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Leben und Überleben von Schwarzen im Nationalsozialismus

Von Rosa Fava

Der Schwarze Deutsche Theodor Wonja Michael fasst die Situation von Schwarzen im Nationalsozialismus in die Worte: „Man tötete uns nicht, man ließ uns aber auch nicht leben.“ Seit einiger Zeit erscheinen immer mehr Publikationen und auch einige pädagogische Handreichungen, die es ermöglichen, das Thema mit Jugendlichen zu bearbeiten.

Die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD) bezeichnet als Schwarze diejenigen Menschen, die vom Rassismus gegen Schwarze betroffen sind. Im Folgenden werde ich zusammenfassen, welche Maßnahmen die Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen gegen Personen trafen, die sie im Allgemeinen als „Neger“, „Farbige“, „Neger-“ oder „Marokkanermischlinge“ kategorisierten.

Gab es eine spezifische Verfolgung von Schwarzen?

Eine Formulierung Hitlers in „Mein Kampf“ eignet sich für einen kontrastierenden Vergleich von antischwarzem Rassismus und Antisemitismus: „Juden sind es, die den Neger an den Rhein bringen, immer mit dem gleichen Hintergedanken und klarem Ziele, durch die dadurch zwangsläufig eintretende Bastardisierung die ihnen verhasste weiße Rasse zu zerstören“. Hier wird das spezifisch antisemitische Phantasma der Weltherrschaft von „Juden“ deutlich. Genauso deutlich werden die selbstverständliche, kolonialrassistische Prämisse einer Minderwertigkeit von Schwarzen sowie die Halluzination der Gefährdung der „weißen Rasse“. Gemäß diesem zentralen Unterschied in der Feinbildkonstruktion ergriffen die Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen keine Maßnahmen, um Schwarze systematisch zu vernichten oder zu verfolgen.

Dennoch war der Alltag von Schwarzen in Deutschland von Ausschluss und „rassischer“ Verfolgung geprägt. In den Verordnungen und Kommentaren zu den Nürnberger Gesetzen wurde geregelt, dass Schwarze von der Reichsbürgerschaft ausgeschlossen und dass Eheschließungen mit Weißen verboten waren. Der Reichsinnenminister ordnete bei der Beurteilung von „Mischlingen“ besondere Vorsicht an, da „Negerblut“ „häufig noch in der 7. oder 8. Generation äußerlich deutlich in Erscheinung“ trete. Außereheliche Liebesverhältnisse waren nicht verboten, wurden aber faktisch oft verfolgt.

Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland

Eine Gruppe von Schwarzen erlitt allerdings systematisch ausgeführtes Unrecht: Kinder weißer Frauen und schwarzer Soldaten (überwiegend aus Algerien und Marokko) aus der Zeit der Rheinlandbesatzung. Diese Kinder und Jugendlichen galten als „Mischlinge“ und daher als besonders „gefährlich“. Mindestens 436 von ihnen wurden 1937 unter Geheimhaltung sterilisiert. Schon 1933 wurden die Papiere der Schwarzen aus den ehemaligen deutschen Kolonien eingezogen und sie bekamen einen so genannten Fremdenpass. Einer Hand voll Personen, die eingebürgert waren, wurden zudem die deutschen Pässe entzogen. Schwarze wurden aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und hatten keinen Anspruch auf staatliche Fürsorge. Gleichzeitig bemühten sich jedoch kolonialrevisionistische Einrichtungen um die Unterstützung von Schwarzen, mit der Begründung, es handele sich um „treue Askaris“ (afrikanische Soldaten der „Schutztruppen“ in den deutschen Kolonien), denen ihr Dienst für Deutschland vergolten werden müsse.

Trotz der Ausschlussmaßnahmen waren auch einzelne Schwarze in der Hitlerjugend und in der Wehrmacht. Viele Schwarze unterschiedlicher Herkunft fanden zeitweise in der ab 1936/37 staatlich geführten „Deutschen Afrika-Schau“ (bis 1940) sowie als Komparsen und Komparsinnen für kolonialistische Propagandafilme einen geschützten Raum. Einzelne galten als Sprachlehrer bzw. Übersetzer als unabkömmlich. Ab 1939 erfolgten Schulverbote für „Mischlinge“. Einige Schwarze wurden nachweislich auf Grund der „Rassenhygiene“ in Konzentrationslager inhaftiert. Als 1943 alle Pläne zur Rückgewinnung der ehemaligen Kolonien in Afrika offiziell widerrufen wurden, verschlechterte sich die Situation von Schwarzen in Deutschland weiter und die meisten Spuren verlieren sich.

Warum das Thema?

Die Thematisierung der Situation von Schwarzen im Nationalsozialismus ist aus mehreren Gründen wichtig: Zum einen spiegeln sich darin zentrale Momente nationalsozialistischer Ideologie. Im kontrastierenden Vergleich werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Antisemitismus und zum Antiziganismus deutlich. Zum anderen gerät das Thema „Heterogenität von Deutschen“ in den Blick, und zwar sowohl an Hand der im Allgemeinen übersehen Gruppe von Eingewanderten aus den Kolonien als auch an hand der „autochthonen“ Rheinlandkinder. Die Behandlung dieser Schwarzen wiederum macht eine grausame Variante der Herstellung einer „weißen“ Nation sichtbar. Zum Dritten lässt sich das Thema Kolonialismus in die Behandlung des Nationalsozialismus integrieren, so dass die beiden Unterrichtsgegenstände nicht als beziehungslos oder sogar in Konkurrenz zueinander betrachtet werden müssen.

Last but not least geht es auch darum, lange ignorierte nationalsozialistische Verbrechen gegenüber einer ebenso ignorierten Bevölkerungsgruppe ins Bewusstsein zu rücken. In den Lebensläufen einzelner Schwarzer Deutscher greifen die genannten „großen Themen“ selbstverständlich in einander.

Zum Weiterlesen und für die Bildungsarbeit seien die folgend genannte kompendiumsartige Einführung sowie die Handreichungen empfohlen:

  • Peter Martin/Christine Alonzo (2004): Zwischen Charleston und Stechschritt. Schwarze im Nationalsozialismus. Hamburg und München.
  • Heike Deckert-Peaceman/Uta George/Petra Mumme (2003): Konfrontationen. Bausteine für die pädagogische Annäherung an Geschichte und Wirkung des Holocaust. Heft 3: Ausschluss. Hrsg. v. Fritz Bauer Institut, Frankfurt/Main.
  • Ehricht, Franziska/Elke Gryglewski (2009): GeschichteN teilen. Dokumentenkoffer für eine interkulturelle Pädagogik zum Nationalsozialismus. Hrsg. v. Miphgasch/Begegnung e.V. und Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin. 1 Broschüre mit 10 Mappen. + 1 CD-ROM

 

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