Zeitschrift: Erinnern an den Nationalsozialismus
Die geschichtspädagogische Zeitschrift „Geschichte lernen“ hat die Ausgabe von Mai 2009 dem „Erinnern an den Nationalsozialismus“ gewidmet. Das Heft will Schülerinnen und Schüler anregen „einen eigenen Standpunkt zur und in der ´moralischen Erinnerungsgemeinschaft´“ zu beziehen und Lehrerinnen und Lehrer Anstöße geben, wie Unterricht dazu anregen kann, eigene Formen des Erinnerns zu entwickeln.
Das Heft gliedert sich in zwei Bereiche. Der erste Teil stellt unter der Überschrift „Unterricht“ anhand einiger Gedenkstätten und Ausstellungen verschiedene Umgangsweisen mit der Geschichte vor. Hierzu werden Materialien zur Verfügung gestellt, die als Kopiervorlagen im Heft enthalten sind. Sie bestehen aus Infotexten, Quellen und Fotos. Übersichtlich weist jeder Beitrag zu Anfang auf Zielgruppe, Methoden, Zielkompetenzen und Zeitbedarf hin. Die Materialien behandeln den Umgang mit der jeweiligen Geschichte, nicht die historischen Geschehnisse selbst. Die Schülerinnen und Schüler können sich anhand dieses Materials also mit geschichtspolitischen Debatten vertraut machen.
Franziska Conrad geht in ihrem Beitrag „Erinnern und Gedenken in der DDR“ auf das Antifaschismuskonzept der DDR am Beispiel der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ ein. Die Materialien sollen verdeutlichen, in welcher Form die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald zur Legitimation des SED-Staates als Nachfolger des Widerstandes gegen den NS beitrug und somit Einsicht in den Konstruktcharakter von Geschichtsbildern ermöglichen.
Claus Bloss und Horst Brandl behandeln die Wanderausstellung über den Juristen Robert Kempner und zeigen auf, wie mit der Ausstellung im Unterricht gearbeitet werden kann. Kempner war in den Nürnberger Prozessen stellvertretender Hauptankläger der USA. Bloss und Brandl berichten dabei sehr konkret von ihrer eigenen Arbeit mit der Ausstellung im Unterricht. Am Beispiel Kempners thematisierten sie die Möglichkeiten der Freiheit des Einzelnen und die Voraussetzungen einer funktionierenden Rechtsordnung.
Anhand der Gedenkstätte im ehemaligen Jugend-KZ Moringen in Niedersachsen zeigen Jutta Rutenbeck und Diemar Sedlaczek den Wert lokaler Gedenkstättenarbeit als „Konfrontation mit der nahen Tat“ (Habbo Knoch) auf. Des Weiteren zeigen sie die Möglichkeit auf, über neue Formen der Auseinandersetzung wie medien-kulturelle Projekte selbst an der Geschichtsvermittlung mitwirken zu können und so Einsicht in den Konstruktionscharakter zu erhalten.
In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich Christian Heuer mit der „Goldhagen-Kontroverse“ als Gegenstand historischen Lernens. Die Goldhagen-Kontroverse als eine der zentralen Debatten deutscher Vergangenheitsauseinandersetzung können Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von umfangreichen Quellenmaterialien rekonstruieren. Tomas Unglaube versammelt in seinem Beitrag Infotexte, Fotos und Quellen zu vier ausgesuchten Mahnmalen zur Erinnerung an die Kindertransporte. Ein weiterer Beitrag von Dagmar Bäuml-Stosiek beschäftigt sich mit einer sehr persönlichen Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit: Wie gehen Menschen mit der NS-Vergangenheit der eigenen Familie um? Anhand der Familie von Karl-Otto Saurs (im NS Chef des Technischen Amtes) zeigen Buchausschnitte und andere Quellen beispielhaft wie die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geschehen kann.
Auf die umfangreichen Unterrichtsmaterialien folgt ein zweiter, kurzer Teil mit dem Titel „Forum“. An dieser Stelle werden ergänzende Literatur- und Internethinweise zum Thema versammelt. Die Rubrik „Jugendliteratur“ empfiehlt Romane, in denen vermehrt der Aspekt des Erinnerns in den Blick genommen wird, indem der Protagonist seiner eigenen Familiengeschichte auf die Spur kommt. „Internettipps“ stellt Webseiten vor, die sich mit Erinnerungskultur auf der einen und Opfergruppen der NS-Politik auf der anderen Seite beschäftigen. So wird deutlich, dass sich Erinnerungskultur und Dokumentation häufig überschneiden. Die Rubriken „Unterrichtsanregung“ und „Projekt“ stellen weitere Möglichkeiten der Beschäftigung mit Erinnerungskultur vor, und die „didaktische Reflexion“ beschäftigt sich mit der unterrichtlichen Verwendung komödiantischer Filme.
Die vorliegende Ausgabe von „Geschichte lernen“ bietet für jede/n Praktiker/in wertvolles Arbeitsmaterial. Das Thema „Erinnerung“ und die Beschäftigung damit werden glücklicherweise nicht (nur) theoretisch behandelt. Die umfangreichen Materialien bieten eine Möglichkeit, sich mit Erinnerungskultur im Unterricht zu beschäftigen.
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- 19 Jan 2011 - 11:30