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Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Margret Kampmeyer-Käding / Cilly Kugelmann (Hrsg.): Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics. Eigenverlag Jüdisches Museum Berlin. Berlin 2010. 126 Seiten. Euro 19,80.

Ingolf Seidel

Die Didaktisierung von Comics in der historisch-politischen Bildung ist derzeit en vogue: Das Anne Frank Zentrum leistet mit der deutschsprachigen Ausgabe von „Die Suche“ und den Unterrichtsmaterialien dazu einen wichtigen Beitrag. Davon zeugt auch eine gemeinsame Fachkonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Anne Frank Zentrum im Mai dieses Jahres. Ebenso hat das prämierte Modellprojekt kunst – raum – erinnerung des brandenburgischen Bildungsverbunds mit Comicworkshops gute Erfahrungen machen können.

So ist es denn auch naheliegend, dass sich das Jüdische Museum Berlin (JMB) mit Aspekten des Comics und seiner Prägung durch jüdische Zeichner/innen und Verleger beschäftigt. Die derzeit im JMB zu sehende Ausstellung trägt den Titel „Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics“. Unter demselben Titel ist ein großformatiger Katalog mit vertiefenden Essays erschienen.

Die Ausstellung lehnt sich an das Konzept einer Schau an, die vom Pariser Musée d‘art et d’histoire du Judaisme und dem Amsterdamer Joods Historisch Museum geschaffen wurde und in Deutschland bereits einmal in ähnlicher Dramaturgie im Jüdischen Museum Frankfurt am Main unter dem Titel „Superman und Golem“ gezeigt wurde. Für Berlin wurde die Ausstellung teilweise neu konzipiert.

Der Begleitband zur Ausstellung fasziniert bereits beim ersten Anschauen: Aus einem hellgrau-transparenten Blatt schießt einem die grüne Faust des „Hulk“ von Jack Kirby und Stan Lee entgegen. Die Titelfigur einer bekannten Serie der Marvel-Comics symbolisiert in einer herausragenden Eindeutigkeit eine moderne Variante des Golem-Mythos. Der gesamte Band ist reich und liebevoll illustriert mit farbigen Titelbildern, Ausschnitten und einzelnen Comicstrips. So wird bereits das Blättern im Katalog zu einem intensiven visuellen Erlebnis und das Auge verweilt an einzelnen Seiten, die Erinnerungen an die frühe Lektüre des MAD-Magazins wachrufen.

Sieben Essays greifen unterschiedliche Aspekte der „jüdischen Farbe des Comics“ auf. Paul Buhle, ein us-amerikanischer Comicforscher, führt in seinem einleitenden Beitrag in das historische Verhältnis von „Juden und Comics“ ein. Er beschreibt die „Comics als Ausdruck moderner Alltagskultur“, die eine „längere, nicht spezifisch jüdische Geschichte“ (S. 13) haben. Allerdings sei die gesellschaftliche Position von Außenseitern, die gerade jüdische Einwanderer aus Osteuropa in den USA inne gehabt hätten, dazu prädestiniert gewesen, die dortigen Verhältnisse populär zu kommentieren. Allerdings war es vor allem das Genre der Comic-Hefte, in dem jüdische Zeichner, Texter und Unternehmer Fuß fassen konnten. Der Zugang zu den Comic-Strips der Tageszeitungen blieb jüdischen Künstlern, auch durch antisemitische Ressentiments bedingt, häufig versperrt.

In zwei Texten beschäftigen sich Jens Meinreken mit der Geschichte der Superhelden-Comics am Beispiel der 1938 entstandenen Figur des Superman und Alexander Braun mit den amerikanischen Comic-Heften der 50er Jahre, die sich in einem Spannungsfeld zwischen einem bildenden („Educational“) Anspruch und reiner Unterhaltung bewegten. Die „Educational Comics“ konnten sich langfristig gegen die Hefte, die in der Tradition von Pulps, also Groschenromanen standen ökonomisch nicht behaupten. Von Gegnern wurden die Comics in den Vereinigten Staaten wegen freizügiger Darstellungen und wegen ihres angeblichen Beitrags zur Verrohung der Kultur angegriffen. Letzteres galt vor allem für Kriminal –und Horrorcomics. Gegen sie wurden in den späten 1940er und 50er Jahren ähnliche Argumente ins Feld geführt wie aktuell gegen manche Computerspiele – bei jeweils gleichzeitiger Ignoranz gegen sich verschärfenden sozialen Verhältnisse. Hinzu kam in den USA ein Klima zunehmender Zensur der McCarthy-Ära, die weniger die Pulp-Romane traf, sondern häufig ambitioniertere Geschichten.

In weiteren Aufsätze des Katalogs schreibt Trina Robbins über das „Wimmen’s Commx Collective“, also über „Comix von jüdischen Frauen“, Ole Frahm widmet sich in „Fugen des Unverfügbaren“ der jüdischen Perspektive der Graphic Novels. Andreas Platthaus thematisiert den so genannten „Underground“ des us-amerikanischen Comics und die unterschiedlichen Themen und Künstler/innen mit sozialkritischem Hintergrund seit den späten 60er Jahren. Abschließende erzählt Galit Gaon die weniger bekannte Geschichte des Comics in Israel.

Es ist zu hoffen, dass sowohl der Katalog als auch die Ausstellung nicht nur Liebhaber/innen des Mediums anziehen. Comics und Graphic Novels sind ein Ausdruck von populärer Kultur. Im Angesicht von manchen, billig auf den Markt geworfenen Taschenbüchern mit literarischem Anspruch und einer weiter ausgreifenden Kulturindustrie braucht so manche Bildgeschichte im Hinblick auf Grafik und Text den Vergleich nicht zu scheuen. Es wäre zu wünschen, dass das Erlernen von Fähigkeiten wie ein Comic zu lesen und zu interpretieren ist, Eingang in den schulischen Bildungskanon und in die Curricula findet. Für die notwendige Förderung visueller Kompetenz unter Jugendlichen kann ein didaktischer Umgang mit dem Medium viel leisten. Außerdem schaffen Ausstellung und Katalog Zugänge zu Aspekten von Jüdischkeit jenseits einer Reduktion jüdischen Lebens auf den Holocaust und auf oberflächliche Klezmer-Romantik. Das Jüdische Museum Berlin bietet mit dem Band zur jüdischen Perspektive in den Comics einen guten und gelungenen Anlass für die eigene Auseinandersetzung.

Die Ausstellung "Helden, Freaks und Superrabbis - Die jüdische Farbe des Comics" ist noch bis zum 8. August 2010 im Jüdischen Museum Berlin zu sehen.

Zum Weiterlesen: Ein Artikel bei ZEIT-Online (vom 07. Juni 2010) Comics. Jenseits von Asterix und die Herausgeberinnen im Interview mit dem Deutschlandradio am 14. Mai 2010.

 

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