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Eckdaten
Ort/Bundesland: Radom |
Bibliografie
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Projekt Kontakt
VI Liceum Ogólnokształcące im. Jana Kochanowskiego w Radomiu ul. Kilińskiego 25 26-600 Radom Tel.: 048-363-23-96 Fax: 048-362-20-52 http://www.kochanowski.iq.pl |
Erinnerung geben und Stereotype nehmen
Im Jahr 1917 entstand in der Kliliński Straße 13 in Radom ein privates jüdisches Jungengymnasium und im Jahr darauf wurde in der Mariacka Straße 4 ein Mädchengymnasium eröffnet. Gründer beider Schulen war Józef Temerson, der sich aktiv und mit viel Energie für gesellschaftliche Belange einsetzte. Er war Mitglied des Radomer Stadtrates und Leiter der Radomer Filiale der Handelsbank Łódź. Unter den Initiatoren der Schulgründung spielte auch Icchak Tynowicki eine wichtige Rolle, der anschließend das Schulsekretariat leitete. Die Aufsicht über die beiden Schulen lag in den Händen der eigens für diese Zwecke gegründeten Gesellschaft „Freunde des Wissens“, deren Mitglieder assimilierte, reichere Juden aus Radom waren.
Krieg und Holocaust zerstörten die jüdische Gemeinde in Radom und mit ihr die Schule. Die Lehrer der örtlichen Jan Kochanowski Schule beschlossen die Erinnerung an das jüdische Gymnasium in der Kiliński Straße wiederzuerwecken. Die Initiative, an der sich auch die Schüler der Jan Kochanowski Schule beteiligten, verfolgte das Ziel, die Bevölkerung von Radom an die viele Jahrhunderte lang währende Anwesenheit einer jüdischen Gemeinschaft in ihrer Stadt zu erinnern und ihnen zugleich bei der Überwindung über Jahre angewachsener Stereotype helfen.
Die Umsetzung des Projektes
Die Arbeiten an dem Projekt begannen bereits 2004, als es den Projektautoren gelang, mit Vertretern der einstigen jüdischen Gemeinde von Radom, unter anderem mit Chaim Kincler aus Israel, Kontakt aufzunehmen.
Damals wurde beschlossen, eine Internetseite zu erstellen, die dauerhaft an die jüdischen Schüler und Lehrer des Gymnasiums der Gesellschaft „Freunde des Wissens“ erinnern sollte. Unter der Leitung von Zbigniew Wieczorek und Iwona Grześkiewicz begannen die Schüler der Jan Kochanowski Schule zu recherchieren. Kontakt zu ehemaligen Schülern, die den Krieg überlebt hatten, verschaffte ihnen Informationen über das Kriegsschicksal weiterer Personen. Darüber hinaus wurde ein offizieller Aufruf an all jene gerichtet, die bei der Erstellung der Biogrammsammlung behilflich sein könnten. Es lohnt sich darauf hinzuweisen, dass diese Datenbank mit Biogrammen weiterhin aktualisiert wird.
Die recherchierten Namen wurden am 19. April 2006 auf dem Hof der ehemaligen Schule laut vorgelesen. Das Ereignis fand unter Teilnahme der Schüler des VI. Allgemeinbildenden Gymnasiums statt. Das laute „Anwesend!“, das bei den nachfolgend gelesenen Namen der anwesenden Schüler erklang, machte ausdrucksstark auf das Fehlen derjenigen aufmerksam, deren mit der Schule verknüpften Geschicke durch Krieg und Vernichtung unterbrochen worden waren. Die feierliche Versammlung auf dem Hof der ehemaligen Schule ermöglichte, die Abwesenheit und die Leere intensiver zu erleben, als es zurzeit die bloßen Mauern des Gebäudes an der Kliński Straße erlauben.
In das Jahr 2007 fällt das 90 jährige Bestehen des Gymnasiums der Gesellschaft „Freunde des Wissens“. Bereits im April findet aus diesem Anlass eine Konferenz zum Thema „Die jüdische Gemeinschaft Radoms in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – Kultur, Vernichtung, Zerschlagung“ statt. Geplant sind zudem ein Treffen mit Jakub Zyskind, einem Ehemaligen des Gymnasiums, sowie eine Feier auf dem Grundstück der ehemaligen Schulen. Darüber hinaus werden die Schüler durch eine Ausstellung über die Geschichte der jüdischen Diaspora in Radom führen, die die lokale Abteilung des Staatsarchivs erstellt hat.
Didaktische Überlegungen
Über 60 Jahren lang versucht das polnische Gedenken nun schon, mit der Tragödie der Judenvernichtung fertig zu werden. Seit Generationen haben die wichtigsten moralischen Autoritäten zu diesem Thema ihre Stimme erhoben. Wichtig ist jedoch, dass dieses Gedenken nicht nur auf der offiziellen Ebene des Staates bzw. der Stadt funktioniert, sondern junge Menschen mit einbezieht und ihre Vorstellung der Vergangenheit ebenso wir ihre Sichtweise der Gegenwart beeinflusst.
„Anwesend…“ – dieses Wort fällt oft zu Beginn jeder Schulstunde. Jeder Schüler, dessen Namen vorgelesen wird, bestätigt damit seine Anwesenheit in der Klasse und seine Bereitschaft zu lernen. Als Titel eines Projektes zur historischen Bildung hat das Wort „anwesend…“ jedoch eine viel weiterreichende Bedeutung: Es verdeutlicht, dass die Erinnerungen an die Altersgenossen von vor 70 Jahren nun einen Platz im Gedächtnis der Schüler haben. Zudem soll es die Realität des Alltags im Radom der Vorkriegszeit veranschaulichen, einem Ort, an dem sich die Kulturen und Religionen durchdrangen. Das Bewussteisen der Leere, die die jüdischen Einwohner der Stadt hinterließen, zeigt am besten das leer stehende Gebäude der ehemaligen Schule, in dem nie wieder eine Schulstunde stattfinden wird.
Übersetzung: Thekla Lange
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- 13 Mai 2010 - 11:11