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Der Hungerplan im „Unternehmen Barbarossa“ 1941

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Wigbert Benz: Der Hungerplan im „Unternehmen Barbarossa“ 1941. Wissenschaftlicher Verlag Berlin (2011), 84 Seiten, 16,00 Euro.

Von Annemarie Hühne

„Der Kern des Nationalsozialismus besteht meines Erachtens darin, dass dieser die Völker der Welt in wertvolle und minderwertige einteilt.“ (S. 7), schreibt Wigbert Benz, Lehrer a.D., in den Vorbemerkungen des vorliegenden Buches. Benz publizierte zur Thematik des deutsch-sowjetischen Krieges 1941-45 bereits verschiedene Artikel in Fachzeitschriften und Zeitungen, Schulbuchanalysen und Unterrichtsvorschläge. Mit der aktuellen Publikation geht er nun anhand der Vernichtungsplanungen im „Unternehmen Barbarossa“ 1941 diesem, von ihm konstatierten Kern des Nationalsozialismus nach. Er erörtert dabei die Planungen, vor allem von Hermann Göring, mehrere Millionen Menschen in der Sowjetunion verhungern zu lassen. Im zweiten Kapitel führt der Autor eine Analyse des Feldzuges, verbunden mit den nationalsozialistischen Kriegszielen, der deutschen Kriegsführung und deren Besatzungspraxis durch. Besonders hervorzuheben ist in diesem Abschnitt die Erläuterung des Forschungsstandes und die historische Verortung des Hungerplans mit der Feststellung, dass dieser von vornherein als Vernichtungsplan angelegt war und nicht auf die schweren Kämpfe und Niederlagen der Wehrmacht zurückzuführen ist.

Das folgende Kapitel steht beispielhaft für die Herangehensweise des Autors an diese Thematik. Er zitiert wichtige Dokumente, wie Aktennotizen, Protokolle, aber auch Feststellungen weiterer Historiker besonders ausführlich und weist auf diese Vorgehensweise immer wieder explizit hin. Ziel dieses Abschnittes ist es, das Zusammenwirken der ideologischen Vorgaben mit den kriegswirtschaftlichen Sachzwängen anhand von konkreten Texten aus dem Jahr 1941 aufzuzeigen. Dem folgt eine Klärung der Begriffe, die in den Dokumenten und Feststellungen benutzt werden: Hungervorhaben, Hungerkalkül, Hungerpolitik und Hungerplan. Die bekannteste Bezeichnung „Hungerplan“ vernachlässigt die rassenideologischen Rechtfertigungen, was zu einer Befürwortung von „Hungerpolitik“ in diesem Kontext zu sprechen, führt. Eine weitere vom Autor ausführlich diskutierte Bezeichnung ist „Hungerkalkül“, welche die konkrete Bereitschaft zur Tötung durch Hunger als einkalkulierte Folge einbezieht. Obwohl im Vorwort angekündigt, lässt sich aus diesem Abschnitt des Buches nicht klar ablesen, aus welchem Grund der Autor sich für das Wort „Hungerplan“ im Buchtitel entschieden hat. Benz benennt zum einen die planvollen Überlegungen des nationalsozialistischen Verbrechens zur Vernichtungspolitik und zum anderen hebt er das Kalkül des Plans hervor.

Im vierten Kapitel beschreibt Wigbert Benz die entscheidenden Akteure, besonders Hermann Göring. Göring billigte den Hungerplan persönlich und wurde u.a. dafür in den Kriegsverbrecherprozessen von Nürnberg verurteilt. Bei Verweisen auf Aussagen Adolf Hitlers ist der Autor besonders vorsichtig und betont, nur zweifelsfreie Quellen genutzt zu haben, um die Verstrickung Hitlers in die Pläne darzustellen.

Im letzten Kapitel gibt der Autor eine knappe Übersicht über die Folgen des Hungerplans: Die Getreidelieferungen an Deutschland, Hungersnöte in den sowjetischen Großstädten, besonders in Leningrad und das massenhafte Verhungern von sowjetischen Kriegsgefangenen werden geschildert. Die dargestellten Auswirkungen haben einen exemplarischen Charakter und beschreiben so die bekanntesten Aspekte des nationalsozialistischen Verbrechens im „Unternehmen Barbarossa“.

Im Fazit des Buches befasst sich Benz mit dem Missverhältnis zwischen der Schwere der Verbrechen in der Sowjetunion und der heutigen Erinnerung daran. Der Hungerplan steht in einer Reihe von Großverbrechen mit dem Ziel der Tötung von Millionen Menschen. Doch bei einer Befragung von älteren Menschen in den 1980er Jahren zeigte sich, dass kaum Erinnerungen an die brutale Kriegsführung und Besatzungsherrschaft geäußert wurden. Benz sieht dies als einen Problempunkt der Erinnerungen an den Nationalsozialismus in den Nachkriegsjahren. Für den bevorstehenden 70. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion prognostiziert er, dass diese Thematik medial weitgehend unbeachtet bleiben wird. Ob die Befürchtung des Autors zutrifft, oder ob zahlreiche Vorträge, Gedenkveranstaltungen und Diskussionen zur Erinnerung an dieses Verbrechen eine angemessene Repräsentanz schaffen, bleibt abzuwarten.

Die vorliegende Monographie befasst sich mit einem wichtigen Kapitel der nationalsozialistischen Verbrechensgeschichte. Notwendigerweise kann sie aufgrund des geringen Umfangs und des Charakters einer Quellenpräsentation nur einen allgemeinen Überblick bieten. Die angegebenen Quellen bieten auf jeden Fall Anregungen zur eigenen Unterrichtsgestaltung, auch wenn eine didaktische Besprechung ausbleibt.

 

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