Janusz Korczak ist ein jüdischer Arzt und Pädagoge im Warschau der Dreißiger Jahre. Er ist in der Stadt bekannt als „der alte Doktor“ - so der Name seiner Rundfunksendung, die im Zuge des Vormarsches des deutschen Wehrmacht im September 1939 abgesetzt wird. Mit großem Idealismus und Einsatz leitet er ein Heim für jüdische Waisenkinder, in dem er seine reformpädagogischen Ansätze umsetzt. Vom latenten Antisemitismus in der polnischen Bevölkerung lässt er sich ebenso wenig schrecken wie vom Einmarsch der Deutschen in Warschau und zieht schließlich mit den 200 Kindern seines Heimes in das Warschauer Ghetto um. Auch dort versucht er, sein humanistisches Erziehungskonzept aufrecht zu erhalten und kümmert sich um die Versorgung seiner Kinder. 1942 wird er zusammen mit ihnen ins Konzentrationslager deportiert und ermordet.

Der polnische Regisseur Andrzej Wajda behandelt in seinen Filmen – so beispielsweise Kanal, Asche und Diamant oder Lotna - konsequent die Thematik des Zweiten Weltkrieges, der nationalsozialistischen Besatzung Polens und des polnischen Widerstandes. Auch in Korczak - entstanden 1990 als französisch-deutsch-polnische Koproduktion - nimmt er diese Themen anhand des Lebens und Engagements des Arztes Henryk Goldszmit (Janusz Korczak ist sein Pseudonym) auf.

Die Verwendung des Filmes im Unterricht ermöglicht dabei, sich verschiedenen Aspekten des Zweiten Weltkriegs zu nähern: Zunächst ließe sich die Entrechtung der Juden und ihre Vernichtung, das Leben im Warschau Ghetto oder auch der bereits vor 1939 herrschende Antisemitismus thematisieren. Des Weiteren präsentiert Wajdas Film das Schicksal von Kindern im Krieg, wobei diese auf der einen Seite im Sinne der Korczakschen Pädagogik als selbstständige Subjekte den Erwachsenen gleich gestellt sind, auf der einen Seite aber auf ihren Arzt und Ersatzvater fokussiert und von ihm abhängig erscheinen. Nicht zuletzt repräsentiert Korczak nicht den Typus eines Juden als Opfer, sondern er widersetzt sich aktiv indem er sich beispielsweise weigert, den Judenstern zu tragen. An seiner Person können beispielhaft Motivationen zum Widerstand und Haltungen und Handlungsmöglichkeiten im NS thematisiert werden. Darüber hinaus wäre eine spannende Thematik, Korczak in Hinblick auf die polnische Interpretation des Zweiten Weltkrieges und ihre Repräsentation in Wajdas Filmwerk zu kontextualisieren.

Als Hilfsmittel für Lehrerinnen und Lehrer, die Wajdas Werk im Unterricht behandeln möchten, bietet sich ein Filmheft vom Institut für Kino und Filmkultur an. Das Institut unterhält eine Internetplattform, auf der nach einer einfachen Registrierung zu unterschiedlichen Filmen kostenlose Hefte zum Download bereit stehen.

Das Heft zu Wajdas Korczak bietet dabei keine fertigen Unterrichtsentwürfe, sondern eine Informationssammlung, die Lehrkräften den Einsatz des Filmes im Unterricht erleichtern soll. Es enthält eine Analyse des Filmes, einen impulsgebenden Fragenkatalog sowie weitere Informationen zuüber den Regisseur Andrzej Wajda, zur realen Person Janusz Korczak, zum Warschauer Ghetto, der kontroversen Rezeption des Filmes in Frankreich sowie Literaturhinweise.

In seiner umfangreichen Analyse interpretiert der Autor des Filmheftes Herbert Heinzelmann Korczak als ein lehrstückhaftes Drama über einen Märtyrer, der somit die Legende Janusz Korczak konstituiert. Er analysiert dabei Aspekte wie die Ikonographie, die den Protagonisten häufig mit dem Rücken zum Betrachter in die Bildmitte des Vordergrundes positioniert, die Zuschreibung von Tugenden wie Barmherzigkeit und Beharrlichkeit zu Korczak und die Kameraperspektive, die Korczak häufig leicht von unten einfängt und somit überhöht. Auch antirealistische Momente wie das Aufscheinen eines Heiligenscheins hinter dem Kopf eines Jungens sowie die Schlussszene, in der die Kinder und Korczak in einem unscharfen Licht gezeichnet aus dem Deportationswaggon in die Freiheit entkommen, unterstützen Heinzelmanns These einer Interpretation des Filmes als Legendenerzählung.

So formulieren die Herausgeber der Filmhefte in der Einleitung den Anspruch, jungen Menschen in einer Medienlandschaft in der Filme einen zentralen Platz einnehmen, die Fähigkeit vermitteln zu müssen, Filme lesen zu können und ihre formale Sprache zu verstehen. Das Filmheft zu Korczak kann Pädagoginnen und Pädagogen dabei helfen, selbst die Aufmerksamkeit für das Verstehen lernen dieser Filmsprache zu entwickeln.

Das Institut für Kino und Filmkultur interpretiert das Kino als einen Lernort und bietet Kinoseminare an, in denen vermittelt werden soll, Filme lesen und kontextualisieren zu lernen. Ein spezielles Angebot besteht zu nationalsozialistischen Propagandafilmen, die als sogenannte Vorbehaltsfilme nur unter eingeschränkten Bedingungen im Rahmen von Bildungsveranstaltungen gezeigt werden dürfen. Auf der Homepage des Instituts finden Sie weitere Informationen zu diesen Filmseminaren und können das Instituts direkt für die Durchführung eines solchen Seminars kontaktieren.

Die Geschichte von Janusz Korczak wurde bereits auf unterschiedliche Weise in der Bildungsarbeit verarbeitet. Auf unserem Portal finden Sie bereits die Rezension eines Bilderbuches, sowie einen Bericht von einem Theaterstück über Korczak.

 

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