Online-Modul: Spanischer Bürgerkrieg

2.3.5 Besuch zweier deutscher Condor-Flieger im Gefängnis

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Der Bericht von Klaus Mann kann als Audio-Datei angehört werden.

Sprecher: Jascha Pampuch.

Von Klaus Mann

Warum hatten wir es uns in den Kopf gesetzt, gefangene deutsche Flieger zu besuchen? Eine Mischung aus Neugier und Pflichtgefühl bestimmte uns zu diesem Wunsch. Wir dachten, einerseits: Es ist interessant, es ist wichtig, es gehört dazu. Andererseits empfanden wir: Es ist aber auch etwas schauerlich, gefangene Landsleute zu besichtigen wie wilde Tiere […] Freilich sie sind unsere Landlaute nicht mehr; denn sie sind Nazis. Sie würden uns als ihre Kompatrioten gar nicht anerkennen. Sie sind unsere Feinde und dann gleich die andere Frage: Sind sie wirklich Nazis und unsere Feinde? Vielleicht treffen wir nur Verführte, Ahnungslose, Missbrauchte […]

[…] keiner von ihnen konnte älter als fünfundzwanzig sein. Die erste Überraschung war, dass sie vor uns stramm standen.

[...] Sie wogen vorsichtig ihre Worte und äußerten nichts, was ihnen für den Moment bei den Spaniern, oder was ihnen später, nach der Rückkehr, bei den Nazis hätte schaden können. Manchmal, wenn eine unserer Fragen ihnen verfänglich schien, antworteten sie nur: „Jawoll!“, wobei sie die Hacken zusammenschlugen und sich ruckhaft verneigten.

Als wir uns erkundigten, ob man sie aus Deutschland hergeschickt habe, behaupteten sie eifrig: „Nein, nein. Wir sind durchaus freiwillig gekommen“ „Dann seid ihr wohl recht leidenschaftliche Nationalsozialisten“, vermuteten wir, „und wolltet der Sache dienen.“ „Welcher Sache denn?“ Sie verstanden gar nicht recht, was wir meinten. „Wir sind aus purer Abenteuerlust gekommen“, gestand zutraulich der Brünette. „Wir wollten auch mal was erleben“, sagte er mit Munterkeit, die uns etwas schaurig berührte. „Wir waren Postflieger und machten die Strecke Hamburg – Sevilla. Na, dann hieß es plötzlich, es gibt Krieg, und ihr könnt was leisten. Das ließen wir uns denn nicht zweimal gesagt sein. Wir wußten ja nicht, daß es faul für uns ausgehen würde. Nun sind wir ja mal tüchtig ins Fettnäpfchen getreten.“ Dabei zuckte er bedauernd die Achseln. – „Nazis sind wir ja nie gewesen“, warf der blonde Verschlagene ein – damit wollte er wohl unsere Herzen gewinnen. „Wir sind Flieger“, konstatierte er mit einem Stolz, dessen Echtheit evident und fast gewinnend war. „Wir sind hergekommen, weil es für Flieger hier was zu tun gab.“

Zum Beispiel gab es Bomben in die offenen Städte, auf die Frauen und Kinder zu werfen – bemerkten wir. Ob sie das denn so heldenhaft fänden? – So was hätten sie nie gemacht, beteuerten die zwei Sachsen. „Wir sind immer nur über die Fronten geflogen“, versicherten sie – woran wir glauben konnten oder auch nicht. „Und überhaupt“, sagte der Blonde, „wenn wir eine Ahnung davon gehabt hätten, was hier wirklich los ist, dann wären wir ja gar nicht gekommen. Wir dachten, man muss die deutschen Interessen hier verteidigen, und in den Zeitungen hatten wir gelesen, Deutschland sollte eingekreist werden, die Russen und Franzosen wollten Spanien besetzen, alles nur aus Gemeinheit gegen uns Deutsche. Na, da waren wir ja ganz perplex, als wir rausbekamen, daß es auf der roten – auf der republikanischen Seite fast nur Spanier gibt, wo wir doch geglaubt hatten, es kämpfen da nur Russen und Franzosen.“ – Man darf eben nicht auf alles reinfallen, was in den deutschen Zeitungen steht, sagten wir. Die Sachsen grinsten: Das hätten sie nun auch schon bemerkt – und es klang wieder beinahe echt. 

[...] Wir gaben ihnen noch Zigaretten, die sie sich für den Abend aufheben wollten. Ehe wir uns trennten, schüttelten wir ihnen die Hände – freilich mit recht zwiespältigem Gefühl. Wieviel von dem, was wir erzählt bekommen hatten, war Lüge gewesen? Hatten die beiden sich vorher, Wort für Wort überlegt, was sie äußern, was sie verschweigen wollten? Wie naiv waren sie und wie schlau? Welche Mischung von Biedersinn und Durchtriebenheit in ihren Blicken und ihren Reden! Welcher Mangel an Spontaneität, an Leidenschaft, an Gesinnung! Weder über Zerknirschtheit noch über Hass wäre ich verwundert gewesen. Diese egoistische und freundliche Indifferenz war verwirrend. Wie unbegreiflich sind diese Deutschen – korrekt und grausam, gemütvoll und listig, brav und tückisch!

Quelle

  • Klaus Mann, Besuch bei gefangenen deutschen Fliegern, in: Wilfried F. Schoeller, Die Kinder von Guernica. Deutsche Schriftsteller zum Spanischen Bürgerkrieg, Berlin 2004.

 

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