Empfehlung Fachdidaktik

Das Leben in der Platte in Bildern

Von Anne Lepper

Fernheizung, Einbauküche, Bad! Das Leben in der „Platte“ war nicht wirklich individualistisch, dafür hielten die neu gebauten Wohnsiedlungen jedoch ungewohnte Annehmlichkeiten für ihre Bewohner/innen bereit. So entwickelte sich die „Platte“ in der DDR schnell zu einer beliebten und allgegenwärtigen Wohnstätte. Der Bildband „Leben in der Platte“ illustriert anhand einer Vielzahl von Bildern aus den verschiedenen Jahrzehnten schlaglichtartig den Auf- und Niedergang der ostdeutschen „Betonwüsten“.

Hausgemeinschaft und Industrieromantik

Die ersten Seiten des Bandes sind geprägt vom Aufschwung. Tausende von Wohneinheiten entstanden in den neu gegründeten Bindestrich-Siedlungen der jungen Deutschen Demokratischen Republik wie Berlin-Marzahn, Halle-Neustadt, Leipzig-Grünau, Dresden-Gorbitz, und Montagebrigaden oder VMI-Einsätze („Volkswirtschaftliche Masseninitiative“) ermöglichten jedem/r Einzelnen, seinen/ihren persönlichen Teil zur Lösung der Wohnungsfrage beizutragen.

In den 1960er und 1970er Jahre zeigt sich dem/der Betrachter/in ein weitgehend harmonisches Betonidyll: Kinder planschen in Wasserbecken zwischen zwei zehnstöckigen Gebäuden, vor der Kaufhalle drängen sich Kinderwagen mit unbeaufsichtigten Säuglingen und im Vorgarten warten Flaschen voller Schaumwein auf die Verleihung der „Goldenen Hausnummer“. Doch zwischen dieser vermeintlichen Harmonie finden sich auch Bilder, in denen die Idylle bröckelt. Kinder spielen in kraterartigen Bauhinterlassenschaften mit Puppen, ein Mann bahnt sich auf dünnen Holzpanelen seinen Weg durch eine gigantische Pfütze, die sich auf der ungeteerten Straße gebildet hat. Die Folgen des schnellen Wachstums lassen sich an manchen Stellen nur notdürftig bereinigen. Es wirkt auf manchen Bildern, als sei die ganze DDR eine einzige, riesenhafte Baustelle, bei der dem Bauherrn zwischenzeitlich das Geld ausgegangen ist. Dabei geben sich die Menschen alle Mühe. Bemalte Hauseingänge, selbst organisierte Wohngebietsfeste und kollektive Recycling-Sammlungen zeugen von einem unbändigen Willen, die Gemeinschaft zu stärken und sich unter den gegeben Umständen möglichst angenehm einzurichten.

Wendezeiten

Das Bild ändert sich 1989 schlagartig. Leerstand und Zerfall machen Sprengungen und Demontagen in enormem Ausmaß notwendig. So sieht man beispielsweise ein Erfurter Hochhaus in einer riesigen Staubwolke zusammensacken oder einen Kran, der eine Dresdner „Platte“ in seine Einzelteile zerlegt als handele es sich dabei um einen Turm aus Schuhkartons. Doch einige der Abbildungen zeugen auch von einem wieder erwachenden Interesse an den grauen Bauten. Modernisierte Häuser, bunte Auftragsgraffitis und eine Pension im elften Stock eines Plattenbaus zeigen, dass die „Platte“ auch im vereinten Deutschland eine – wenn auch bescheidenere – Zukunft hat.

Fazit

Der Bildband vermittelt einen vielseitigen und anschaulichen Eindruck vom Leben in der „Platte“. Gerade heutige Jugendliche – weit nach 1989 geboren – bekommen so eine eindrucksvolle Vorstellung von der Lebensrealität, in der sich DDR-Bürger/innen im Laufe der Jahrzehnte bewegten.

Literatur:

Leben in der Platte. Fernheizung, Einbauküche, Bad! Bucher Verlag, München, 2013. 240 Seiten, 19,99 Euro.

 

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