“The Unwanted“ ist eine Online-Dokumentation über Umsiedlung, Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts. Durch erzählte Lebensgeschichten wird das Schicksal von Flüchtlingen und Vertriebenen nachgezeichnet. Die Dokumentation umfasst dabei Interviews, Quellen und Materialien zu Griechenland und der Türkei in den zwanziger Jahren, Deutschland und Polen in den vierziger Jahren sowie Bosnien-Herzegowina in den neunziger Jahren.

Der Menüpunkt „Zeitzeugen“ bietet Audiointerviews (ins Deutsche übersetzt und neu eingesprochen) sortiert nach neun verschiedenen Themen, eine Zeitleiste verschafft einen Überblick über die Ereignisse in den fünf Regionen im 20. Jahrhundert und „Quellen und Materialien“ fasst zentral alle Dokumente zusammen.
 
Für Lehrende in der historisch-politischen Bildung bietet das Lernportal von „The Unwanted“ außerdem ein umfangreiches Hilfsmittel zur Didaktisierung des Themas. Im Mittelpunkt des Lernportals stehen die Erinnerungen von Vertriebenen und Flüchtlingen. Sie können mittels ihrer Erzählungen, Fotos und anderer Quellen wie Dokumente und Karten nachvollzogen werden. Arbeitsaufträge helfen, die Quellen zu bearbeiten und eine selbstständige Interpretation und Einordnung der Zeitzeugenaussagen zu ermöglichen.
 
Eigenständig können Schülerinnen und Schüler sowie sonstige Nutzerinnen und Nutzer in Gruppen oder in Einzelarbeit sich den Themenbereich Zwangsmigration im 20. Jahrhundert aus verschiedenen Perspektiven erschließen.
Die Konzeption des Portals beruht auf einem umfassenden Verständnis des Begriffs Zwangsmigration. Sie verstehen ihn als einen „Sammelbegriff für die verwandten Phänomene von Flucht, Vertreibung und so genannter ethnischer Säuberung. Ihre Gemeinsamkeit ist die erzwungene Wanderung von einer bestimmten ethnischen Gruppe. Die Urheber der Zwangsmigration sind Regierungen (oder de-facto-Regierungen, wie im ehemaligen Jugoslawien), die dafür den staatlichen Machtapparat nutzen.“ Entsprechend den Inhalten des Webportals werden auch in den Materialien die Regionen Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Polen, Griechenland und Türkei thematisiert.
 
Die einzelnen Themenbereiche sind in vier Lernstationen gegliedert, die wiederum mindestens drei Arbeitsaufträge anbieten. Jeder einzelne Arbeitsauftrag ist eine in sich abgeschlossene Unterrichts- bzw. Lerneinheit von in der Regel 90 Minuten. Aufgabenstellung, Materialangebot und Vorschläge zur Präsentation der Ergebnisse gliedern den Arbeitsauftrag.
  • Lernstation 1 führt Schülerinnen und Schüler methodisch in das Lernportal ein, um den Umgang mit Zeitzeugenerzählungen und Fotos einzuüben.
  • Lernstation 2 befasst sich mit den Ursachen von Zwangsmigrationen in den einzelnen Fallregionen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen.
  • Lernstation 3 behandelt den Verlauf und die Kontexte von Zwangsmigrationen, die den einzelnen Ländern bzw. Fallregionen gemeinsam sind bzw. sich voneinander unterscheiden.
  • Lernstation 4 fragt nach Herausforderungen, die sich für Vertriebene und Flüchtlinge selbst und für die jeweiligen Gesellschaften nach erfahrener Zwangsmigration ergaben.
Anhand der Übersicht der einzelnen Lernstationen können Lehrkräfte den thematischen Zuschnitt und den zeitlichen Umfang des Unterrichts planen.
Es ist vorgesehen, dass Lehrerinnen und Lehrer den Lernprozess moderierend begleiten. Dabei können die Arbeitsaufträge frei und ohne eine vorgegebene Reihenfolge anhand der Übersichten zu den Lernstationen gewählt werden.
Die Materialien in den Arbeitsaufträgen liegen zum Download bereit und sind offline verwendbar. Die wichtigen Begriffe in den Lernstationen sind markiert und mit dem Lexikon verlinkt. Zur Vertiefung und Weiterarbeit sind themenspezifische Literatur- und Linktipps verfügbar.
 
Positiv hervorzuheben ist die Auswahl an Literatur und Quellen für den Teil zur deutsch-polnischen Geschichte. Auch die Zeitzeugeninterviews sind auf einem qualitativ hohen Niveau und bereichern die Unterrichtspraxis.
Allerdings ist eine kritische Hinterfragung des verallgemeinernden Zwangsmigrationsansatzes durchaus berechtigt und kommt auf dem Portal selbst zu kurz. Denn leicht werden so Spezifika verwischt und es kann der Eindruck von kontextlosen Vertreibungen, deren jeweiligen Ursachenkomplexe – beispielsweise im Falle der emotionalen Aufladung der Vertreibungsdebatte in Deutschland und Polen - nur verschwommen verstanden werden, entstehen.