Das Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR im Bezirk Rostock wurde Ende der 1950er Jahre nah am Zentrum der Stadt Rostock errichtet. Nicht einsehbar für Außenstehende, befand es sich auf dem Gelände der Bezirksverwaltung des MfS. Zwischen 1960 und 1989 inhaftierte die Staatssicherheit dort rund 4.900 Frauen und Männer sowie Jugendliche ab 15 Jahren überwiegend aus politischen Gründen, wie etwa „staatsfeindlicher Hetze“ und „öffentlicher Herabwürdigung“. Von besonderer Bedeutung war, dass der Bezirk Rostock als einziger in der DDR direkten Zugang zur Ostsee hatte. Diese war nicht nur als Grenze, Begegnungs- und Sehnsuchtsort allgegenwärtig. Die Ostseenähe führte auch dazu, dass ab den 1970er Jahren der Vorwurf der „Republikflucht“ über Land und See, oder deren Vorbereitung, Hauptgrund für Inhaftierungen wurde.
Das Untersuchungsgefängnis verfügte über rund 50 Zellen auf drei Etagen. Die Inhaftierten mussten im Durchschnitt vier bis sechs Monate Untersuchungshaft mit ständigen Vernehmungen und unter starker Isolation über sich ergehen lassen, bis sie durch ein Gericht formal abgeurteilt und in eine Strafvollzugseinrichtung verlegt wurden.
Die Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaft der Staatssicherheit Rostock (DuG Rostock) hat sich seit ihrer Eröffnung 1999 zu einem wichtigen Ort der Information und Dokumentation sowie des Gedenkens entwickelt. Bis 2017 teilten sich Bund und Land die Trägerschaft. Für die Arbeit vor Ort war der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Außenstelle Rostock, verantwortlich. Nach einer umfangreichen Sanierung von 2017 bis 2021 wurde die Gedenkstätte der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern als neuer Trägerin übergeben. Inhaltliche Schwerpunkte der Bildungsarbeit bilden sowohl die Repression durch die SED, das MfS und andere staatliche Institutionen als auch Verweigerung, Protest und Opposition von Menschen im Norden der DDR.
Seit der Wiedereröffnung im Juli 2021 dient eine neu erarbeitete Interimsausstellung in deutscher Sprache als Basis für eine eigenständige Erschließung des Ortes, seiner Geschichte und der Biografien von Menschen, die hier inhaftiert waren. Diese wird ergänzt durch wechselnde Ausstellungen sowie eine dauerhafte Sonderausstellung mit dem Titel „Über die Ostsee in die Freiheit“, erarbeitet vom gleichnamigen Verein.
Die DuG Rostock ist Dokumentations-, Gedenk- und Lernort. Die Funktion als Lernort hat in der Arbeitspraxis das größte Gewicht. Wir thematisieren in unserer historisch-politischen Bildungsarbeit insbesondere die Geschichte politischer Verfolgung und „eigen-sinnigen“ Handelns in der DDR, die sich gegenseitig bedingen. Denn die Entwicklung von Prinzipien wie Wirkungsweisen autoritärer Staaten und von widerständigen Einstellungs- und Handlungsmustern in der Bevölkerung gehören zusammen. Durch die Arbeit am historischen Ort werden Perspektiven von ehemaligen Inhaftierten vorrangig, aber nicht ausschließlich, berücksichtigt. Vielmehr bilden wir vielfältige und zum Teil kontroverse Erzählungen ab.
Aufgrund des spezifischen Ortes der Verfolgung durch das MfS ist eine Fokussierung auf Repression gegeben. Gleichzeitig kontextualisieren wir das Wirken des MfS im Gesamtgefüge der staatlichen und nicht-staatlichen Akteur:innen, insbesondere der SED. Dabei konzentrieren wir uns auf die Geschichte des Bezirkes Rostock und dessen regionale Besonderheiten wie etwa den direkten Zugang zur Ostsee, die ländlichen Räume sowie Spezifika wie das Kernkraftwerk Lubmin.
Wir richten unsere Bildungsarbeit an den Bedürfnissen der Gäste aus und stimmen Inhalte wie Methoden auf sie ab. In diesem Prozess sind wir ebenfalls Lernende, das heißt: Unser Lernort wirkt nach außen und innen. Grundsätzlich fördern und unterstützen wir selbstständiges und forschendes Lernen. Eine differenzierte, eigenständige und kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte, ausgerichtet auf unterschiedliche Gruppen von Besucher:innen, ist unser Ziel. Um dies zu erreichen, sind Vor- und Nachbereitungen unerlässlich. Diese beinhalten zielorientierte Absprachen und Gesprächsangebote im Vorfeld, eine transparente Planung der Angebote sowie die Möglichkeit zu Nachgesprächen.
Literatur
Schekahn, Jenny/Wunschik, Tobias: Die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Rostock. Ermittlungsverfahren, Zelleninformatoren und Haftbedingungen in der Ära Honecker, Berlin 2012.
Dokumentations- und Gedenkstätte Rostock
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Tel.: 01573 0285136
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