Das unglückliche Bewusstsein der Kritik: Antisemitismus gegen Israel
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Von Peter Ullrich
Schon der Titel ist für „Israelkritiker“ sicherlich eine Provokation: Antisemitismus gegen Israel. Das riecht förmlich verdächtig. Wer im besprochenen Band undifferenzierte analytische Grobschlächtigkeit wie im berüchtigten 3D-Test auf Dämonisierung, Delegitimierung und doppelte Standards vermutet, wird positiv enttäuscht werden. Holz und Haury gehören seit Jahrzehnten zu den profundesten Kennern des Antisemitismus und seiner antiisraelischen Ausprägungen, doch nicht zu denen, die jede spitze Kritik, auch faktische falsche oder überzogene, in rein moralischer statt analytischer Kommunikation einfach dem Antisemitismus zuordnen. Mechanistisch anzuwendende, „kriteriologische“ Definitionen sind ihnen in dem vorliegenden Überblicks-Unterfangen dabei ebenso fremd wie die verbreitete „Typologisiererei“ von verschiedenen Formen des Antisemitismus, denn diese „schlägt falsche Besonderheiten vor und findet für das Allgemeine nur karge Worte.“ Holz und Haury begreifen Antisemitismus im Anschluss an ihre früheren Arbeiten (Holz 2001; Haury 2002) als eine spezifisch moderne – wenngleich gegen die Moderne gerichtete – Sinnstruktur, deren antijüdisches Feindbild vor allem eine Funktion für die Stabilisierung des Selbstbildes als identische Wir-Gruppe hat. Inhalt des Buches ist die Analyse derjenigen Fälle, in denen die Sicht auf Israel diese allgemeinen Muster reproduziert. Das ist auch bei Israel und dem Zionismus gegenüber Distanzierten keineswegs zwingend, aber leider auch nicht selten, und vor allem die politischen Lager übergreifend, immer wieder der Fall.
Die Autoren nehmen dabei in ruhigem und sachlichem Ton einige für die aktuellen Diskussionen um Antisemitismus durchaus dezidierte und zugespitzte Positionen ein, die die aktuelle Fachdebatte befruchten können, so zur Kontinuität und Stabilität des modernen, nationalen Antisemitismus vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Gegen die Konzeption des „neuen Antisemitismus“ betonen sie, dass die Sinnstruktur des judenfeindlichen Weltbildes konstant ist, auch wenn sie sich an neue Gegebenheiten anpasst oder vor neuen Legitimationsproblemen steht. Ebenso ist auch der „postnazistische Antisemitismus“ – ‚sekundären Antisemitismus‘ nennt ihn die Forschung häufig – ihrer Ansicht nach überhaupt kein anderer, sondern strukturell der gleiche, der mit den gleichen Methoden eine neue Problematik bearbeitet: das Schuldabwehrbedürfnis. Zu diesen Mustern gehört auch die alte Täter-Opfer-Umkehr: Judenfeinde sehen sich als Opfer der Jüdinnen*Juden. Auch national gesinnte Deutsche bedienen sich dieser Umkehr angesichts der Rechtfertigungsproblematik des Antisemitismus durch Auschwitz, aber neu ist sie nicht. Wir finden sie auch schon in seiner Frühzeit. Nach Auschwitz kommt aber auch Israel ins Spiel: mithilfe der Täter-Opfer-Umkehr in Israel die neuen Nazis auszumachen, passe für den Antisemitismus „geradezu perfekt“ (S. 94), so Holz und Haury. Dass das dämonisierte Gegenüber als jüdisch undals nationalsozialistisch gebrandmarkt wird, macht die Position in verschiedenen politischen Spektren anschlussfähig. Konstanz betrifft auch weitere Aspekte: der Antisemitismus war, wie die beiden detailreich zeigen, schon von Anfang an einer jüdischen Nationalbewegung und (potenziellen) Staatlichkeit gegenüber grundsätzlich feindlich eingestellt. Dieser Befund wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass es immer wieder pro-zionistische Positionierungen von antisemitischer Seite gab und gibt, da diese überwiegend strategischen Charakters sind. Allerdings – dies ist eine der spannendsten Thesen des Bandes – führe die Bindung des antisemitischen Musters an diesen spezifischen Kontext, mithin an einen realen Konflikt mit einer mehr oder weniger ‚jüdischen Seite‘, dazu, dass der Weltanschauungscharakter des Antisemitismus – also seine Tendenz, alles ungeliebte moderne verschwörungstheoretisch zu erklären – in diesem Feld abgeschwächt wird. Dies ist hochgradig plausibel und deckt sich – quasi spiegelbildlich – mit dem Befund der Periodeneffekte (also des Anstiegs antisemitischer Einstellungen und Handlungen bei Eskalationen im Nahostkonflikt). Im Buch wird die These aber leider nicht weiter ausgeführt und ihre Begründung muss man eher aus dem Gesamtzusammenhang rekonstruieren.
Die einzelnen Kapitel widmen sich im Sinne des Selbstbildfokus nicht Phasen unterschiedlicher Ausprägungen von Antisemitismus, sondern den Spezifika der konkreten Ausformulierung seiner Grundstrukturen in den jeweiligen politisch-ideologischen Feldern, denen sich die empirisch orientierten Kapitel widmen. Nach einer etwas mäandernden Einleitung, die wahrscheinlich alle Problemdimensionen anreißen, aber es sich noch nicht direkt mit jemandem verderben möchte, folgt eine ausführliche Erläuterung zum Gegenstand des Feindbildes, dem Zionismus. Diesen stellen die Autoren nüchtern und völlig korrekt in seiner Position des ‚Dazwischen‘ und seiner bis heute konstitutiven und tragischen Ambivalenz vor: als Befreiungsbewegung und Nationalismus/Kolonialismus, also in seinen eng verwobenen spezifischen emanzipatorischen und allgemeinen antiemanzipatorischen Aspekten. Ihre Quellen für eine solche Interpretationen, neben den aktuellen Grundlagenarbeiten Stefan Vogts, beispielsweise ältere Texte von Dan Diner, zeigen wie unaufgeregt solche eigentlich fast trivialen Einschätzungen einst vorgenommen werden konnten. Das ist heute anders, wo teilweise allein schon die Verwendung des Wortes Kolonialismus in Bezug auf Israel als Beweis des Antisemitismus des Sprechers verstanden wird.
Darauf folgt ein Kapitel zum postnazistischen Antisemitismus, dessen Essenz als Kontrast zum Konzept des „sekundären Antisemitismus“ oben schon dargelegt wurde. Kapitel vier widmet sich dem „Antisemitismus von links“, der explizit nicht als „linker Antisemitismus“ vorgestellt wird. Hier können beide reichlich aus ihren empirischen Arbeiten insbesondere zum Antisemitismus im Stalinismus und Antiimperialismus schöpfen. Und hier – beide Autoren haben auch eine Geschichte als engagierte Linke – schält sich auch eine normative Perspektive heraus, die sie „bedingten Universalismus“ nennen. Man kann ihn als universalistische Orientierung an menschlicher Befreiung verstehen, die sich der dauernden Gefahr des Umschlags in partikulare Blindheiten (vgl. dazu auch Ullrich 2007) bewusst ist und deshalb der Grundhaltung insbesondere einen antisemitismuskritischen Imperativ zur Seite stellt.
Das fünfte Kapitel behandelt „islamistischen Antisemitismus“, wobei hier die Bestimmung des Bezugskontextes Islam/Islamismus/‘Arabische Welt‘ nicht immer auseinanderzuhalten ist, was aber auch in der Natur der sich überschneidenden Gegenstände und darauf bezogenen Diskurse liegt. Betont wird hier zum einen die Komplexität durch die Einbettung des Themas in reale Konflikte, wie den israelisch-palästinensischen, der die Negierung des Holocaust zu einer naheliegenden Option für die ‚arabische Seite‘ macht (S. 93). Betont wird zum anderen der Kontext des (antimuslimischen) Rassismus und der damit einhergehenden Opferkonkurrenzen. Am Beispiel Frankreichs wird ausgeführt, wie eine etablierte Erinnerung an den Holocaust neben einem weitgehenden Verdrängen kolonialer Verbrechen stehen kann. "Für das Selbstbild eines 'aufgeklärten Antisemitismus-Kritikers' hat es eine gewisse Versuchung, für ein deutsches rassistisches Weltbild eine geradezu magnetische Anziehungskraft, das Fremdbild eines muslimischen Antisemitismus zu zeichnen" (207 f.). Zur Sache selbst argumentieren die Verfasser, dass der Antisemitismus im Grundsatz europäischer Import ist und über keine genuinen eigenen Quellen von Bedeutsamkeit verfüge, die mit der Prävalenz im Christentum auch nur annähernd vergleichbar wären. Dies lässt bei aller Verbreitung und Gefährlichkeit in der Politik und Kulturproduktion in der MENA-Region (Middle East and North Africa), die beispielhaft dargelegt wird, auch (Auf-)Lösungshoffnungen ein klein wenig realistischer werden.
Äußerst spannend für die linke und menschenrechtliche Debatte ist der Fluchtpunkt der theoretischen Reflexionen der beiden Autoren, der im sechsten Kapitel zur „Identitätspolitik“ entwickelt wird. Sowohl im identitätspolitischen, postkolonialen Antirassismus als auch in Teilen der Antisemitismuskritik machen sie ein entfremdetes „unglückliches Bewusstsein“ aus, das universalistischen Befreiungshoffnungen entgegensteht. Es besteht in der Unfähigkeit die Begrenztheit des eigenen Standortes kritisch zu reflektieren und die je andere Kritik dialektisch mitzudenken. Verdeutlicht wird dies an Judith Butler, die im Buch anhand ihrer Texte zwar als klar nicht antisemitisch, aber zugleich unfähig zu einer Diagnose und Kritik des Antisemitismus vorgestellt wird. Entsprechend zeigen Holz und Haury, wie massiv das von Butler negierte Problem des Antisemitismus innerhalb der BDS-Bewegung tatsächlich ist. Eine breitere Darstellung der unglaublichen Heterogenität der in diesem Potpourri versammelten Aktivist*innen und Gruppierungen hätte der Argumentation gut getan und den Eindruck des selektiven Herauspickens der besonders fragwürdigen Positionen abgemildert. Auch die mittlerweile ziemlich wachsende Literatur (sehr unterschiedlicher Güte) zu BDS wurde kaum konsultiert.
Spiegelbildlich zum unglücklichen Bewusstsein des Antirassismus stehen aber die ebenso identitätspolitischen antideutschen oder israelsolidarischen Linken. Dem setzen Holz und Haury mit dem Konzept des „bedingten Universalismus“ eine Norm entgegen, die also neben einem antisemitismuskritischen auch einenrassismuskritischen Imperativ enthalten müsse. Die Debatte über das Verhältnis von Antisemitismus und Rassismus finden sie in ihrer aktuellen Gestalt irreführend, da beide Probleme gerade auch in ihrer Differenz so vielfach aufeinander bezogen seien, wenngleich dies kaum produktiv aufgenommen wird. Vielmehr müssen die Autoren konstatieren:
"Was für eine normative Katastrophe, dass immer wieder Antisemitismuskritik Rassismus und Rassismuskritik Antisemitismus befördert. Dies in derart vielen Fällen und Hinsichten, Blockaden, Vereinseitigungen und Kontroversen über Antisemitismus gegen Israel am Werk zu sehen, darf das unglückliche Bewusstsein unserer Zeit genannt werden." (S. 366)
Diese Phänomene finden sich auch im Kapitel sieben über „Christen für und wider Israel“. Eingangs wird festgehalten, dass das Christentum und sein „Abendland“ ein antijüdisches ist. Der eigene absolute Geltungsanspruch als Religion und die dauernde, mithin konkurrierende Fortexistenz der eigenen Herkunftsreligion mit den gleichen Gründungstexten – „der Kern christlicher Identität ist Nicht-Identität“ (S. 260) – seien die Ursache für 2000 Jahre Theologie zur Überwindung des Judentums. Diese findet sich in expliziter antijudaistischer Theologie, in christlich-säkularen Rekombinationen (verwiesen wird auf die Beschneidungsdebatte), aber auch in antijudaistischen Strömungen christlicher Palästinasolidarität[1] und in christlich-pro-zionistischen Strömungen, die ihre vordergründig pro-israelischen und zionistischen Positionen ebenso aus einen judenfeindlichen Grundansatz – dem Anspruch der letztlichen theologischen Überwindung des Judentums – ableiten.
Das vielleicht herausforderndste Kapitel behandelt die neue Rechte. In ihren Positionierungen sehen Holz und Haury anders als andere aktuelle Analysen nicht schlicht Schuldabwehr. Sie machen den neuen Modus der „Schuldabkapselung“ aus, der – bei gleichbleibendem Ziel der Stärkung nationalen Selbstbewusstseins – die Schuld an den Jüdinnen*Juden durchaus aktiv und offensiv anerkennt, sie zugleich aber als „Vogelschiss“ kleinrechnet. Direkte Leugnung und Täter-Opfer-Umkehr erscheinen wegen Herausforderungen der Legitimation weniger attraktiv; offen antijüdische und antiisraelische Statements werden hier vermieden oder gar als oberflächliche pro-zionistische Haltung angeboten. Im Vordergrund stehen für die neue Rechte ohnehin Rassismus und die neu etablierte Dichotomie Wir vs. die Eliten. Zugleich schält sich, ausgearbeitet vor allem von den intellektuellen Vordenkern der neuen Rechten immer mehr eine Erzählung über ein Dahinter heraus. Das „Big Other“, so wird vermutet und angedeutet, ist der eigentlich Drahtzieher hinter Migration, Covid usw. In dieser Art Erzählungen seien alle grundlegende Muster und Sinngehalte des klassischen, nationalen und weltanschaulichen Antisemitismus umfassend reproduziert und an gegenwärtige Situation angepasst. Allerdings werden „die Juden“ als Verursacher in der Regel nicht genannt oder nur mehr oder weniger vorsichtig angedeutet. Holz und Haury legen sich letztlich nicht fest, ob man dies als „strukturellen Antisemitismus“, „Camouflage“, oder „proto-antisemitisch“ korrekt bezeichnen müsste oder ob derlei Bezeichnungen nicht sogar viel zu vorsichtig wären. Entscheidend ist jedenfalls, dass sich hier klar ein neuer, gefestigter weltanschaulicher Charakter herausschält, der im modernen Antisemitismus sein Vorbild und seine Entsprechung hat.
Antisemitismus ohne Juden? Zum Begriff des „strukturellen Antisemitismus“
Auch wenn Holz und Haury sich bei ihren Überlegungen zur neuen Rechten in dieser Hinsicht nicht letztgültig festlegen, ist das Buch doch auch eine Klärung zum umstrittenen Begriff des „strukturellen Antisemitismus“. Ko-Autor Thomas Haury wurde in seiner Auseinandersetzung mit dem „Antisemitismus von links“, die ebenso die semantische Strukturierung des antisemitischen Weltbildes betont (Haury 2002) ungewollt dafür zum Begriffspaten. Um das vermeintliche Paradox des Antisemitismus in der Linken zu erklären, verweist er auf strukturelle Affinitäten bestimmter linker Weltbilder, die über eine Anschlussfähigkeit an Antisemitismus verfügen, beziehungsweise antisemitisch aktualisiert werden können. Deshalb könnte man solche Denkstrukturen, so Haury im Konjunktiv, zwar nicht als „inhaltlich, wohl aber ‚strukturell antisemitisch‘“ bezeichnen (Haury 2002, 159). Er blieb auch damals (Leser*innen des gesamten Buches müssen es bemerkt haben) grundsätzlich bei der Unterscheidung zwischen anschlussfähigen Strukturen (Potenzial) einerseits und ihrer möglichen, jedoch keinesfalls zwingenden Aktualisierung als manifester Antisemitismus (Realisierung) andererseits (vgl. dazu auch Pfahl-Traughber 2021). Trotzdem ist er zentrale Referenz für strukturellen Antisemitismus als einem Antisemitismus ohne Juden geworden. Nach diversen mündlichen Statements Haurys ist das vorliegende Buch die m.W. erste explizite Klärung dieses Missverständnisses, dessen Wirkung immens ist. Denn die begriffliche Doppeldeutigkeit (ist der strukturelle Antisemitismus Antisemitismus oder nur ein antisemitisches Potenzial), zog sich fortan durch die Debatte und die fortan konsequent mehrdeutige Verwendung des Terminus (ausführlich Ullrich 2022). Die Autoren klären nun: „Die Bezeichnung ‚struktureller Antisemitismus‘ für diese Affinität der Muster ist aus zwei Gründen irreführend“: erstens sind die Juden eben nicht der „auserkorene Feind“ und zweitens sind „die oben genannten Muster […] in zahlreichen Weltbildern bedeutsam“ (S. 121).
Damit wird das Problem als solches nicht beiseite geschoben, wie das Kapitel zur neuen Rechten verdeutlicht, sondern explizit anerkannt, dass es eine Zone von Übergängen und Vagheiten gibt, wogegen ein Mittel zur Anwendung zu bringen ist: Hermeneutik – das Nachvollziehen des Sinns als Voraussetzung jeder wissenschaftlichen wie politisch-normativen Klassifikation. Die Verfasser formulieren es als wissenschaftlichen Imperativ: ohne Hermeneutik keine Antisemitismusforschung (S. 353)! Doch normativ wird ebenso dezidiert ein antisemitismuskritischer Imperativ gefordert: nichts am Antisemitismus ist der Kritik zu entziehen, selbst wenn es Solidaritätsdilemmata mit sich bringen mag.
Dem kann man sich nur anschließen und zur Lektüre des ausgewogenen und doch Standpunkt beziehenden Werks auffordern. Denn Monita beziehen sich eher auf formale Dinge. Obwohl beide Autoren Soziologen sind, verlieren sie fast kein Wort zur Methode oder zur Auswahl der Felder und analysierten Fälle. Die Leser*innen werden auch etwas im Unklaren darüber gelassen, welche Relevanz die analysierten Positionierungen im jeweiligen ideologischen Spektrum haben. An manchen Stellen ist der Text zudem durchwirkt mit emischen Kategorien in Anführungszeichen, wobei nicht immer klar wird, ob es sich um ein konkretes Zitat oder die Behauptung von Typizität der Formulierung für das jeweilige Feld handelt. Hier dringt manchmal doch ein skandalisierender Duktus durch. Das ist normativ verzeihlich, geht aber stellenweise zulasten der theoretischen Absicherung. Ein wenig mehr systematische „Typologisiererei“ wäre hier bestimmt nicht verkehrt gewesen. Doch scheint der Nutzen des Bandes v.a. darin zu liegen, dass grundlegende Tendenzen aufgespürt sowie gedeutet werden und nicht jeder denkbaren diskursive Verästelung nachgegangen wird. Dabei erweist das Buch sich als Fundgrube von Hypothesen, die die weitere Forschung befruchten werden und nicht ignoriert werden können, und zugleich als ethischer Kompass für die politische Debatte im Geist eines linken Universalismus.
Bibliographische Angaben zum besprochenen Werk
Holz, Klaus, and Thomas Haury. 2021. Antisemitismus gegen Israel. Hamburg: Hamburger Edition, ISBN 978-3-86854-355-1, € 35.
Literatur
Haury, Thomas. 2002. Antisemitismus von links. Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR. Hamburg: Hamburger Edition.
Holz, Klaus. 2001. Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung. Hamburg: Hamburger Edition.
Pfahl-Traughber, Armin. 2021. „‚Struktureller Antisemitismus‘ – was ist das überhaupt?“ haGalil (blog). 8. März 2021. https://www.hagalil.com/2021/03/struktureller-antisemitismus/.
Ullrich, Peter. 2007. Begrenzter Universalismus. Sozialismus, Kommunismus, Arbeiter(innen)bewegung und ihr schwieriges Verhältnis zu Judentum und Nahostkonflikt. Berlin: AphorismA.
———. 2022 (im Druck). „Zwei Begriffe von Antisemitismus“. conflict & communication online 21 (1), https://regener-online.de/journalcco/.
[1] Dies wird vor allem anhand des KAIROS-Palästina-Dokuments und anhand der Positionen von Ulrich Duchrow dargelegt. Beide zeichnet aus, dass die Solidarität mit Palästina mit einer fragwürdigen Sicht auf Israel als eine der „Speerspitzen“ des gegenwärtigen „globalen imperialistischen kapitalistischen Systems“ (Duchrow) und einer damit begründeten Aberkennung des jüdischen Bundes mit Gott einhergeht. Das ist antijudaistische Theologie im Gewand der Friedensbewegung.
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- 23 Feb 2022 - 07:04