzelnen Bezirke eingegangen werden.
Frage nach Kontinuitäten und Brüchen
Inwieweit spiegeln sich die jeweils herrschenden politischen Machtverhältnisse in den Benennungen bzw. den Umbenennungen von Straßen und Plätzen wider? Welches Potenzial zur Entwicklung einer demokratischen, partizipativ-engagierten Stadtöffentlichkeit bergen moderierte Diskurse über die (Um)Benennung von Straßen? Welche Formen der Identifikation und Projektion ermöglichen Straßennamen? Wer benannte welche Straßen zu welchem Zeitpunkt wie um? Diese und andere Fragestellungen werden die Ausstellungen begleiten. Eine wesentliche inhaltliche Leitlinie des Projekts ist dabei die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen in (Um)Benennungsprozessen.
Umbenennung der Einemstraße in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße, 17.12.2013, © Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg.
Kontinuitäten finden sich in der Benennung von Straßen nach Männern, nach Toponymen wie Orten, Flüssen oder Gebieten und nach Persönlichkeiten der Kunst oder Wissenschaft. Während der NS-Zeit wurden Straßen und Plätzen nicht nur offensichtlich propagandistische Namen zugeteilt. Auch heute „verstecken“ sich im Stadtraum daher noch viele Straßennamen mit Nähe zur NS-Ideologie. Aber nicht nur deshalb gibt es immer noch Straßennamen mit antisemitischen Bezügen, Benennungen nach Herrscherpersönlichkeiten sowie Straßen mit militärischen Bezügen.
Die erste Eröffnung einer Ausstellung im Rahmen des Gesamtprojekts findet in Steglitz-Zehlendorf am 27. März 2025 statt. Anschließend wandert die Kernausstellung – immer begleitet von Veranstaltungen und ergänzt um bezirksspezifische Inhalte – durch die verschiedenen Berliner Bezirksmuseen. Im Laufe des Jahres 2025 kann sie in Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg, Lichtenberg, Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Spandau sowie Reinickendorf besichtigt werden. Im Jahr 2026 folgen Ausstellungen in den Bezirken Mitte, Neukölln, Treptow-Köpenick und schließlich Friedrichshain-Kreuzberg.
Mehr Informationen in Kürze unter: https://umbenennen.berlin
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- 18 Dez 2024 - 09:50