Spätestens, als im Frühjahr 2015 die griechische Schuldenkrise auf dem vorläufigen Höhepunkt angelangt war, wurden nicht nur aufseiten der neuen griechischen Regierung unter Alexis Tsipras und innerhalb der griechischen und teilweise auch der deutschen Gesellschaft immer wieder Stimmen laut, die darauf drangen, Deutschland zur Zahlung seiner Kriegsschulden und Reparationen zu verpflichten. In seinem Aufsatz in dieser Ausgabe hat Martin Schellenberg bereits darauf hingewiesen und ausführlich beschrieben, weshalb es in diesem Zusammenhang wichtig ist, sowohl die verschiedenen deutschen Verbrechen als auch die unterschiedlichen Forderungen Griechenlands voneinander zu unterscheiden und differenziert darzustellen.
Da die Kriegsschulden und Reparationsforderungen jedoch nicht selten sowohl von der Presse als auch im gesellschaftlichen Diskurs immer wieder miteinander vermischt und verwechselt werden, hat die Rechtsredaktion der ARD eine Art FAQ (Frequently Asked Questions) der Kriegsschulden und Reparationsforderungen erarbeitet und auf der Website der Tagesschau zur Verfügung gestellt.
Das Dossier, in dem die Thematik anhand verschiedener Fragen anschaulich und einfach dargestellt wird, ermöglicht einen sinnvollen Einstieg in die Problematik und bietet einen guten Überblick über die verschiedenen Diskurse und Konflikte, die sich an dem Thema entsponnen haben. Dabei bemühen sich die beiden Autoren Kolja Schwartz und Frank Bräutigam zwar um eine Darstellung aus einer rein juristischen Perspektive, verwenden dabei allerdings eine auch für Nicht-Jurist_innen gut verständliche Sprache. Dadurch, und auch aufgrund des übersichtlichen und ausführlichen, jedoch nicht überbordenden Inhaltes, bietet sich die Seite für eine Implementierung in den Unterricht an. Schüler_innen ab der Sekundarstufe I sollten in der Lage sein, sich das Thema anhand des angebotenen Materials und in kleinen Arbeitsgruppen selbstständig zu erarbeiten und anschließend zu präsentieren.
Zunächst geben die Autoren einen Überblick über die verschiedenen, infrage stehenden Kriegsverbrechen sowie die damit in Verbindung stehenden griechischen Forderungen. Dabei erklären sie auf anschauliche Weise verschiedene juristische Fragen und Komplexe, zum Beispiel, worin der Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Darlehen und einer Zwangsanleihe besteht. Weiterhin wird ein Überblick sowohl über das bisherige Verhalten der beiden Regierungen und deren grundsätzliche Haltung in Bezug auf die Forderungen gegeben und erklärt, auf welchen rechtlichen Zusammenhängen das spezifische Verhalten beider Regierungen basiert. Da in diesem Kontext die Frage, ob die griechischen Forderungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs bereits abgegolten wurden, den Diskurs bestimmt, gibt das Dossier außerdem einen Überblick über die verschiedenen Abkommen, die zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Feindstaaten seit Kriegsende geschlossen wurden – darunter das Londoner Schuldenabkommen von 1953, das spezifische Abkommen zwischen Deutschland und Griechenland aus dem Jahr 1960 sowie der viel diskutierte sogenannte Zwei-plus-Vier-Vertrag. Zusätzlich dazu stellen die Autoren Überlegungen an, welches Gericht für die Klärung der in diesem Zusammenhang zahlreichen offenen Fragen zuständig wäre, und geben einen Überblick über zurückliegende Klagen und Verfahren in diesem Kontext.