Zur Vertiefung

Eine Geschichte des Sklavenhandels bis in die Gegenwart

Rüdiger José Hamm, Jahrgang 1975, Diplom-Politologe, Promoviert am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der FU Berlin zur Thematik „Die Multiethnische Erfahrung in Deutschland“, Lehrbeauftragter an der FU-Berlin und der Evangelischen Fachhochschule Berlin.
Von Rüdiger José Hamm

Sklaverei bezeichnet den Zustand der vollkommenen rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit eines Menschen, der Eigentum eines anderen Menschen ist und somit dem Willen des „Herrn“ vollkommen unterworfen ist. Hauptsächlich dient die Sklaverei der Ausbeutung von Arbeitskraft der zu Sklaven erklärten Menschen.

Sklaverei wird in der Regel ausschließlich mit der Zeit der europäischen Antike und des transnationalen Sklavenhandels in Verbindung gebracht. Entgegen dieser öffentlichen Wahrnehmung existiert Sklaverei auch heute und kommt nicht nur in einigen Regionen der Welt vor. Sklaverei ist nicht ausgestorben.

Auch entgegen des Verbots der Sklaverei, etwa durch den Völkerbund im Jahre 1926 oder trotz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Artikel 4: „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten“), gibt es heute neue Formen der Sklaverei.
Es bietet sich daher ein kurzer Überblick über die Geschichte der Sklaverei bzw. deren Formen an, um den heutigen Menschenhandel als neue Form der Sklaverei bezeichnen zu können.

Von der Antike bis zur Gegenwart haben Menschen in unfreien Lebens- und Arbeitsverhältnissen gelebt. Antike Gesellschaften wie Mesopotamien, Ägypten, Griechenland oder Rom wären ohne die systematische Entrechtung und Ausbeutung der Sklavenschicht kaum denkbar gewesen. Im antiken Griechenland profitierten athenische Bürgerinnen und Bürger von der Arbeitsentlastung durch Sklaven und Sklavinnen und konnten am „demokratischen“ Gesellschaftswesen teilnehmen.

Auch das römische Weltreich war eine Sklavenhaltergesellschaft. In der Blütezeit Roms standen 20.000 römischen Bürgerinnen und Bürgern 400.000 Sklavinnen und Sklaven gegenüber, die in allen Lebensbereichen Arbeit ohne Lohn verrichteten. In der Regel wurden nach kriegerischen Auseinandersetzungen unterlegene Feinde versklavt. Die Nachkommen der versklavten Menschen wurden in die Sklaverei geboren. Menschen konnten jedoch auch z. B. über die Schuldknechtschaft in die Sklaverei gelangen. Der Sklave war in Rom seinem rechtlichen Status nach eine Sache (res), nicht Person (persona).

Sklavenhandel gab es beispielsweise auch in der präkolumbianischen Zeit Amerikas, z.B. bei den Inka, Azteken oder Maya, die Sklaven auch zu rituellen Opferungszeremonien für verschiedene Gottheiten „verwendeten“. Im islamisch-arabischen Raum fand vor allem zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert ein reger Sklavenhandel statt. Vor allem Sklaven aus Osteuropa wurden über das Schwarze Meer und aus Mitteleuropa verschleppt. Nach Schätzungen von Historikern und Historikerinnen, entspricht der Umfang des Handels mit Sklaven zwischen dem 7. und dem 20. Jahrhundert in diesem Raum etwa der Größenordnung des Sklavenhandels im atlantisch-amerikanischen Raum zwischen dem 15. und 19.Jahrhundert. Gesicherte Daten existieren jedoch nicht.

Die wohl bekannteste Phase in der Geschichte der Sklaverei begann mit der so genannten Entdeckung der Neuen Welt im Jahre 1492 durch Christoph Kolumbus. Im Zuge der gewaltvollen Eroberung der „Neuen Welt“, verpflichteten spanische und portugiesische Kolonialherren in Amerika die indigene Urbevölkerung zur Zwangsarbeit auf Plantagen und Bergwerken. Viele Indigene (die in rassistischer Weise auch als Indianer oder Indios bezeichnet wurden), konnten die Anforderungen der Kolonialherren nicht erfüllen, weil sie zum einen durch eingeschleppte europäische Infektionskrankheiten millionenfach starben und zum anderen erbitterten Widerstand leisteten.

So kam es schließlich zum transatlantischen Sklavenhandel, der dazu diente, die Sklavenarbeit durch schwarzafrikanische Sklavinnen und Sklaven verrichten zu lassen. Millionen von Schwarzafrikanerinnen und –afrikanern wurden in die Sklaverei verschleppt, um auf Plantagen in Lateinamerika, in der Karibik und in den Südstaaten der USA zu arbeiten. Diese Phase des transatlantischen Sklavenhandels währte rund 400 Jahre und stellt somit eines der größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, die bis heute Nachwirkungen in allen Teilen der Welt besitzt. Ohne die Ausbeutung der Kolonien, hätte beispielsweise die westliche Industrialisierung in dieser Form nicht stattfinden können.

Während des Zeitalters der so genannten Aufklärung kam es zu einem Stimmungsumschwung in Europa und Amerika gegenüber der Sklaverei. Ereignisse wie die Selbstbefreiung der Sklaven im heutigen Haiti (1791-1803) oder die Bewegung der amerikanischen Abolitionisten (engl. abolition = Abschaffung, Aufhebung), leiteten die Abschaffung der Sklaverei langsam ein. Die Aufhebung der Sklaverei in den Südstaaten der USA zum Ende des Sezessionskrieges (1865) markierte das Ende der institutionell legitimierten Sklaverei in den Industrienationen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sklavenhandel auch auf dem afrikanischen Kontinent formell verboten.

Mittlerweile existieren eine Reihe von Abkommen, Erklärungen und Konventionen etwa auf Ebene der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union (Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 4, Verbot der Sklaverei und des Menschenhandels) die Menschenhandel, Zwangsprostitution, Kinderhandel und Leibeigenschaft als neue Formen der Sklaverei bezeichnen. Unter dem Titel „Menschenhandel - ein Verbrechen, das uns alle beschämt“, erschien im Februar 2009 ein Bericht vom Büro der Vereinten Nationen für die Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien. Der UNODC-Exekutivdirektor, Antonio Maria Costa, spricht im Vorwort des Berichtes davon, dass der Begriff Menschenhandel in die Irre führen könnte: der Begriff Sklaverei bezeichnet die im Bericht beschriebenen Verbrechen präziser.

Damit wird ein politisches Tabu benannt, da fast alle 192 UNO-Staaten die bereits 1956 vereinbarte "Konvention zur Abschaffung der Sklaverei" ratifiziert haben und somit keine Regierung der Welt gerne zugibt, dass auf dem eigenen Territorium ihres Landes (und darüber hinaus auf transnationaler Ebene) Sklaverei stattfindet.

Aus dem Datenmaterial des UNODC wird ersichtlich, dass weltweit Zwangsprostitution und andere Formen sexueller Ausbeutung von Frauen und Mädchen mit 79% der bei weitem häufigste Zweck von Menschenhandel sind. Der hauptsächlichen sexuellen Ausbeutung folgen Zwangsarbeit mit 8% sowie Hausarbeit und die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten. Der überwiegende Teil des Menschenhandels findet innerhalb einer Region (z. B. in Europa von Ost nach West) oder innerhalb eines Landes statt. Der transkontinentale Menschenhandel, bei dem vor allem Frauen und Mädchen aus dem asiatischen Raum die Opfer sind, ist weltweit betrachtet heute eher die Ausnahme. In 20% aller entdeckten Fälle von Menschenhandel waren die Opfer Kinder unter 14 Jahren.

Die Daten stehen jedoch teilweise auf einer unsicheren Basis, da der Menschenhandel im Geheimen erfolgt. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen werden heute mindestens 12,3 Millionen Menschen ständig in einer Form der Sklaverei gehalten. Das sind sogar mehr als die geschätzten 10 bis 12 Millionen Menschen, die in den 400 Jahren des transatlantischen Sklavenhandels insgesamt nach Amerika verschleppt wurden.

Erschreckend bei den neuen Formen der Sklaverei ist auch, dass der Menschenhandel ein sehr lukratives Geschäft geworden ist, bei dem sich weitaus mehr Profit erzielen lässt, als etwa beim Drogenhandel. Im Vergleich zum transatlantischen Sklavenhandel, lässt sich in der globalisierten Welt die „Ware Mensch“ leichter transportieren und der Handel ist mit Hilfe der heutigen Informationstechnologie besser zu koordinieren.

Betrachtet man den heutigen Menschenhandel unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung für die Menschenhändler und –händlerinnen, dann wird deutlich, dass er viel zu profitabel ist, um „von selbst“ zu verschwinden. Soll Sklavenhandel wirklich beendet werden, müssen transnationale Rechtsinstrumente geschaffen werden, die das Phänomen eindämmen und vielleicht beseitigen können. Hierzu gehört auch die Ächtung von Waren und Dienstleistungen, die direkt oder mittelbar durch Sklavenarbeit entstehen und in den so genannten entwickelten Ländern nachgefragt werden. Wichtig ist hier, dass sich vor allem international tätige Unternehmen zu sozialen Standards bekennen.

Der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, bemerkte in seiner Rede zum Internationalen Tag für die Abschaffung der Sklaverei: „Der Internationale Tag für die Abschaffung der Sklaverei ist der Tag, an dem wir anerkennen müssen, dass Sklaverei trotz jahrhundertelanger Bemühungen in unserer Welt nicht völlig beseitigt worden ist. Viele Formen der Sklaverei gibt es noch immer, unter ihnen Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Sklaverei für rituelle und religiöse Zwecke. Die Welt setzt sich nun mit einer neuen Form der Sklaverei auseinander, dem Menschenhandel. Von Rechts- und Sozialsystemen nahezu fallengelassen, rutschen viele sozial schwache Personen in das Elend von Ausbeutung und Missbrauch. Wer Sklaverei oder sklavereiartige Praktiken ausübt, duldet oder ermöglicht, muss auf nationaler und, falls nötig, auf internationaler Ebene zur Rechenschaft gezogen werden. Die internationale Gemeinschaft muss ebenfalls mehr tun für die Bekämpfung von Armut, sozialer Ausgrenzung, Analphabetismus, Ignoranz und Diskriminierung, die verwundbarer machen und mit ein Grund für diese Geißel sind“. (Kofi Annan, "Menschenhandel ist eine neue Form der Sklaverei", Erklärung zum Internationalen Tag für die Abschaffung der Sklaverei, 2. Dezember 2005, New York).

Zum Weiterlesen

  • Delacampagne, Christian (2004), Die Geschichte der Sklaverei, Düsseldorf.
  • Galeano, Eduardo (2009), Die offenen Adern Lateinamerikas, Wuppertal.
  • Osterhammel, Jürgen (2006, Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München.
  • Eckert, Andreas (2006), Kolonialismus, Frankfurt a.M.
  • Deile, Volkmar / Hutter, Franz-Josef / Kurtenbach, Sabine (2007), Jahrbuch Menschenrechte 2008: Schwerpunkt: Sklaverei heute, Frankfurt a.M.

 

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