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Gedenkstättengeschichte(n). Eine kommentierte Literaturauswahl

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von Cornelia Siebeck

Die folgende Auswahl umfasst wissenschaftliche Monographien und Sammelbände zur Geschichte von Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen an historischen Orten der NS-Verbrechen. Der Fokus liegt dabei auf den Nachfolgegesellschaften des „Dritten Reichs“.

Eine Ausnahme stellen die beiden Titel aus den frühen 1980er-Jahren dar. Hier geht es nicht um die wissenschaftliche Analyse, sondern um die Skandalisierung des gesellschaftlichen Umgangs mit nationalsozialistischen Tatorten nach 1945. Sie sind daher auch heute noch gut geeignet, um die massive Empörung nachzuvollziehen, welche die damaligen Erinnerungsaktivist*innen angesichts der „vergessenen“ Tatorte empfanden. Eine weitere Ausnahme ist das Bändchen zur Geschichte der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Darin wird die Entwicklung der Gedenkstätte entlang von historischen Fotos und Dokumenten skizziert.

Über die hier in chronologischer Reihenfolge aufgeführten Titel hinaus findet sich eine Vielzahl von weiteren  einschlägigen Aufsätzen auf allerart wissenschaftliche Sammelbände und Periodika verteilt. In den letzten Jahren erscheinen außerdem zunehmend Publikationen zum 30- oder 40-jährigen Bestehen von Gedenkstätten oder Erinnerungsinitiativen, in denen die Beteiligten auf ihr Engagement zurückblicken. Wer Literatur zu speziellen Initiativen oder Gedenkstätten sucht, sollte sich also auch auf den entsprechenden Websites umsehen. 

Ein hervorragendes Tool zur Recherche nach Gedenkstättengeschichte(n) ist der Online-Katalog der Gedenkstättenbibliotheken: https://aggb-katalog.de. Viel Erfolg bei der Suche!

Detlef Garbe (Hg.): Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik, Bornheim-Merten: Lamuv Verlag, 1983, 230 S. – In diesem Sammelband skandalisieren Erinnerungsaktivist*innen der frühen 1980er-Jahre den gesellschaftlichen Umgang mit Orten der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik. Die Texte vermitteln nicht nur lebendige Eindrücke vom damaligen Zustand der Orte, sondern geben auch Auskunft über die Motive der Autor*innen, sich für den Auf- und Ausbau von Gedenkstätten einzusetzen. Eine ausführliche Besprechung des Buches hat Thomas Hirschlein für dieses Magazin geschrieben 

Bernd Eichmann: VERSTEINERT VERHARMLOST VERGESSEN. KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 1985, 220 S. – Bernd Eichmann bereiste 1984/85 zahlreiche Orte der NS-Verbrechen. Seine Impressionen vor Ort verdichtete er mit weiteren Recherchen zu eindringlichen Reportagen, die in der Forderung nach einer „schonungslosen Gegenwartskunde“ münden. Der Band wird von Pascal Beck in diesem LaG-Magazin gewürdigt. 

Detlef Hoffmann (Hg.): Das Gedächtnis der Dinge. KZ-Relikte und KZ-Denkmäler 1945-1995, Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag, 1998, 350 S. – Der wissenschaftliche Sammelband enthält unter anderem reich bebilderte Studien zur Entstehung und Entwicklung der KZ-Gedenkstätten Dachau und Neuengamme in der Bundesrepublik sowie zur Gründungsgeschichte der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald in der DDR. 

Günter Morsch (Hg.): Von der Erinnerung zum Monument. Die Entstehungsgeschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen, Berlin: Edition Hentrich, 1996, 325 S. – Der wissenschaftliche Sammelband enthält eine Vielzahl von Aufsätzen, welche die Geschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen in der DDR beleuchten. Auch die Gestaltung des Geländes und diverser Ausstellungen wird diskutiert. 

Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanna Lanwerd (Hg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945-1995, Berlin: Edition Hentrich, 1999, 326 S. – Der wissenschaftliche Sammelband umfasst zahlreiche Aufsätze, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Entwicklung der Gedenkstätte Ravensbrück beschäftigen. Der Fokus liegt auf der Zeit der DDR. Es wird aber auch danach gefragt, wie nach dem Ende der DDR mit deren erinnerungskulturellen Hinterlassenschaften umzugehen sei. 

Hasko Zimmer: Der Buchenwald-Konflikt. Zum Streit um Geschichte und Erinnerung im Kontext der deutschen Vereinigung, Münster: agenda Verlag, 1999, 247 S. – Ausgehend von einem  Forschungsprojekt, an dem auch Studierende beteiligt waren, beschreibt der Erziehungswissenschaftler Hasko Zimmer die öffentlichen Kontroversen um die Neugestaltung der Gedenkstätte Buchenwald zwischen 1989 und 1997 als „Vereinigungskonflikt“. 

Harold Marcuse: Legacies of Dachau. The Uses and Abuses of a Concentration Camp, 1933-2001, Cambridge u.a.: Cambridge University Press, 2001, 590 S. – In seiner umfangreichen Monographie verfolgt der Historiker Harold Marcuse den öffentlichen Umgang mit dem Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau über einen langen Zeitraum hinweg. Verschiedene Phasen der Gedenkstättengeschichte werden dabei im Kontext übergreifender historischer, gesellschaftlicher und erinnerungskultureller Entwicklungen reflektiert.

Bertrand Perz: Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. 1945 bis zur Gegenwart, Insbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag, 2006, 348 S. – Die Studie des Historikers Bertrand Perz beschreibt die Entwicklung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen bis zu ihrer grundlegenden Neuausrichtung in den 2000er-Jahren. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Akteurskonstellationen, die in verschiedenen Phasen Einfluss auf die Gedenkstättengestaltung nahmen. 

Petra Haustein: Geschichte im Dissens. Die Auseinandersetzung um die Gedenkstätte Sachsenhausen nach dem Ende der DDR, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2006, 491 S. – Die Politikwissenschaftlerin Petra Haustein analysiert die Konflikte um die Neugestaltung der Gedenkstätte Sachsenhausen in den 1990er-Jahren. Sie rekonstruiert die Perspektiven der beteiligten Akteure und arbeitet konträre Erfahrungs- und Erwartungshorizonte heraus. 

Jörg Skriebeleit: Erinnerungsort Flossenbürg. Akteure, Zäsuren, Geschichtsbilder, Göttingen: Wallstein Verlag 2009, 387 S. – Der Kulturwissenschaftler und Historiker Jörg Skriebeleit untersucht die Geschichte der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhalten der anliegenden Gemeinde Flossenbürg und der bayerischen Behörden, welche die Herausbildung einer größeren Gedenkstätte lange Zeit verhindern wollten.

Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Bergen-Belsen (Hrsg.): Bergen-Belsen. Geschichte der Gedenkstätte, Celle: o. V. 2012, 154 S. – In dem von der Gedenkstätte Bergen-Belsen publizierten Bändchen wird deren Entwicklung anhand von historischen Fotos und Dokumenten schlaglichtartig nachgezeichnet. Zudem ist eine CD mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuß zur Eröffnung 1952 beigelegt.

Johann Klarmann: Die erneute Demütigung. Hamburgs Umgang mit dem ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme 1945 bis 1985, Berlin: LIT Verlag –Der ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Johann Klarmann erforscht das zähe Ringen insbesondere zwischen Überlebenden und der Hamburger Politik und Verwaltung um die kommemorative Nutzung und Ausgestaltung des Ortes des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme. 

Marco Brenneisen: Schlussstriche und lokale Erinnerungskulturen. Die „zweite Geschichte“ der südwestdeutschen Außenlager des KZ-Natzweiler seit 1945, hrsg. v. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 2020, 679 S. – Der Historiker Marco Brenneisen fragt nach dem gesellschaftlichen Umgang mit den ehemaligen Außenlagern des KZ-Natzweiler unter französischer bzw. amerikanischer Besatzung und in der Bundesrepublik. Dabei interessiert er sich vor allem für die Mikroebene lokaler und regionaler Praktiken und Politiken des Erinnerns bzw. Nicht-Erinnerns. 

Martin Ulmer/Heinz Högerle (Hrsg.): Der Umgang mit früheren KZ-Außenlagern nach 1945. Perspektiven des Erinnerns heute. Dokumentation der Tagung des Gedenkstättenverbundes Gäu-Neckar-Alb 2017 in Gäufelden-Tilfingen, Horb-Rexingen: Barbara Staudacher Verlag 2021, 169 S. – Die hier versammelten Aufsätze beschäftigen sich mit lokalen Geschichten der Erinnerungsabwehr rund um ehemalige KZ-Außenlager vor allem im heutigen Baden-Württemberg. Erst in den 1980er- und 1990er-Jahren sorgten Erinnerungsinitiativen dafür, dass diese Orte zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen wurden.

Ann Katrin Düben: Die Emslandlager in den Erinnerungskulturen 1945 - 2011. Akteure, Deutungen und Formen, Göttingen: Brill/V&R unipress, 2022, 320 S. – Die Historikerin Ann Katrin Düben beschreibt die erinnerungskulturellen Aushandlungsprozesse in Bezug auf die ehemaligen Emslandlager als „dynamische Streitgeschichte“ bis in die Gegenwart hinein. Seit 1945 entwickelten sich immer wieder neue „Gedächtnis- und Vergessensgemeinschaften“, die mit regionalen und überregionalen Akteuren und Strukturen interagierten.

 

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