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Interview mit Hanno Loewy „Das Jüdische Museum Hohenems“

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Der Literatur- und Medienwissenschaftler Hanno Loewy arbeitet als Direktor des Jüdischen Museums Hohenems und ist zudem publizistisch tätig. Er war 1995 Gründungsdirektor des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main, war zuvor an dessen Aufbau beteiligt und blieb bis 2000 dessen Direktor.

Das Interview wurde in Schriftform von Ingolf Seidel geführt. 

IS: Du leitest seit 2004 das Jüdische Museum Hohenems, das im österreichischen Vorarlberg gelegen ist. Kannst du kurz etwas zur Geschichte des Ortes erzählen? Welche Bedeutung hat die Stadt für die Geschichte von Juden*Jüdinnen? 

HL: Hohenems hat lange Zeit nicht zu Österreich gehört, sondern war bis 1758 eine eigene Reichsgrafschaft. Das heißt, die Grafen von Hohenems genossen eine gewisse Souveränität, die sie 1617 auch politisch demonstrierten, indem sie mit einem Schutzbrief die Ansiedlung von zwölf jüdischen Familien erlaubten. Hätte Hohenems zu diesem Zeitpunkt unter Habsburger Herrschaft gestanden, wäre das nicht möglich gewesen. In den 1630er Jahren bestand schon eine Gemeinde mit Friedhof und Rabbiner. Auch wenn es im 17. Jahrhundert zweimal zur Vertreibung der Jüdinnen*Juden in benachbarte Herrschaftsgebiete kam, wuchs die jüdische Gemeinde stetig an, auch nachdem Hohenems an Österreich fiel und die Hohenemser Juden*Jüdinnen Glück hatten, dass Maria Theresia trotz ihrer manifesten Judenfeindschaft einen neuen Schutzbrief für Hohenems ausstellte. Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde ihren Höchststand mit ca. 550 Menschen. 

Zu dieser Zeit gab es in Österreich selbst noch keine als Verband anerkannte jüdische Gemeinde, nur in Habsburger Herrschaftsgebieten wie Böhmen, Ungarn oder in Polen.

Viele Hohenemser Juden*Jüdinnen lebten lange Zeit wie andere Landjudengemeinden vom Viehhandel und ähnlichen mit der lokalen Wirtschaft verbundenen Gewerben. Doch schon früh waren die Hohenemser*innen auch im internationalen Handel mit Textilien, Gewürzen, Silberwaren oder Wein tätig. Ende des 18. Jahrhunderts wurden einige von ihnen zu Hoffaktoren ernannt und konnten aufgrund ihrer Handelstätigkeit für den Habsburger Hof – oder für die Habsburger Armeen in den „Franzosenkriegen“ – ökonomisch aufsteigen.

Die Zahl der Familien, also der männlichen Familienvorstände, in Hohenems blieb limitiert. Nach 1813 – unter bayrisch-napoleonischer Herrschaft – wurde sie auf 90 festgesetzt. Doch nach wie vor hieß das, dass zumeist nur der erstgeborene Sohn den Ansiedlungstitel des Vaters erben konnte. Ihre zu dieser Zeit noch zahlreichen Kinder mussten die Hohenemser*innen zumeist im Ausland verheiraten. Die damit einhergehende Heiratsmigration trug wie auch andernorts zur Ausbildung von transnationalen Familiennetzwerken bei. Wobei die vielen Armen der Gemeinde, die ihren Lebensunterhalt vor allem durch das Hausiergewerbe in Deutschland oder der Schweiz verdienen mussten oder als Knechte und Mägde bei jüdischen Familien ihr Auskommen fanden, häufig gar nicht die Mittel aufbrachten, um heiraten zu können. Ab 1830 führte das zu einer ersten Auswanderungswelle in die USA.

Der Mittelstand heiratete in die süddeutschen Landgemeinden oder in die zwei Judendörfer im schweizerischen Aargau. Die wohlhabenden Hoffaktorenfamilien und jene Kaufleute, denen es gelang, mit „Schweizerware“, Textilien aus der aufstrebenden Ostschweizer Stickereiindustrie erfolgreich zu handeln, schickten ihre Kinder hingegen in die europäischen Metropolen, nach Paris, London, Frankfurt oder in das aufstrebende Triest, in italienische Hafenstädte oder gar nach Konstantinopel und Smyrna. 

Erst nach 1848 wurden die Niederlassungsbeschränkungen sukzessive aufgehoben. Gleichberechtigt waren die Hohenemser Jüdinnen*Juden freilich noch immer nicht. Sie „durften“ weiterhin eine „politische Judengemeinde“ bilden und mussten dafür höhere Steuern zahlen. Erst 1878, elf Jahre nach dem Staatsgrundgesetz, wurden in Hohenems die Christen- und die Judengemeinde vereinigt. Zu dieser Zeit war die Gemeinde schon am Dahinschmelzen. Wer konnte, zog in die Großstädte und natürlich in die nahe Schweiz, zu der Hohenems als Grenzort zu St. Gallen schon lange intensive Beziehungen hatte.

Was blieb, war die Verbundenheit der mittlerweile in alle Welt zerstreuten Familien mit dem kleinen Ort, dessen beide Hauptstraßen bis 1909 noch offiziell „Israelitengasse“ und „Christengasse“ hießen. Zu dieser Zeit hatte der letzte bedeutende Rabbiner von Hohenems, Aron Tänzer, den Hohenemser*innen vor seinem Weggang nach Württemberg schon ihr Geschichtswerk, ihre Genealogie und ein Archiv zwischen zwei Buchdeckeln hinterlassen. Sein Wälzer Die Geschichte der Juden von Hohenems trug dazu bei, den Familien ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln, das auch die Vernichtung der winzig gewordenen Gemeinde zwischen 1938 und 1945 überlebte. 1953 gründeten Nachkommen in der Schweiz den Hohenemser Friedhofsverein und kauften der Tiroler Kultusgemeinde den rückerstatteten jüdischen Friedhof in Hohenems ab. So besteht heute in unmittelbarer Nachbarschaft quasi ein Rechtsnachfolger der alten Gemeinde. Und als 1986 der Museumsverein gegründet wurde und 1991 das Museum seine Pforten öffnete, begann eine rege Kommunikation mit den Nachkommen, die in vieler Hinsicht dem Museum seinen besonderen Charakter verliehen hat, als treuhänderisches Archiv, als genealogische Forschungsstelle, als Drehscheibe von Familiennetzwerken, die sich alle zehn Jahre in internationalen Nachkommentreffen manifestiert, und als Mittelpunkt einer kosmopolitischen Museumscommunity. Die schätzt es, dass das Museum als heiß geltende Themen ohne Berührungsängste und ohne Scheuklappen anfasst und kritische Impulse in die Landschaft der „Erinnerungskultur“ sendet genauso wie in zeitgenössische Debatten um das Verhältnis von Diaspora und Israel oder in die multikulturellen Konfliktlagen der europäischen Einwanderungsgesellschaft. 

IS: Was zeichnet die Museumsarbeit vor Ort besonders aus? Gibt es in Hohenems so etwas wie eine Agenda bei der Vermittlung jüdischer Geschichte? 

HL: Als das Museum gegründet wurde, öffnete sich Österreich gerade – mit ein wenig Verspätung zu Deutschland – einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der Erbschaft des Nationalsozialismus. So stand die Gründungsphase des Museums noch im Zeichen geschichtspolitischer Debatten in einer Vorarlberger Gesellschaft, die insgesamt von kulturellen Aufbrüchen geprägt war. Das Museum, hervorgegangen aus einer zivilgesellschaftlichen Bewegung von lokalen und regionalen Aktivist*innen, wurde rasch zu einem intellektuellen Brennpunkt des Landes und nahm eine dezidiert politische Funktion der Herstellung von kritischer Öffentlichkeit wahr. Großes Streitthema war zu dieser Zeit die „Wiederentdeckung“ des Vorarlberger Alltagsantisemitismus in der Landesgeschichte. Und die Auseinandersetzung mit den Geschichtsmythen einer heilen Welt von christlich-jüdischem Zusammenleben. 

Doch schon mit der Eröffnung 1991 bekannten sich das Museum und die Politik, die es nun trug, dazu, auch ein Austragungsort für Debatten rund um die Entwicklung der Vorarlberger Einwanderungsgesellschaft zu sein. In den Entwürfen für die erste Dauerausstellung blitzte, damals noch ohne Folgen, das Thema der „türkischen“ Migrant*innen hervor, die inzwischen nicht zuletzt das ehemalige „jüdische Viertel“ bewohnten. In den folgenden Jahren begann das Museum in seinen Vermittlungsprojekten freilich Fragen nach dem Zusammenleben der Gegenwart offensiv zu stellen. Und zugleich galt es, die schiere Tatsache eines jüdischen Lebens und damit die lange Dauer einer nicht-christlichen Einwanderung im Land mit den Mitteln einer betont sachlichen und demonstrativ wissenschaftlichen Ausstellung, aber auch mit „populären“ Projekten wie der Projektion auf „belichtete Häuser“ und irritierende „Blickstationen“ niederschwellig und zugleich spektakulär ins allgemeine Bewusstsein zu bringen.

Parallel dazu entwickelte sich der Kontakt mit den in alle Welt zerstreuten Nachkommen, deren Bewusstsein weniger von der Shoah, der deutschen Vernichtungspolitik geprägt war, die nur kleinere Teile der Familien in Deutschland und Wien unmittelbar getroffen hatte, als vielmehr von einer weltbürgerlichen Einstellung, die sich in einer diasporisch orientierten Haltung des Museums widerspiegelte.

Grundsätzlich hat das Haus eine „Philosophie“ des Ausstellungsmachens entwickelt, die der grundlegenden Ambivalenz des Gegenstandsfeldes geschuldet ist. Natürlich ist Mehrdeutigkeit im Grunde jedem Museum konstitutiv eingeschrieben. Peter Sloterdijk spricht von einer „Schule des Befremdens“ – und meint damit natürlich insbesondere kulturhistorische Museen, die das Vertraute verfremden und das Fremde vertraut erscheinen lassen. Aber für jüdische Geschichte in der Welt gilt dies im besonderen Maße. Alle Kategorien, alle Fiktionen von „Zugehörigkeit“ und „Unzugehörigkeit“, von „Fremdem“ und „Eigenem“ geraten im Blick auf „Jüdisches“ in Bewegung und werden herausgefordert. Das Judentum, genauer jüdisches Leben in Europa war lange Zeit als das exemplarische „Andere“ der christlichen Kultur begriffen worden. Exemplarisch und vor allem untrennbar mit dem Anspruch des Christentums verbunden. Das Christentum war undenkbar ohne seine Verbindung zum Judentum, zur jüdischen, biblischen Geschichte, die als „Vorgeschichte“, als „Prophetie“ des Christentums wahrgenommen wurde. Und untrennbar zu einer jüdischen Gegenwart, die im Interesse der christlichen Mehrheitsgesellschaft interpretiert wurde. Jüdisches Leiden machte aus der Sicht des Christentums symbolischen, ja metaphysischen Sinn. Und die Rolle von Juden*Jüdinnen als Agenten des Kulturtransfers und der transnationalen Beziehungen machte auch politisch, ökonomisch und kulturell Sinn – in den Augen und in den Grenzen der Mehrheitsgesellschaft. Also haben wir in unseren Ausstellungen immer wieder Räume geöffnet für die Wahrnehmung von zweideutigen Gegenständen, die so etwas wie Beziehungsräume öffnen. Ob das eine Ausstellung über die unterschiedlichen symbolischen und ganz realen „Besetzungen“ Jerusalems war oder eine Ausstellung über „Was Sie schon immer über Juden wissen wollten… aber nicht zu fragen wagten“, die sich mit den Fantasien über Juden*Jüdinnen beschäftigte, die Besucher*innen hier ins Haus tragen und die sich in ihren Fragen „verstecken“. Oder wir haben nach der Rolle von jüdischen Musikern, Komponisten und Produzenten in der Entstehung der globalen Musikkultur des 20. Jahrhunderts gefragt. Und in einer Ausstellung über das Branding und die Mythen von Tel Aviv und Jaffa universelle Fragen nach den Auswirkungen von Gentrification gestellt. Eine Ausstellung lud einfach dazu ein, ein „gewisses jüdisches etwas“ für eine Ausstellung ins Haus zu bringen und zu erklären, was es damit auf sich habe. Heraus kamen 100 Antworten auf die Frage, was Menschen für „jüdisch“ halten.

IS: Etwas grundsätzlicher zu den Aufgaben eines jüdischen Museums. Sollte es Aspekte von jüdischer Religion und Kultur in den Mittelpunkt stellen? Es gibt berechtigte Kritik daran, das Judentum auf eine Verfolgungsgeschichte und die Rolle von Opfern in der Shoah zu reduzieren. Gleichzeitig lässt sich die Geschichte von Juden*Jüdinnen kaum ohne diese beiden Aspekte erzählen. Gibt es einen Ausweg aus diesem Spannungsfeld?

HL: Ich glaube, dieses Spannungsfeld ist konstitutiv. Auch wenn ich seine Pole anders benennen würde. Als das Museum gegründet wurde, gab es erbitterte Auseinandersetzungen. Getragen freilich auch von der eminenten Bedeutung, die alle Seiten dem Thema zumaßen. Sollte das Museum ein Heimatmuseum der friedlichen Koexistenz von Juden*Jüdinnen und Christ*innen sein, sozusagen eine lokale Erfolgsgeschichte erzählen? Oder sollte es vor allem ein kritischer Stachel im Fleisch der Mehrheitsgesellschaft sein und dokumentieren, wie sehr das Leben der jüdischen Minderheit von der Willkür der Herrschaft, vom Verhalten der Mehrheitsgesellschaft, von Einschränkungen und Ressentiments geprägt war? Es war die eher affirmative Sicht auf das Judentum, auf die Jüdinnen*Juden, die stärker deren Fremdheit, symbolisiert durch Gegenstände der religiösen Praxis, betonen wollte. Und die kritische Perspektive wollte die Ausgrenzung als Praxis der Mehrheitsgesellschaft thematisieren.

In der konkreten Arbeit des Museums, schon in den Auseinandersetzungen um die Dauerausstellung, löste sich diese Polarisierung nicht auf, aber sie veränderte sich. Es ging nun nicht mehr nur um Antisemitismus vs. Religion, sondern um sich assimilierende Lebenspraxis vs. dissoziierende Ausgrenzungspraxis. Schon 1991 gelang es, den Blickwinkel zu verändern, der bis dahin vielerorts herrschenden Praxis, „Jüdisches“ über quasi ethnografisch wahrgenommenes „Kultgerät“ zu präsentieren, einen eher kultursoziologischen und zuweilen auch rechtshistorischen Ansatz entgegenzusetzen. Was fehlte, war das „Fleisch“ einer eigenen Sammlung und Ego-Dokumente, die stärker den Einblick auch in eine Binnenperspektive ermöglicht hätten. 

Als wir 2007 die Dauerausstellung vollkommen neu konzipierten, konnte das Museum auf eine solche Sammlung zurückgreifen, die aus dem gewachsenen Vertrauen der Nachkommen, aber auch mancher „einheimischer“ Sammler gewachsen war. Nun ging es darum, das Spannungsfeld von Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, von Identitätsbedürfnissen und Projektionen von außen auszuloten. Und dabei konnten nun auch die „metaphysische“ Dimension, die Rolle religiöser Sinnstiftungen, Traditionsbestände und ihr Wandel vor dem Hintergrund von krisenhaften Erfahrungen und zyklisch wiederkehrenden Lebensereignissen quer durch die Geschichte betrachtet werden. Und durch Objekte in ihrer ganzen Zweideutigkeit zwischen säkularem Alltag und Tradition, konkreter Familienerinnerung und „kollektiver“ longue durée repräsentiert werden. 
Dabei spielt der Aspekt der familiengestützten Gemeinschaftsbildung jenseits traditioneller Religiosität und nationaler Identitäten eine entscheidende Rolle – für die auch die genealogische Arbeit des Museums gleichsam symbolisch einsteht. 

IS: Die Mehrzahl der westeuropäischen Gesellschaften sind durch Einwanderung geprägt und werden als divers, als Migrationsgesellschaft oder als postmigrantisch bezeichnet. Siehst du die Aufgabe eines jüdischen Museums darin, Aspekte der Migration von Juden*Jüdinnen darzustellen? Und sollten diese in Bezug zu anderen Migrationsbewegungen gestellt werden? Funktioniert beides in einer rein nationalen Perspektive?

HL: Jüdische Geschichte ist Migrationsgeschichte. Und diese Migrationsgeschichte bedeutet spezifische Erfahrungen, die das Bewusstsein jüdischer Familien und die Lebensentwürfe einzelner Juden*Jüdinnen prägen. Häufig sehr viel mehr als traditionelle Formen religiöser Observanz. Freilich, jüdische Migrationsgeschichte ist nicht einfach identisch mit Migrationserfahrungen wie wir sie in der Gegenwart immer stärker als entscheidende Herausforderungen der Gesellschaft wahrnehmen. Man könnte sagen, in jüdischen Migrationserfahrungen verdichten sich Aspekte solcher Erfahrungen zugleich in einer longue durée und in symbolischen Deutungen, die auch jüdische Religiosität bzw. jüdische Identitätserzählungen prägen. Kurz gesagt: Jüdische Migrationserfahrung ist so wie andere Migrationserfahrung auch, aber sehr viel mehr so. 

Jüdische Familiengeschichte ist eine Geschichte von mehrfacher Migration, von fortwährender Prekarität, wenn auch manchmal auf ökonomisch allerhöchstem Niveau. Jüdische Geschichte ist eine Folge von Wanderungen und von Netzwerken, die schließlich eine polyzentrische Diaspora ausgebildet haben, mit bedeutenden Knotenpunkten, die selbst symbolische „Heimaten“ wurden, aber freilich auf Zeit. Auch die Hohenemser Nachkomm*innen sprechen von einer „Hohenemser Diaspora“.

Und die Gründungserzählungen des Judentums sind Erzählungen von Migration, Exil, Flucht und Befreiung und haben die religiöse Praxis eingefärbt, sozusagen den jüdischen Traum. Die Realität der „Rückkehr“ an den vermeintlichen Ursprung hingegen ist in vielerlei Hinsicht eine Geschichte von Enttäuschungen. Auch wenn sie uns als Erfolgsgeschichte verkauft wird. Die Geschichte der „Rückkehr“ nach Israel ist in Wirklichkeit eine Geschichte der Resignation. Eine Implosion, „eine Rückkehr des Kreises in sich selbst, das Ende einer Bewegung“, wie es Stefan Zweig in einem Brief an Martin Buber geschrieben hat, „eine tragische Enttäuschung wie jede Wiederholung“.

Und dies zu einem Zeitpunkt, wo Migrant*innen der Gegenwart neue diasporische Netzwerke ausbilden, freilich zumeist mit einem staatlich verfassten Mittelpunkt – aber auch mit Zentren, die in Auflösung begriffen sind, die sich selbst zerstören.

Jüdische Migrationsgeschichte ist, wie alles was mit dem Judentum zu tun hat, auch in dieser Gegenwart der Migrationen ein manchmal trügerischer, manchmal irritierender und verwirrender, manchmal auch paradoxe Erkenntnisse stiftendender Spiegel. Immer aber ein Anlass für Selbstbefragungen und Debatten.  

 

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