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Adolf Eichmann vor Gericht in Jerusalem

Einsicht – Bulletin des Fritz Bauer Instituts

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Markus Nesselrodt

Der Direktor des Fritz Bauer Instituts, Prof. Dr. Raphael Gross, bringt im Editorial der aktuellen Ausgabe der Einsicht auf den Punkt, warum wir uns weiterhin mit dem Eichmann-Prozess von 1961 beschäftigen müssen: Oft sei im öffentlichen Diskurs zum Prozess die Rede von der „Banalität des Bösen“. Doch dieser vielzitierte Ausspruch von Hannah Arendt besitze kaum Erklärungskraft dafür, wie der Holocaust geschehen konnte, so Gross. Wie die aktuelle Ausgabe der Einsicht, eines halbjährlich erscheinenden Bulletins des Fritz Bauer Instituts, zeigt, hat die historische Forschung Arendts Chiffre schon vor einiger Zeit hinter sich gelassen. Vielmehr als die Indifferenz und das Banale konzentrieren sich die Autorinnen und Autoren der vorliegenden Ausgabe deshalb auf die von antisemitischem Hass bestimmte Motivation in Eichmanns Handeln. Die Einsicht 05 macht es sich demnach zur Aufgabe, jene „komplexe Mentalität, zu der Überzeugungen, aber auch Gefühle wie Hass, Ekel, Neid und Größenwahn gehörten“ (S. 1) zu analysieren.

Insgesamt sechs Artikel widmen sich verschiedenen Aspekten des Eichmann-Prozesses, der vom 11. April bis zum 15. Dezember 1961 in der israelischen Hauptstadt Jerusalem stattfand. Den Auftakt bildet der Text der Eichmann-Forscherin Bettina Stangneth zu den so genannten Argentinien-Papieren. Diese von Eichmann im argentinischen Exil angefertigten Aufzeichnungen aus den 1950er Jahren sowie die 1998 aufgefundenen Tonbandaufzeichnungen seiner Gespräche mit Willem Sassen bilden bis heute unschätzbare Quellen für die historische Forschung zu Eichmann. Das in der ARD ausgestrahlte Dokudrama „Eichmanns Ende“ (2010) basiert auch auf den Forschungsergebnissen der Autorin.

Ruth Bettina Birn beschreibt am Beispiel des deutschen Staatsanwalts Dietrich Zeig, über welche Kenntnisse die israelische Anklagebehörde und die Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik im Eichmann-Prozess verfügten. Willi Winkler porträtiert Eichmanns Verteidiger, Robert Servatius, und rekonstruiert ein dichtes Gewebe aus Bestechungen, gegenseitigen Geheimdienstüberwachungen und Versuchen, den Prozess geldwirksam zu vermarkten, und kommt dabei zu beunruhigen Schlüssen. Lisa Hauff stellt überblicksartig den Verlauf des Prozesses dar und konzentriert sich auf die Schlüsselpersonen Eichmann, die Anwälte Hausner und Servatius sowie den Richter Landau.

Der Filmhistoriker Stewart Tryster rückt die Tatsache ins Zentrum seines Beitrages, dass der Eichmann-Prozess vollständig auf Videoband aufgezeichnet wurde (Lesen sie hierzu auch unsere Webempfehlungen, Link auf Youtube). Er beschreibt die Aufzeichnung und vor allem ihre Wirkungsgeschichte am Beispiel des fatal geschichtsentstellenden Dokumentarfilms „Ein Spezialist“ von Eyal Sivan. Der Artikel wird ergänzt von einer Dokumentarfilmübersicht zum Eichmann-Prozess von Christoph Schneider. Hierbei fällt vor allem auf, wie viele Dokumentationen sich bereits dem Verfahren gewidmet haben und wie nachhaltig sie die öffentliche Erinnerung an den Prozess geprägt haben.

Die vorgestellten Artikel über den Jerusalemer Prozess werden ergänzt von einem kurzen Beitrag von Andrea Löw und Markus Roth über die Einrichtung des Krakauer Ghettos vor 70 Jahren und einem ausführlichen Rezensionsteil. Hierin werden die wichtigsten Veröffentlichungen der vergangenen Zeit kritisch vorgestellt.

Die Ausgabe 05 der Einsicht präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse über den Eichmann-Prozess, beleuchtet seinen Verlauf und vor allem seine Rezeptionsgeschichte. Die Bildungsarbeit über die (Wirkungs-)Geschichte des Holocausts kann hierbei sicher einige hilfreiche Anregungen finden, insbesondere was die Bedeutung eines, per Videoaufzeichnung vermittelten, Gerichtsverfahren betrifft.

Adolf Eichmann vor Gericht. Der Prozess in Jerusalem, Einsicht 05, Bulletin des Fritz Bauer Instituts, Frühjahr 2011. Neben der pdf-Version kann das Heft auf der Homepage des Fritz Bauer Instituts auch in gedruckter Form bestellt werden.    

 

 

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