Online-Modul: Spanischer Bürgerkrieg

6.2.1 Der Pakt des Vergessens

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Beitrags-Autor: Constanze

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Im November 1975 starb Diktator Francisco Franco. Inzwischen war die antifranquistische Opposition erstarkt. Doch sie war nicht stark genug, um die von ihr angestrebte demokratische Revolution zu erkämpfen. Auf der anderen Seite waren auch die Hardliner_innen des Regimes zu schwach, um einen Franquismus ohne Franco durchzusetzen.

In dieser politischen Pattsituation handelten PCE und PSOE schließlich mit reformwilligen Angehörigen der franquistischen Eliten einen Regimewechsel aus. Am Ende der Transición (Übergang) stand die Demokratisierung. Im Dezember 1978 stimmten die Spanier_innen mit großer Mehrheit für die Verfassung der neuen parlamentarischen Monarchie.

Der Bürgerkrieg war während der Transición allgegenwärtig. Es gab Ängste vor Racheakten und neuer Gewalt. In den Verhandlungen traf das Lager der Sieger_innen unter Ministerpräsident Adolfo Suárez auf die Verliererseite, die Kommunist_innen und Sozialist_innen. Beide Seiten hatten das Ziel, die „zwei Spanien“ miteinander zu versöhnen.

               Dolores Ibarruri (La Pasionaria) im symbolischen Handschlag mit Adolfo                        Suarez, spanischer Ministerpräsident, Foto: Maria Flórez

Die politischen Akteur_innen der Transición hatten ein Rezept für diese Versöhnung: „die Vergangenheit vergessen, um die Zukunft zu gewinnen“. Um die Aussöhnung zu erreichen, wollten sie die Ver­brechen und Opfer der Vergangenheit aus dem offiziellen Diskurs ausklammern. „Pakt des Vergessens“ wird diese geschichtspolitische Abmachung heute genannt.

Der Pakt des Vergessens bedeutete den Verzicht auf jegliche Aufarbeitung der Franco-Diktatur. Das hatte zum Beispiel zur Folge, dass noch lange Zeit Straßen, Plätze oder Schulen spanischer Städte die Namen von Offizieren des Putsches von 1936 oder franquistischen Ministern trugen und teilweise bis heute tragen.

Francos Mausoleum, das Tal der Gefallenen in den Bergen nahe der Hauptstadt, ist seit der Beisetzung des Diktators in der dazu gehörenden Basilika unverändert geblieben. Auf der anderen Seite versagte das offizielle Spanien dem jahrzehntelangen Kampf der Antifranquist_innen für die Demokratisierung des Landes beinahe jegliche Anerkennung.

Im Oktober 1977 kam es zum zentralen Akt der Versöhnungspolitik. Das neu gewählte Parlament verabschiedete ei­n Amnestiegesetz. Das hatte die Oppositi­on gefordert, um den letzten antifranquistischen Gefan­genen die Freiheit zu er­möglichen.

Zugleich wurden damit sämtliche Verbrechen der Diktatur amnestiert. Als Konsequenz ist kein franquistischer Mörder oder Folterer jemals verurteilt worden. Die Karrieren in Politik und Justiz, Militär und Polizei gingen bruchlos weiter. Auch die Enteignungen von Privatpersonen in der Nachkriegszeit wurden nie rückgängig gemacht.

                   Foto: CCOO Andalucía

In der Debatte um das Amnestiegesetz drückten die Abgeordneten ihren Willen zur Versöhnung aus. So sagte der Gewerkschafter Marcelino Camacho: „Wir Kommunisten [...] haben unsere Toten und unsere Wut begraben“ (Aguilar 2008: 295 f.). Doch in Wahrheit hatte die spanische Linke ihre Toten keineswegs beerdigt. Vielmehr blieben zehntausende Opfer des franquistischen Terrors in Massengräbern im ganzen Land „verschwunden“.

Für die Familien war es eine offene Wunde, ihre Angehörigen wie Tiere verscharrt zu wissen. Aus diesem Grund machten sie sich Ende der 1970er Jahre vor allem in ländli­chen Regionen daran, die Toten zu exhumieren und würdevoll beizusetzen. Dabei erhielten sie keinerlei Unterstützung, nicht vom Staat und auch nicht von den linken Parteien und Gewerkschaften.

Diese soziale Bewegung war moderat. Sie erhob keine weitergehenden politischen Forderungen, was Op­feransprüche oder strafrechtliche Verfolgung anging. Aber die Aktivist_innen hatten ein eigenes Rezept für die Aussöhnung der Spanier_innen: „erinnern, damit es sich nicht wieder­holt“. Davon wollte das offizielle Spanien jedoch nichts wissen. Der Pakt des Vergessens war fortan Teil der Staatsräson des demokratischen Staates.

Anfang der 1980er ebbte die Erinnerungsbewegung ab, auch weil ein Putschversuch militärischer Verbände die Aktivist_innen verängstigte. Erst ab dem Jahr 2000 nahm eine neue Generation die Suche nach den desaparecidos (Verschwundenen) und weitere Themen wieder auf.

Literatur:

  • Paloma Aguilar Fernández, Políticas de la memoria y memorias de la política. El caso español en perspectiva comparada, Madrid 2008.

  • Alexandre Froidevaux, Wenn Vergangenheit nicht vergeht, in: ders. (Hrsg.): 80 Jahre danach - Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939. Berlin 2016, S. 28-31.

  • Alexandre Froidevaux, Gegengeschichten oder Versöhnung? Er­innerungskulturen und Geschichte der spanischen Arbeiterbe­wegung vom Bürger­krieg bis zur Transi­ción (1936-1982), Heidelberg 2015.  

 

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