Das vage Wesen: Der Kalte Krieg in zeitgenössischen Ausstellungen
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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
Von Gabriele Camphausen
Vor gut zwei Jahrzehnten ging das Zeitalter der klassischen Ost-West-Konfrontation zu Ende. Noch aber haben unsere Versuche, das Thema in Ausstellungen abzubilden, den Charakter einer zaghaften Annäherung. Wir scheinen die Schatten der langjährigen Auseinandersetzungen und der für sie typischen Reflexe noch nicht abgeworfen zu haben. Nicht dass wir die Konfrontation fortsetzen, aber noch scheuen wir uns in unseren Ausstellungen vor ungewohnten Denkanstößen, erst recht vor präzisen Bewertungen.
Woher diese Zaghaftigkeit?
In der deutsch-deutschen Nachkriegszeit galt die Haltung zum Ost-West-Konflikt − landläufig als Kalter Krieg bezeichnet − stets als ideologisch-politisches Statement. Bestimmte Meinungen, auch Fragen, waren kontaminiert, standen sie doch unter dem Verdacht, die Argumente der gegnerischen Seite zu stützen. Freund- und Feindbilder waren fest gemeißelt.
Viele, die in Westdeutschland zurzeit der Entspannungspolitik groß geworden sind, wollten mit den Kalten Kriegsmustern der Adenauer-Ära nichts mehr zu tun haben. Für sie galt ein anderes Bedrohungsszenario: statt der Sowjetunion gerieten die USA zunehmend in den Blickpunkt. Sich zur Freiheitsidee des Westens zu bekennen, wurde obsolet. Die amerikanische Politik in Vietnam galt als Fanal westlicher Unmoral, das die westlichen Werte als Ganzes in Frage stellte. Ein Vorbehalt, der auch in Kreisen der ostdeutschen Opposition vorzufinden war. Für die offizielle DDR-Politik blieb die Figur des "US-Imperialismus" eh bis zuletzt unangetastet.
Und heute? Wie steht es um unsere Einordnung der inzwischen historischen Fronten heute? Schauen wir auf die Ausstellungslandschaft, so finden wir oftmals eine möglichst zurückhaltende Darstellung von Geschichte, die auf Urteile verzichtet. Ein scheinbarer Verzicht: auch die dokumentierende Reflektion von Geschichte ist selbstverständlich ein Statement. Wir wählen aus, was wir zeigen, und indem wir auswählen, folgen wir unserem eigenen Wertekatalog und erschaffen ein vorgefasstes Bild. Gleichwohl ist es verpönt, sich zu diesem urteilsbildenden Kanon offen zu bekennen. Die klare Positionierung wird vielmehr mit Überwältigung gleichgesetzt, die Abwesenheit klarer Urteile hingegen mit Realitäts- und Wahrheitstreue und didaktischer Angemessenheit.
Letztlich aber führt uns die Bewertungsscheu in die Sackgasse der Äquidistanz. Indem wir vermeintlich zeigen, "wie es war", ohne unsere Kriterien zu kennen oder zu nennen, zeichnen wir Dinge als gleichrangig, die keineswegs gleichrangig sind. So geraten das Machtstreben der Sowjetunion und ihres Ostblocks auf der einen Seite und die Politik der USA und ihrer Verbündeten auf der anderen nahezu in Kongruenz. Das sich hieraus ergebende Bild: Beide Seiten arbeiteten mit unsauberen Manövern, auf beiden Seiten wirkten Sicherheitswahn und rigorose Praktiken. Dazwischen dann der betroffene Rest der Welt als Opfer der Großmächte.
In dieser Nachzeichnung wird der Ost-West-Konflikt auf das Moment machtpolitischer Interessen reduziert. Vertan wird die Chance, die mit der Konfrontation originär verknüpften Fragen der inhaltlichen Systemkonkurrenz zu ergründen. Worin bestehen die unterschiedlichen Politikkonzepte, welches Menschenbild, welcher Entwurf für die Gegenwart und Zukunft finden sich darin wieder? Wie verhalten sich Konzept und Praxis zueinander? Fragen von höchstem Interesse, die allenfalls im Hintergrund verblasst aufscheinen.
Reduziert erscheint auch der zeitliche Ansatz. Die Herausbildung des sogenannten Kalten Kriegs wird in die Endphase des Zweiten Weltkriegs gelegt. Dass sich die Systemkonkurrenz zwangsläufig schon mit der Gründung der Sowjetunion entwickelte, fällt dabei aus dem Blickfeld.
Mit dieser beschränkten Kontextualisierung und der Parallelsetzung der Akteure und ihrer Motive verliert die Blockkonfrontation an entscheidenden Konturen. Der Kalte Krieg wird zu einer amorphen Masse, und je gestaltloser er wird, umso mehr wird er zum Regisseur und Verantwortungsträger. Es ist der Kalte Krieg, der die DDR gründet, es ist der Kalte Krieg, der die Mauer baut, es ist der Kalte Krieg, der die Kuba-Krise heraufbeschwört.
Einer Neuorientierung bedarf schließlich auch unsere eurozentrische Sichtweise. Selbst wenn sich allmählich der Begriff Blockkonfrontation durchsetzen mag, unsere Perspektive ist nach wie vor durch die Vorstellung des Kalten Kriegs geprägt, die den heißen Krieg an den Rand drängt oder ausblendet. Die unmittelbare Zusammengehörigkeit von kriegsfreier Auseinandersetzung in Europa, militärischer Unterdrückung Oppositioneller in Osteuropa und bewaffneten Auseinandersetzungen in Asien und Afrika bleibt verborgen.
Es gibt jenseits dieses Mainstreams erfreulicherweise bereits auch andere Signale im Ausstellungswesen. So bot die Ausstellung im AlliiertenMuseum zum Berliner Spionagetunnel ein eindrucksvolles Gegenbeispiel zum eurozentrischen Blick. Als Auftakt der Ausstellung sah sich der Besucher in einem schwarzen Raum einer Filminstallation gegenüber: Bilder aus dem Koreakrieg. Eine unspektakuläre und zugleich tief wirkende Inszenierung. Die Beschäftigung mit der Idee der Freiheit wiederum − der politischen wie auch der privat-persönlichen − bildete den konzeptionellen Leitpunkt für die Ausgestaltung der Gedenkstätte Berliner Mauer. Der Freiheitsbegriff ist der Plafond der Darstellung, nicht der territoriale Machtkampf zwischen Ost und West. Und das Militärhistorische Museum in Dresden geht in seiner neuen Dauerausstellung auf die Verankerung der Bundeswehr im westlichen Bündnis ein − wobei damit keineswegs die rein militärspezifische Perspektive gemeint ist, sondern das Gedankengut von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Mit Spannung warten wir nun auf die Ausstellung, die in Kürze am Checkpoint Charlie in Berlin eröffnet wird. Sie bildet die Vorstufe zu dem geplanten Museum des Kalten Krieges, das an diesem bedeutsamen zeitgeschichtlichen Ort eingerichtet werden soll. Und sie wird mit Sicherheit ein weiteres Zeichen dafür geben, an welchem Punkt der Annäherung wir uns heute befinden. Vielleicht schaffen wir es ja eines Tages, das offene Bekenntnis zur Freiheitsidee nicht als ideologisches oder didaktisches Risiko zu begreifen.
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- 18 Apr 2012 - 06:23